StartseiteMagazinKulturNatur und Bauerntum in der Kunst

Natur und Bauerntum in der Kunst

Die Landwirtschaft war ein beliebtes Motiv der bildenden Kunst. Die idyllische Darstellung des Bauernlebens weicht in der Gegenwartskunst einer kritischen Betrachtung der Beziehung zwischen Mensch und Acker. Zur Ausstellung «LandLiebe» im Graubündner Kunstmuseum.

Mal mit einer Suchmaschine im Internet nachsehen, was der Begriff einem alles beschert nebst dem Titel der Kunstausstellung. Erstens gibt es eine Schweizer Zeitschrift samt umfangreicher Webplattform, die so heisst, weiter ist LandLiebe ein Label für Milchprodukte aus Deutschland und schliesslich gelangt man zur Singlebörse für die Landwirtschaft und ländliche Regionen «landverliebt.de». Käuflich ist LandLiebe auch, als Puzzle mit 500 Teilen der Spielzeug-Firma Ravensburger, oder als Mako-Satin-Bettwäsche der Firma Momm und saisonal ganz aktuell der Geschenkkorb Landliebe mit Wein aus dem Baselbiet.

Zweimal Landwirtschaft mit Fotos von Ilkka Halso und dem präparierten Heugreifer Grin von Sofia Hultén

Der Ausstellungstitel LandLiebe. Kunst und Landwirtschaft ist treffend oder vielleicht kühn gewählt. Da die Präsentation noch bis Anfang Januar bleibt, könnten auch Bauern, Hirtinnen und die weitere Landbevölkerung einen Abstecher ins Museum machen und erfahren, wie sich Künstler und Künstlerinnen mit der Thematik beschäftigen, was sie uns an realisierten Ideen bieten.

Historisch und Heutig kombiniert von Lois Hechenblaiker aus der Serie Hinter den Bergen.

Leicht lesbar, amüsant und insgesamt eine ätzend böse Kulturkritik ist die Fotoserie, die der Fotograf Lois Hechenblaikner serviert. Er wurde weit über Österreich hinaus bekannt mit seinen Fotos aus dem Corona-Hotspot Ischgl. Er hat auch das Buch «Keine Ostergrüsse mehr!» in der Edition Patrick Frey initiiert und mit herausgegeben. Darin geht es um «Die geheime Gästekartei des Grandhotel Waldhaus in Vulpera». Hechenblaikner stellt in seiner Serie historische Fotografien aus dem Alpenraum modernen von sehr ähnlicher Struktur gegenüber und macht damit witzige bis zynische Kommentare zum Massentourismus und zur Zerstörung der alpinen Landschaft und Kultur.

Auch zugänglich und nicht weniger kritisch ist die Arbeit von Denise Bertschi Planta(itions). Sie setzt sich mit dem Ort, also der Villa Planta auseinander und geht der Frage nach, wie und aus welchen Mitteln das grossbürgerliche Haus, heute der Altbau des Museums, zustande kam. Stichworte sind Welthandel und Kolonialismus, wobei sie den Plantahof, das Ausbildungszentrum der Bündner Landwirtschaft einbezieht.

Giovanni Giacometti: Die Heuerinnen 1898

Und die einheimische Landwirtschaft? War die damals eine Idylle? Oder haben die Bauern zwar ohne Maschinen und weniger hektisch gearbeitet, aber nicht weniger mühevoll? War die Idylle des Bauernlebens im Kreislauf der Natur vielleicht vor allem eine Projektion jener, die zuschauen konnten? Also der Reisenden und der Künstler. Somit gehören Bilder von Giovanni Giacometti, Cuno Amiet oder Ernst Ludwig Kirchner und der Fotograf Paul Senn durchaus ins Set dieser Präsentation, immerhin ist die Landwirtschaft seit je ein zentrales Motiv der bildenden Kunst.

Haben die Künstler bis Mitte des letzten Jahrhunderts die Idylle des Lebens am Land ins Bild gesetzt, liegen der Gegenwartskunst die Bodenerosion, die Ausbeutung des Kulturlands durch zu intensive Bewirtschaftung oder auch die Zubetonnierung der Ernährungsressourcen näher – eben die Themen einer Gesellschaft in Zeiten der menschengemachten Klimaerwärmung. Der Planet liege in ökologischer Schieflage, sagt der Philosoph Timothy Morton, der eine Art Pate für diese Ausstellung sein könnte, herangezogen von Kurator Damian Jurt.

Mirko Baselgias Hors-Sol-Installation, wo seit der Einrichtung Tomaten oder andere Nahrungspflanzen bis zur Erntereife gewachsen sind. Foto: EC

Mirko Baselgia hat mit seiner Installation Endozoochory Project die Nahrungsmittelproduktion im Labor aufgebaut. Zur Vernissage waren es in der Anlage winzige Pflänzchen, die auf Steinwolle und mit Kunstlicht wachsen sollten. Jetzt ist es ein grünes Dickicht, in dem unter anderen Tomaten reifen. Auch wenn hier dichtes Grün wächst – mit einem idyllischen Garten hat die Installation nichts zu tun.

Eine eindrückliche Arbeit präsentiert Markus Maeder mit seiner Installation On Land. Er will zeigen, wie sich agrarische Böden verhalten, wenn sie biodynamisch oder konventionell mit den üblichen Mitteln als Monokulturfläche bewirtschaftet werden. Wider Erwarten sind die mikrobiellen Aktivitäten in beiden Erden gleich gross. Warum, kann der Künstler nicht erklären.

Korbinian Aigner: Luxemburger Reinette. 1941-1966

Eine wunderbare Arbeit stammt vom Priester Korbinian Aigner. Er hat sein ganzes Leben Äpfel und Birnen gezeichnet – mehr oder minder eins zu eins – und damit ein umfassendes Inventar erstellt, hier im Museum eine Wand voller Schönheit. Besondere Bedeutung erlangte die Sorte KZ-3. Sie hat er im KZ Dachau heimlich gezüchtet.

Olaf Holzapfel arbeitet mit Holz, Heu und Stroh für seine Objekte Schattenbild Rotes Kreuz oder Lichtbild 2/1 Stoff, während Asta Gröting ihren Abguss eines Stücks Ackerland vergoldet an die Wand hängt: Mahnmal für Nachhaltigkeit oder für Zerstörung? Dieser Arbeit hängt Kurator Jurt Giovanni Giacomettis Umstechender Bauer zur Seite. Beidemale geht es um den Ackerboden, Grundlage unserer Ernährung. Eindrücklich auch die Fotos von Ilkka Halso, die unter anderem den Saagut-Tresor – Sammlung der Biodiversität – ins Bewusstsein bringen. Noch stärker als Holzapfels Objekte verbreitet der Heuhaufen von Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė, der aus historischen Bildern in die Realität gekommen zu sein scheint, seinen Duft durch die Räume. In der Mitte steckt eine übergrosse Nadel in diesem Heu.

Der Heuhaufen aus der Installation Hexanot I von Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitėist im Mittelpunkt der LandLiebe-Ausstellung.

Zu der Ausstellung ist eine Publikation erschienen, herausgegeben von Damian Jurt:» Über die Liebe zum Land. Kunst und Landwirtschaft» nennt sich das Buch, und zwischen den Abbildungen der Werke sind vier sehr lohnende Texte von Schriftstellern, unter anderen von Leo Tuor und Dorothee Elmiger zu lesen, sowie der Essay «Wie eine Haut» von Damian Jurt.

LandLiebe ist alles andere als eine heitere Ausstellung, die idyllisches Land und Leben der Bauern zeigt. Aber die berühmten Gemälde im Austausch mit den zeitgenössischen  Kunstobjekten, Fotos und Installationen bieten bei aller Kritik auch Hoffnung, dass die Menschen ihre Nahrungsgrundlage nicht weiter zerstören.

Titelbild: Ausstellungsansicht mit Asta Grötings vergoldetem «Acker» und einem längst historischen Zustand von Mirko Baselgias «Endozoochory Project»

Bilder: © Bündner Kunstmuseum Chur

Bis 2. Januar 2022
Weitere Informationen zu «LandLiebe» im Graubündner Kunstmuseum
Buch: Über die Liebe zum Land. Kunst und Landwirtschaft. hg. von Damian Jurt. Kehrer Verlag 2021, ISBN 978-3-96900-050-2

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