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Eine Video-Regie, die passt

Sarah Derendinger ist eine international erfolgreiche Videokünstlerin. Nun zeigt sie am Theater Luzern ihre faszinierende Video-Regie von Benjamin Brittens Kammeroper «The Rape of Lucretia».

Videobilder gibt es schon seit geraumer Zeit im Musiktheater, doch das Theater Luzern setzt nun deutlicher auf die Video-Regie. Die aus Luzern stammende Sarah Derendinger ist die erste in einer Reihe von Video-Künstlern, die nach Luzern eingeladen werden. Von nun an soll es jede Saison eine Video-Regie geben.

Intime Musik, wenig Handlung

Benjamin Brittens frühe Kammeroper «The Rape of Lucretia», die 1946 uraufgeführt wurde, eignet sich gut dafür. Die Besetzung des Orchesters ist farbig, aber mit rund 20 Musikerinnen und Musikern klein. Die Intimität dieser Musik, die sich auch in solistischen Zwiegespräch zwischen Instrumentalisten und Sängern zeigt, ist sehr reizvoll. Zudem wird die Geschichte der keuschen Römerin Lucretia, die vom Etruskischen Prinzen Tarquinius vergewaltig wird, weniger direkt dargestellt, als vielmehr erzählt.

Szenenbild mit dem Prinzen Tarquinius (der Bariton Vladyslav Tlushch) und Lucretia (Solenn‘ Lavanant Linke). Bilder Theater Luzern/Ingo Hoehn)

Anfangs, in der Ouvertüre, musste man sich an die grosse Leinwand und die der Musik entsprechenden «wilden» Videobilder gewöhnen. Doch mit der Zeit taucht man ein in Derendingers Darstellung des etruskischen Saufgelages – sie arbeitet mit vorbeiziehenden Nahaufnahmen von Gesichtern. Eindrücklich das grosse Gesicht von Lucretia, ganz langsam kullern ein paar Tränen über ihre Wangen.

Raffiniert bebildertes Warten

Lucretia ist alleine, ihr geliebter Mann Collatinus ist seit Monaten fort. Sie verzehrt sich nach ihm. Britten gibt dieser Lucretia anfangs keine Stimme, sie spinnt Fäden und schläft, warten eben, nur warten. Erst bei und nach der Vergewaltigung, die sie dem herbeieilenden Collatinus gesteht, und vor ihrem Selbstmord, wird sie dramatisch. Solenn‘ Lavanant Linke weiss diese Spannkraft eindrücklich aufzubauen, und das Warten wird videotechnisch raffiniert gezeigt.

Lucretia liegt, in Tücher gekuschelt, in einem hellen Kubus (Bühne: Thoma Boudewijn, Licht: André Stocker), eine Kamera filmt sie und projiziert ihren schlafenden Körper auf alle vier Wände. Auch ihre kauernde Stellung, in der sie sich auf der Leinwand langsam um die eigene Achse dreht, hat etwas Magisches. Die Bilder sind aus der Musik heraus entwickelt, das Licht- und Schattenspiel passt. Die Schlafende hat etwas Erotisches, und auch das Bild der nackten Frau, die auf einem Pferd nach hinten wegreitet, hat nichts Voyeuristisches – die Symbolkraft ist stark.

Anspruchsvolle Erzählerpartien

Erzählt wird die Geschichte nach dem Vorbild des antiken Chors von einer weiblichen und einem männlichen «Chorus», die stark gefordert werden. Die Partie des Erzählers hat Britten für seinen Partner, den Tenor Peter Pears komponiert. Sie fordert vom Sprechen über rezitativischen Gesang bis zum Ariosen eine grosse Bandbreite, die Robert Maszl meisterhaft auslotet, während die Sopranistin Eyrún die Erzählerin mit warmer Strahlkraft und dramaturgischem Spürsinn gestaltet.

Neue Ensemblemitglieder

Fast alle Partien dieser Produktion sind mit neuen Ensemblemitgliedern des Luzerner Theaters besetzt. Vor allem in den Ensembles überzeugen sie mit innigem Miteinander und markanten stimmlichen Profile. Für den Tarquinius bringt der Bariton Vladyslav Tlushch das physische Draufgängertum mit, das es für den Vergewaltiger braucht. Er singt die anspruchsvolle Partie mit stimmlicher Kraft und Virtuosität.

Dieser Tarquinius zecht im Feldlager und unterhält sich mit den Generälen Collatinus und Junius über die Treue der Frauen. Der von seiner Gattin betrogene Junius stachelt den Prinzen auf, Lucretias Standhaftigkeit auf die Probe zu stellen, Tarquinius steigert sich in das Begehren hinein. Sebastià Peris gibt mit seinem geschmeidigen Bariton einen verschmitzten Junius, während Christian Tschelebiew mit elegant geführter Bassstimme Noblesse und Wärme ausstrahlt.

Die Amme und die Dienerin

Um Lucretia herum geben ihre Amme Bianca (Marcela Rahal) und die Dienerin Lucia (Tania Lorenzo) ein starkes Duo ab. Lorenzo ist nicht nur schaupielerisch eine quicklebendige Dienerin. Ihr hell strahlender und sehr agiler Sopran ergänzt sich auch ausgezeichnet mit der dunkleren Stimme von Rahal – ihre Duette gehen unter die Haut. Die musikalische Leitung hat Jesse Wong inne, der neue Studienleiter und Kapellmeister in Luzern. Er weiss den kammermusikalischen Reiz dieser Partitur, die durchaus auch moderne Klänge aufweist, adrett und vielsagend auszuspielen.

Weitere Aufführungen: 2. 4./16. 4./13. 5./15. 5. (13.30 h)/20. 5.
27. 3. 10-11 h Theatergottesdienst Matthäuskirche “Inspiration The Rape of Lucretia”

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