StartseiteMagazinGesellschaftWer EL bezieht, hat im Heim schlechtere Karten

Wer EL bezieht, hat im Heim schlechtere Karten

Rund 60 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Altersheimen beziehen Ergänzungsleistungen. Gemäss einer Expertin müssen Betagte, die auf diese Hilfe angewiesen sind, mit Nachteilen rechnen.

Auf den ersten Blick sieht alles perfekt aus. Ein Aufenthalt im Altersheim ist zwar teuer, der Normaltarif liegt zwischen 5600 und 8700 Franken im Monat. Doch reicht das Einkommen der Bewohnerinnen und Bewohner und die übrigen Beiträge nicht aus, decken die Ergänzungsleistungen der AHV (EL) die Differenz.

Zwischen den EL-Bezügern und den Bewohnerinnen, die nicht auf diese Unterstützung angewiesen sind, bestehe kein Unterschied, sagen die offiziellen Stellen. „Stimmt nicht», sagt die Fachfrau A. R. (Name der Redaktion bekannt). Weil die Expertin dem Kader einer einschlägigen Organisation angehört, will sie mit ihrem Namen nicht gegen aussen treten.

Auch wer wenig oder gar kein Geld besitzt, hat einen Heimplatz auf sicher. Unterschiede gibt es dennoch: Wer Ergänzungsleistungen bezieht, hat zum Beispiel weniger Auswahl.

Seniorweb: Warum kommt es zu diesen Differenzen?

A.R.: Die EL-Bezügerinnen und -Bezüger decken zwar die Kosten der Heime. Aber die Institutionen verdienen mehr an jenen, die alles oder einen Teil selbst übernehmen. Diese Selbstzahler sind beliebter, weil viele von ihnen Zusatzleistungen beanspruchen, den besser rentierenden Hotelservice etwa. Wer EL bezieht, kann sich diesen zwar auch gönnen, gerät aber bald ans Ende seiner finanziellen Möglichkeiten.

Ausser er hat genügend Schwarzgeld beiseite geschafft.

Das funktioniert nur mit kleineren unauffälligen Beträgen.

Steht den EL-Bezügern jedes Heim offen?

Alle Heime, auch die luxuriösen Residenzen, halten in der Regel eine Anzahl Plätze für EL-Beziehende frei. Dieses Kontingent ist jedoch nicht öffentlich. Wenn Heime genügend ausgelastet sind, können sie deshalb EL-Anmeldungen abweisen. Leute in solchen Situationen müssen deshalb unter Umständen lange nach einem Platz suchen. Als Folge der Pandemie hat es zurzeit zwar genügend freie Zimmer. Dies kann sich jedoch wieder ändern.

Und wenn es eilt? Wenn zum Beispiel nach einem Spitalaufenthalt so rasch wie möglich ein Heimplatz her muss?

Dann haben die Betroffenen mit EL eher damit zu rechnen, dass sie nicht am gewünschten Ort einziehen können, sondern dass sie mit einem Platz weitab vorlieb nehmen müssen.

Muss, wer EL bezieht, mit Einschränkungen rechnen?

Angenommen, ein Heim hat zwei freie Plätze und gleichviele Anmeldungen. Was meinen Sie, wer bekommt das Zimmer mit Aussicht  und wer muss mit dem Blick auf den Parkplatz vorlieb nehmen?

Anders als die Heimverwaltung weiss das Personal auf den Stationen nicht, wer EL bezieht.

Ich muss nicht raten: Die Selbstzahlerin schaut ins Grüne, der EL-Bezüger blickt auf Asphalt.

Immerhin müssen Bewohner, die anfänglich selbst bezahlen, nicht damit rechnen, dass sie in ein schlechteres Zimmer verlegt werden, wenn sie später Ergänzungsleistungen beziehen.

Wirklich skandalös wäre es, wenn EL-Unterstützte schlechter versorgt oder gepflegt würden.

Nein, das passiert gemäss meinen Erfahrungen nicht. Nur die Verwaltung weiss, wer EL bezieht, das Personal nicht.


„Anständige, aber nicht luxuriöse Leistungen“

Die Stellungnahme. Der Schweizer Branchenverband Curaviva kümmert sich auch um Altersheime. Mitarbeiter Yann Golay Trechsel nimmt Stellung zu den im Interview aufgeworfenen Fragen. Von einem „besser rentierenden Hotelservice“ könne kaum die Rede sein, so Golay. Alle Heimbewohner würden bis zu einem gewissen Masse „Hotelleistungen» beanspruchen. „Dies ist unumgänglich, um ein Leben in Würde führen zu können.“

Die Heime müssten ausgewogene Finanzen ausweisen, erklärt er. „Einige Institutionen bieten umfangreichere und auch teurere Leistungen an. Das gehört zu unserem liberalen Wirtschaftssystem.“ Dass die EL wohl die Kosten von anständigen, nicht aber von „luxuriösen“ Leistungen decken, stehe im Auftrag der Ergänzungsleistungen. Golay: „Diese sind von der öffentlichen Hand finanziert und dürfen deswegen nicht mehr als das Notwendige decken, ein Leben in Sicherheit und Würde.»


Wer bezahlt fürs Altersheim?

Die Infos. Der Aufenthalt in einem Heim kostet im Schnitt ohne Pflegeleistungen monatlich zwischen 5600 und 8700 Franken. Dieser Betrag wird mit der AHV-Rente, zum kleinen Teil durch die Krankenkasse und falls vorhanden mit der PK-Rente bezahlt. Dazu kommt ein allfälliges Vermögen. Von diesem wird ein Freibetrag abgezogen, 30’000 Franken für Alleinstehende, 50’000 Franken für Ehepaare. Von der verbleibenden Summe wird ein prozentualer Anteil für die Heimkosten verwendet. Weil all dies bei rund 60 Prozent der Heimbewohnenden nicht reicht, decken die Ergänzungsleistungen der AHV das Manko – einschliesslich eines „Sackgelds». Dieses ist unterschiedlich hoch, im Durchschnitt sind es monatlich 376 Franken. In Einzelfällen beziehen die Bewohner auch Sozialleistungen. An den Heimkosten beteiligen sich auch die Gemeinden und Kantone.


Die Zahlen im gesamten Artikel beziehen sich auf den Kanton Bern. Sie können anderswo abweichen.

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5 Kommentare

  1. Bei einem Heimeintritt wissen die Heime nicht, ob EL bezogen werden oder nicht. Manchmal ist es auch so, dass erst nach einem Eintritt Leistungen beantragt werden müssen. Also, diesem Beitrag stimme ich überhaupt nicht zu. Ich weiss, wovon ich rede.

  2. Wie kann Seniorweb einer „sogenannten Fachperson die einem Kader einer einschlägigen Organisation angehört“ eine solche Plattform geben? Ich bin rund 40 Jahre in der Altersarbeit tätig gewesen (Heimleitung, Leitung Zentralstelle Spitex, Beratung und Bildung in Altersarbeit, Beschwerdestelle für das Alter usw.) und entsetzt, wie einfach generell behauptet werden kann, dass eine ältere Person die Ergänzungsleistungen bezieht, in Heimen „schlechtere Karten“ hat.

    Jedes mir bekannte Altersheim hat eine Taxordnung mit einer Grundtaxe (Hoteltaxe). Ein sogenannter „rentierender Hotelservice“ wie die „unbekannte Fachperson“ im Artikel beschreibt, habe ich noch in keiner einzigen Institution angetroffen. Auch die Behauptung, dass bei der Zuteilung von Zimmern/Appartementes EL-Bezüger/innen benachteiligt werden, habe ich in keinem Altersheim oder Zentrum gesehen.

    In meiner langjährigen Tätigkeit sind mir viele Personen in finanziell schwierigen Verhältnissen begegnet, die an sich das Recht auf den Bezug von EL gehabt hätten und sich schämten solche zu beantragen. Ist sich die Redaktion von Seniorweb bewusst, dass mit solch pauschalen und unbelegten Behauptungen bezüglich Ergänzungsleitungen, ältere Menschen noch mehr verunsichert werden? Der Bezug von EL ist ebenso berechtigt wie der Bezug von AHV …

    Hans-Rudolf Winkelmann

  3. Total faktenwidrige Antworten der anonymen «Expertin», die ich als Berner Beistand dreier älterer Menschen mit unterschiedlichen finanziellen Ressourcen (2 EL-Bezüger) im grössten Anbieter von Wohnen und Pflege im Kanton Bern zurückweisen muss. Da bei einem Eintritt in ein «Altersheim», von denen es von Seniorenresidenzen bis zu Heimen mit umfassender Pflege oder Kompetenzzentren Demenz alles gibt, die finanzielle Situation der potenziellen Heimperson kein Thema ist, wissen somit weder Heimleitung noch Personal etwas davon. So stimmt natürlich die Aussage auch nicht, dass EL-Bezüger länger auf einen angemessen Heimplatz warten müssten als andere Interessenten oder ebenso wenig, dass sie «mit einem Platz weitab vorlieb nehmen» müssten. Hier werden wieder einmal fälschlicherweise ältere Menschen, die berechtigterweise auf EL angewiesen sind, zu Altersheimbewohnern zweiter Klasse degradiert.
    Im übrigen ist mir auch schleierhaft, weshalb Herr Hoppler die Auffassung vertritt, dass «dank BVG die EL der jüngeren Rentner stark zurückgehen» würden ?

  4. Es interessiert mich, nach welcher Formel das Vermögen abgebaut wird. Ist doch so, dass der sparsame
    an die Kasse kommt, und der Verschwender vom System profitiert.

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