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Afrikanische Lebensentwürfe

«Wie mutige Menschen auf einem schwierigen Kontinent ihre Träume verwirklichen», davon berichten achtzehn Porträts im Buch «Afrikanische Aufbrüche» von David Signer, langjähriger Afrika-Korrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung.

Afrika, der dunkle Kontinent, ist uns hauptsächlich durch Krisen, Flüchtlinge, Kriege und Hungersnöte bekannt. Aber wie die Menschen mit ihren Vorstellungen und Träumen leben, ist uns fremd. Dass auch in Afrika Konventionen durchbrochen werden und Menschen eigene, mutige Wege gehen, demonstrieren die Interviews in David Signers vorliegendem Buch.

Schon bevor der Autor NZZ-Korrespondent war – zwischen 2016 und 2020 lebte und berichtete er aus Dakar/Senegal – war er im Flüchtlingswesen tätig und unternahm Feldforschungen in Westafrika. Er schrieb mehrere Bücher über seine Erfahrungen.

Die Porträts wurden bereits früher in der NZZ einzeln publiziert. Doch zusammengetragen und für dieses Buch aktualisiert, vermitteln sie ein dichtes und lebendiges Bild und bringen uns das afrikanische Leben näher. Als studierter Ethnologe und Psychologe interessiert sich Signer stets für die Menschen, sie öffneten sich ihm und erzählten ihre Geschichten, die teilweise unglaublich klingen.

So träumte Godfrey Masauli in Malawi schon als Kind davon, Pilot zu werden. Flugzeuge faszinierten ihn, denn in der Nähe seines Dorfes befand sich ein kleiner Flughafen. Als ältestes von fünf Kindern musste er jedoch für die anderen sorgen und arbeitete vorwiegend auf dem Bau. Wie er durch einen kanadischen Gleitschirmflieger und durch die Begegnung der richtigen Leute im richtigen Moment schliesslich Pilot wurde, erfahren wir in seinem Porträt. Mit der festen Überzeugung «Ndizotheka! – Es ist möglich!» hat sich sein Traum auch gegen grosse Widerstände erfüllt.

Die Geschichte von Moudou Touré, der als Strassenkind in einem ärmlichen Quartier von Dakar betteln musste und später den ersten Zirkus in Senegal gründete, grenzt ebenso an ein Wunder. Er, der es schaffte, lässt nun andere Benachteiligte im Zirkus mitarbeiten, und sie erfahren zum ersten Mal: «Im Zirkus erleben wir, dass wir existieren.» Inzwischen ist Sencirk’ ein professioneller Zirkus und geht auf Tournee, auch im Ausland.

Godfrey Masauli bei seinen ersten Flugversuchen mit dem Gleitschirm im Jahr 2011. Bild: Benjamin Jordan.

Besonders erschütternd ist die Geschichte von Junior Nzita Nsuami, der im Alter von zwölf Jahren in Kongo-Kinshasa von der Schule weg entführt und als Kindersoldat zwangsrekrutiert wurde. Als Gründer der NGO Paix pour l’enfance erzählte er 2015 David Signer, anlässlich eines Vortrags in Zürich, wie er nach einem Jahrzehnt unter Rebellen und brutalen Kriegern ins normale Leben zurückfand und lernen musste, sich selbst zu verzeihen. «Kongo fabriziert keine Waffen!» und wenn der Westen keine Waffen mehr liefert, könnten die Rebellen auch nicht mehr kämpfen, ist er überzeugt. Über seine Erfahrungen schrieb er ein Buch, das in deutscher Übersetzung erhältlich ist: Wenn ich mein Leben als Kindersoldat erzählen könnte.

Die Wäscherin Djouma Ngom arbeitet in Dakar inmitten von Verkehr, Lärm und Schmutz von sieben Uhr morgens bis Mitternacht. Die Wäscherinnen sind rechtlos und verdienen fast nichts. Doch nun beginnen sie sich zu organisieren. Bild: Katja Müller

Die Menschen berichten in den Interviews von ihrem Kampf gegen Unrecht. So ist religiöser Extremismus in Afrika nicht nur islamisch, sondern auch christlich geprägt, Freikirchen sind omnipräsent. Fundamentalistisch-evangelikale Prediger entfremden die Menschen von ihrer Kultur und Familie. Um dem entgegenzuwirken, gründeten aufgeklärte Ghanesen in der Hauptstadt Accra die Humanist Association of Ghana unter der Leitung von Roslyn Mould. Hier finden nicht nur Zwangsbekehrte, sondern auch Homosexuelle und Lesben Verständnis. Gerade sie werden von der Gemeinschaft verstossen, wie Djamil Bangoura aus Senegal in einem anderen Porträt beschreibt.

Dass es in gewissen afrikanischen Gegenden noch Menschenopfer gibt oder man Frauen beschneidet, ihre Vagina zunäht und vor der Hochzeit aufschneidet, klingt für uns schockierend. Berichte von Betroffenen mögen Einblick in die Zusammenhänge von solchen archaischen Handlungen geben. Zugleich zeigt sich, dass sich immer mehr Menschen auch in Afrika heute dagegen auflehnen und versuchen, die Gesellschaft aufzuklären.

Ein Wahrsager wirft ein Orakel. Bild: Katja Müller

David Signer leuchtet im Einführungskapitel Leben in Afrika die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Welt aus, in der sich die Porträtierten bewegen. Im Nachwort Schreiben über Afrika spricht er die gegenseitigen Vorurteile an. Dank seiner langjährigen Erfahrung im Zusammenleben mit der afrikanischen Bevölkerung kann er offen auf die Menschen zugehen, auch wenn ihre Art zu leben und zu denken für uns mitunter fremd und schwer verständlich ist. Und doch idealisiert der Autor nicht. Er weist auf die Eigenheiten, Abhängigkeiten und Schwierigkeiten hin, warum die afrikanische Gesellschaft noch immer in grosser Armut lebt und sich dabei gleichzeitig einzelne Familien und Herrscher exzessiv bereichern können.

Bilder: Die Fotos sind dem Buch entnommen.

David Signer, Afrikanische Aufbrüche. Wie mutige Menschen auf einem schwierigen Kontinent ihre Träume verwirklichen. NZZ Libro, Basel 2021. ISBN 978-3-907291-50-4

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