Vor 200 Jahren starb Ernst Theodor Amadeus Hoffmann in Berlin im Alter von nur 46 Jahren, ein Mensch mit vielen Talenten, der im deutschen Sprachraum lange fast vergessen war. Wer ihn heute liest, staunt über seine Modernität.
In Hoffmanns Werk widerspiegeln sich die Strömungen seiner Zeit: Die Französische Revolution hatte die Herrschaft des Adels gehörig ins Wanken gebracht; Napoleons Kriegszug durch Europa veränderte vieles in Europa, in Preussen, wo Hoffmann lebte, ebenso, wie wir alle wissen, in der Schweiz. In solch unruhigen Zeiten werden alte Ideale in Frage gestellt und neue gesucht. Ironie und Satire helfen da, die Sinne zu schärfen. Das war Hoffmanns Stärke: Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler. In Worten und mit dem Zeichenstift skizzierte er witzige Personen und Szenen, spielte mit dem Unheimlichen, dem Fantastischen. Wer heutzutage Fantasy und Science-Fiction mag, wird E.T.A. Hoffmann als Urvater dieser Literaturgattung schätzen.
E.T.A. Hoffmann, anonymes Bildnis, früher als Selbstbildnis vermutet
Der geschätzte Jurist
Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde 1776 im ostpreussischen Königsberg geboren. Er hatte keine glückliche Kindheit, seine Eltern trennten sich früh, seine Mutter hatte wenig Kraft für die Erziehung, so waren die Grossmutter und Tanten die wichtigsten Bezugspersonen für den Jungen. Er studierte wie schon sein Vater Jurisprudenz in Königsberg, wo der grosse Immanuel Kant lehrte. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Hoffmann den Philosophen persönlich kennenlernte. Er muss ein gescheiter Student gewesen sein, denn seine Examina bestand er immer mit Bestnoten und konnte in die Laufbahn eines preussischen Justizbeamten eintreten, zunächst in Posen und Warschau – Polen stand damals unter preussischer Herrschaft.
Sein Hang zu Witz und Ironie verleitete ihn einmal zu einem Fastnachtsstreich: Er und einige seiner Freunde karikierten die alteingesessenen Beamten und stellten diese Zeichnungen aus. Man kam den Schuldigen auf die Schliche. Da aber Hoffmann fachlich einen guten Ruf hatte, wurde er nicht entlassen, sondern für zwei Jahre in ein abgelegenes Städtchen versetzt. Gegen Ende seines Lebens leistete sich Hoffmann noch einen peinlichen Fauxpas, auf den hier nicht eingegangen werden soll. Auch diesmal rettete ihn sein guter Ruf als Jurist.
«Ist es nicht der Geist allein, der das, was sich um uns her begibt, zu fassen vermag?»
Die Zeiten änderten sich: 1806 überrannte Napoleon Preussen. Nur wer den Eid auf Napoleon schwor, konnte im Staatsdienst bleiben. Das lehnte Hoffmann ab, so verlor er Amt und Verdienst. Es ist dies die einzige bekannte politische Äusserung, die von Hoffmann bekannt ist. So pointiert er seine Zeitgenossen charakterisiert, ja kritisiert, so wenig äussert er sich zu politischen Fragen.
Der Musiker ohne Resonanz
E.T.A. Hoffmann besass mehrere Begabungen, die liebste war ihm die Musik. Aus Verehrung für Mozart hatte er seinen 3. Vornamen geändert: Amadeus statt Wilhelm. So kennen wir ihn. Neben der Rechtslehre hatte er sich immer mit Musik beschäftigt, in Warschau und Berlin Unterricht genommen; er gab Musikunterricht, komponierte und nun, da er sein Richteramt verloren hatte, versuchte er sich als Kapellmeister, das misslang. Zunächst in Bamberg, später in Dresden, an keinem der beiden Orte konnte er reüssieren. Musikexpertinnen und -experten halten Hoffmann für einen begabten Musiker, der vor lauter Verehrung für Mozart und Haydn seinen eigenen Stil zu wenig entwickelte, um anerkannt zu werden. – Später in Berlin, wurde seine Oper «Undine» aufgeführt. Daneben schrieb Hoffmann auch Musikstücke anderer Gattungen.
«Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.»
Kapellmeister Kreisler tanzt im Wahnsinn, Zeichnung von E.T.A. Hoffmann
Als Musikkritiker betritt E.T.A. Hoffmann fruchtbaren Boden. Was er in der erdachten Rolle des Kapellmeisters Johannes Kreisler zu Musik und Komponisten seiner Zeit schreibt, findet viel Beachtung. Zwischen 1810 und 1814 werden Hoffmanns Beiträge, zusammengefasst unter dem Titel Kreisleriana, in der Allgemeinen musikalischen Zeitung abgedruckt.
Nicht nur seine Konzertkritiken, sondern auch seine musiktheoretischen Betrachtungen wirken lange nach. Er ist damit so erfolgreich, dass Robert Schumann (1810 – 1856) nicht nur in seine Fussstapfen tritt, sondern 1838 den Klavierzyklus Kreisleriana schreibt, der bis heute zu den bekanntesten Kompositionen der Romantik gehört.
Zeichner mit spitzer Feder
Unzweifelhaft besass Hoffmann auch zeichnerisches Talent, das er vor allem zur Illustration für seine Erzählungen nutzte, oder er karikierte Alltagssituationen für seine Freunde. 1814, als Napoleon besiegt war, durfte Hoffmann wieder in den Staatsdienst eintreten, diesmal nach Berlin wechseln, was Hoffmann schon lange angestrebt hatte, denn ihn lockte das Kulturleben der Hauptstadt.
Selbstbildnis Hoffmanns, auf dem Kater Murr reitend, kämpft gegen die preußische Bürokratie, Karikatur
Der Schriftsteller – ein «schwarzer Romantiker»
Ohne seine Tätigkeit am Kammergericht (einem kantonalen Obergericht vergleichbar) zu vernachlässigen, hatte Hoffmann begonnen, immer mehr zu schreiben., vor allem Erzählungen, die er durch eine Rahmenhandlung miteinander verknüpfte. Der goldne Topf erschien 1814 und überarbeitet 1819, Lebens-Ansichten des Katers Murr publizierte Hoffmann in zwei Bänden 1819 und 1821, den dritten Band konnte er nicht mehr beenden. In beiden Werken kommt auch Kapellmeister Johannes Kreisler zu Wort. Hier seien noch Die Serapionsbrüder (1819 / 20) erwähnt. Hoffmann greift darin das damals beliebte Muster einer Vereinigung Gleichgesinnter auf. In deren Gesprächen hat auch Übersinnliches, Fantastisches Platz, sogar Künstliche Intelligenz. Die im deutschen Sprachraum erste Kriminalnovelle Das Fräulein von Scuderi. Erzählung aus dem Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten ist immer noch eine äusserst packende Lektüre.
E.T.A. Hoffmann starb an einer heimtückischen Krankheit, die bis heute von der Medizin nicht eindeutig identifiziert werden kann. Seit Beginn 1822 litt er an einer fortschreitenden Lähmung, die ihn zuerst ans Haus fesselte, dann ans Bett. Schliesslich konnte er nicht mehr sprechen und schlucken. Am 25. Juni 1822 starb er an einer Lähmung der Atemmuskulatur.
«Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.»
Während seine Werke in Deutschland in Vergessenheit gerieten – Robert Schumann war eine der wenigen Ausnahmen -, schätzte man ihn in Frankreich sehr: George Sand, Balzac, Maupassant und Baudelaire hielten ihn für einen Klassiker. Jacques Offenbach schrieb die bis heute erfolgreiche Oper Hoffmanns Erzählungen. Auch Edgar Allan Poe fühlte sich Hoffmann verbunden. Richard Wagner liess sich von einigen Erzählungen inspirieren. Mit dem Expressionismus und dem Surrealismus besannen sich Künstlerinnen und Künstler auf E.T.A. Hoffmann als «den Meister des Unheimlichen». Von Sigmund Freud heisst es, dass er über Hoffmanns «frappierendes Wissen um das Unbewusste des Menschen» staunte.
Hörspiel auf SWR 2 «Hoffmanniana» nach einem Szenario von Andrej Tarkowski
Titelbild: Stich nach dem Selbstporträt, um 1800. Ausschnitt (alle Bilder: wikimedia.org)