StartseiteMagazinKolumnenIn der Digital-Falle - die Behörden sind gefordert

In der Digital-Falle – die Behörden sind gefordert

In Deutschland wird nach der verheerenden Unwetter-Katastrophe eine Frage ganz heftig diskutiert: Warum hat das Alarmsystem nicht funktioniert? „Es ist eine Katastrophe mit Ansage gewesen“, schreibt die „Zeit“. Tatsächlich: Schon am Montag der vergangenen Woche hatte der deutsche Wetterdienst vor „Hochwasser sowie vor Überflutungen von Strassen gewarnt. Auch in den TV-und Radio-Nachrichtensendungen griffen die Meteorologen die Warnung auf. Über die Warn-App „Nina“ des deutschen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verschickten die zuständigen Stellen zudem laufend Warnungen, die aber schlicht nicht angekommen sind.

Nicht verwunderlich: Nur rund 10 der 80 Millionen Einwohner in Deutschland haben die App auf ihren Handys heruntergeladen. Und in der Zwischenzeit hat Deutschland aber auch seine Warnsirenen massiv abgebaut und die Einwohnerschaft nicht über die Änderungen und ihre möglichen Folgen informiert. Schon gar nicht ist überprüft worden, ob die Informationen auch breit angekommen sind. Wie immer wieder: Information ist eben nicht Kommunikation. Eine alte Weisheit aus der Kommunikationswirkungsforschung besagt: Erst wenn die Adressaten die Informationen verstanden haben und sich danach richten, ist richtig kommuniziert worden.

Anders in der Schweiz. In unserem Land setzen die Behörden nach wie vor auf die Sirenen. Wer erinnert sich nicht: Jeweils am ersten Mittwoch des Monats Februar findet der jährliche Sirenentest statt. Dabei wird die Funktionsbereitschaft nicht nur der Sirenen des „Allgemeinen Alarms“, sondern auch jener des „Wasseralarms“ getestet. Wir werden  jeweils über die Medien darüber informiert und gar um Verständnis für die mit der Sirenenkontrolle verbundenen Unannehmlichkeiten gebeten.

Deutschland hat eine andere Vergangenheit, viele sind noch vom Sirenenklang traumatisiert. Im letzten Kriegsjahr haben die Alliierten mit ihren Bomberangriffen ganze Städte in Schutt und Asche gelegt, Nazi-Deutschland in die Knie gezwungen, tausende Menschen starben dabei. Anders in der Schweiz, die Sirenen schützen vor Unwetter- und anderen Katastrophen, sieht man vor ein paar Einsätzen im Zweiten Weltkrieg ab.

Das Beispiel in Deutschland macht aber deutlich, dass wir uns zurzeit in einer gefährlichen Übergangsphase befinden: Im Übergang vom analogen in das digitale Zeitalter. In dieser Übergangsphase sind die Behörden ganz besonders gefordert; sie haben die breite Bevölkerung in die digitale Welt mitzunehmen.

Immer wieder passieren Fehler. In der Stadt Zürich beispielsweise änderte das Gesundheitsdepartement das Anmeldeverfahren für Alterswohnungen. Die Warteliste mit über 4000 Anmeldungen sollte abgeschafft werden. Die Interessenten sollten sich über das Internet für freie Wohnungen bewerben. Und die freien Wohnungen sollten künftig über einen Zufallsgenerator vergeben werden. Ein Sturm brach los. Andreas Hauri, der zuständige Gesundheitsdirektor, musste zurückkrebsen, die Änderung wird um drei Jahre verschoben. Auf die Möglichkeit, sich auch brieflich/telefonisch zu bewerben, wird ausdrücklich hingewiesen, Nicht so, wie eine zuständige Mitarbeiterin in Presseberichten meinte: „Alle sind doch mit dem Internet vertraut.“ Welche Fehleinschätzung. Natürlich sind die älteren Menschen mit dem Handy vertraut, sind in der digitalen Welt angekommen, Das heisst aber noch lange nicht, dass alle auch vertieft mit den digitalen Möglichkeiten umgehen können und auch wollen. So bald Formulare beispielsweise zu kompliziert aufgebaut sind, verzichten viele darauf, sich eben über das Internet anzumelden, die Bankgeschäfte über das Handy abzuwickeln.

Ich wollte es noch präziser wissen. Wie steht  es beispielsweise mit der Steuererklärung?

Im Kanton Zürich sind bis zum 30. Juni 2021 insgesamt 440’000 Steuererklärungen eingereicht worden, 230’000 davon online, gut 50%. Die Zahl der Online-Steuererklärungen hat nach Auskunft der Finanzdirektion im Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen. Im ganzen Jahr 2020 seien nicht so viele Online-Steuererklärungen abgegeben worden wie in der ersten Hälfte des laufenden Jahres. Der Hintergrund dieser Entwicklung dürfte das neue Online-Tool sein, das Anfang Jahr vorgestellt und in Betrieb genommen worden ist. Es bietet gegenüber früher einen einfacheren Online-Zugang zur Steuererklärung und eine moderne Benutzerführung, zudem müssten keine Papierunterlagen mehr eingesendet werden. Das habe der Online-Steuererklärung einen starken Schub verliehen.

Eine Aussage zur Frage, ob ältere Personen die Steuererklärung auf Papier bevorzugen, lässt sich laut Finanzdirektion nicht machen. Denn das Alter der steuerpflichtigen Personen werde nicht erhoben. Anders im Kanton St. Gallen, der mit Zahlen aufwartet. Die 25-29-Jährigen schwingen dort obenauf, 77,5% reichen die Steuererklärung per Internet ein, bei den über 74-Jährigen sind es immerhin auch schon 57%, aber es gibt Luft nach oben. Nicht erhoben wird sowohl im Kanton St. Gallen als auch im Kanton Zürich, ob die Steuererklärungen direkt von den natürlichen Personen oder von Steuerberatern und Treuhandbüros erstellt werden. Wie der Kanton Zürich zeigt, hängt es sehr stark von der Einfachheit der Eingabe-Formulare ab, ob die Steuerpflichtigen das Online-Angebot auch nutzen.

Ganz wichtig ist, dass die Behörden in dieser Übergangsphase vom analogen zum digitalen Zeitalter weit sorgfältiger umgehen, weit umsichtiger handeln, dass sie dafür besorgt sind, dass über die Angebote nicht nur informiert, sondern auch umfassend kommuniziert wird. Und dass weit besser registriert und auch untersucht wird, wie das Internet in der Beziehung zwischen den Bürgerinnen/Bürgern und dem Staat, den Behörden auch tatsächlich funktioniert. Auch wenn es nicht um Leben und Tod geht.

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