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Gefangen in der virtuellen Welt

Wie werden wir scheinen angesichts der netzmedialen Übermacht? Das Jugend Theater Basel gastiert mit der sehenswerten Tanz-Performance «born to shine» im Schauspielhaus Zürich.

Dass wir geboren werden, um zu scheinen, scheint ausser Frage. Fraglich scheint nur: Wie werden wir scheinen? In acht Wochen Probe haben 14 Jugendliche zwischen 15 und 23 Jahren des Jungen Theater Basel gemeinsam mit dem Regisseur Sebastian Nübling und dem Choreographen Ives Thuwis nach ihren ganz persönlichen Leidenschaften gesucht. Entstanden ist die Inszenierung «born to shine», die gegenwärtig in der Schiffbau-Box des Zürcher Schauspielhauses gastiert.

Still und später laut wird Jugendzorn demonstriert.

Geboten wird eine rund 75-minütige Tanz-Performance, die unter die Haut geht und reichlich zum Nachdenken anregt. Zu Beginn starren 13 hell glitzernde Bildschirme im schwarzen Raum dem Publikum entgegen. Dazu brummt lautstark ein Bass, drückt auf das Zwerchfell des Publikums. Beturnschuhte Füsse ragen unter den Bildschirmen hervor, dann ganze Körper, zuerst einzeln, dann mehrfach, vollführen ruckartige Bewegungen. Die flimmernde Bildwand bewegt sich bedrohlich auf das Publikum zu, stoppt kurz vor der ersten Reihe. «Born to shine» repetiert immer lauter eine technisch verfremdete Stimme.

Alle wollen mitmachen und auffallen

Die Bühne erhellt sich, die jungen Leute versammeln sich seitlich mit ihren Bildschirmen zu einer Casting-Show. Einzeln werden sie aufgerufen, springen in die Bühnenmitte und demonstrieren mehr oder minder gelenkig ihr Können. Alle wollen auffallen, wittern ihre Chance. Die Szene kippt, einzelne verweigern sich dem Drill, die reale Welt macht der virtuellen Welt Platz. Die Bildschirme dominieren das Geschehen, leuchten grell farbig, zeigen flirrende Buchstabenreihen. Im Schlepptau die Jugendlichen, die anfänglich das virtuelle Spiel kuschelnd mitmachen, dann wild tanzend Jugendzorn demonstrieren, angefeuert durch eine junge Frau, die im Stechschritt die tanzende Gruppe umschreitet und alles aufzählt, was sie bewegt und ärgert: Rassismus, Sexismus, Nazis, Populismus, Abwertung und vieles mehr.

Mit viel Körpereinsatz wird eine Scheinwelt gezeigt. Fotos: Junges Theater Basel

Sehr anschaulich und klug choreografiert vermittelt die Inszenierung ein heutiges Jugendbild, in der die virtuelle Scheinwelt die Jugend mehr und mehr vereinnahmt und wie schwer es ist, daraus auszubrechen. Tanzend und gesprochen werden Bedrängnisse, Ängste und Bekenntnisse, aber auch Hoffnungen vorgeführt, die eindrücklich unsere heutige netzmediale Übermacht illustrieren, die Suche nach dem individuellen Ausdruck thematisieren. Die jugendlichen Darsteller bieten ein grossartiges Spiel, leisten einen immensen Körpereinsatz, vollführen teils wahre akrobatische Sprünge. Einfach sehenswert.

Weitere Spieldaten:  16., 17., 18., 20., 21., 24., 25. November (ab 14 Jahren)

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