StartseiteMagazinKolumnenAHV: Wenn die Agenda mitbestimmt

AHV: Wenn die Agenda mitbestimmt

Wir stehen mitten drin: im Abstimmungskampf um die beiden AHV-Vorlagen, um die Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 und um die Anhebung der Mehrwertsteuer um 0,4% zur besseren Finanzierung der ersten Säule. Man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass die Stimmbeteiligung am 25. September überdurchschnittlich hoch sein wird. Der Bundesrat hat es in der Hand, die Abstimmungsvorlagen jeweils so zu bündeln, dass er auch seine Interessen wahrnehmen kann. Vorangegangen diesem Abstimmungs-Sonntag am 25. September ist der denkwürdige Urnengang vor 5 Jahren, genau genommen am 24. September 2017. Damals wollte Alain Berset in einem Zuge die 1. und die 2. Säule  sanieren, weil schon damals die Politik, die Medien die Zukunft der schweizerischen Altersvorsorge in den düstersten Farben an die Wand malten, ihre Artikel mit grossen, schwarzen Trauer-Lettern überschrieben, je bürgerlicher umso dunkler.

Das damalige Vorlage-Paket, der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer scheiterte 2017 mit einer knappen Nein-Mehrheit am Volks- und am Ständemehr, das Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020 wurde von 52,7 Prozent der Stimmenden verworfen. Schon im Parlament hatte Bersets „grosser Wurf“ einen schweren Stand. Statt das Vorlage-Paket zu optimieren, wurde es ergänzt, mit Zusätzen aufgeladen. Erinnert sei an die 70 Franken monatlich in der 1. Säule, die Neurentner zusätzlich  hätten bekommen sollen, um die Reduktion des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule etwas zu kompensieren. Es waren viele Rentner, die Nein stimmten, weil sie die 70 Franken nicht bekommen hätten. Und die Jungfreisinnigen eröffneten sehr schnell darauf mit ihrer Initiative die Diskussion um das Renteneintrittsalter 66/67.

Doch schon damals war glasklar, dass die 2. Säule weit stärker und schneller zu sanieren ist als die AHV. Neurentner müssen schon heute  im Gegensatz zu früher mit einem weit tieferen Umwandlungssatz rechnen, von 7,2 auf unter 5 %. Das heisst: Auf einem angesparten Kapital von 100’000 Franken haben die Neurentner im überobligatorischen Bereich Anrecht auf weniger als  5’000 statt 7’200 Franken Rente im Jahr. Eine weitsichtige Parlamentsplanung hätte dieser Situation Rechnung getragen und die Revision der 2. Säule vorgezogen. Hinter jeder Terminplanung steht auch ein politischer Wille. Das Parlament hätte Farbe bekennen, den Beweis liefern können, dass es die Anliegen der Frauen ernst nimmt. Unbestritten ist nämlich eines: In der zweiten Säule fallen die Frauenrenten im Durchschnitt rund 30% tiefer aus als bei den Männern.

Bei der Diskussion in der Arena vom letzten Freitag ist denn auch eines wiederum ganz klar geworden: Die beiden Reformen bedingen einander. „Für die Rentnerin ist letztlich entscheidend, mit welchen Betrag sie aus der 1. und 2. Säule im Monat rechnen kann.“ (Jacqueline Badran, SP, Nationalrätin). Alt Bundesrätin Evelyn Widmer Schlumpf auf der anderen Seite liess nicht locker, mindestens fünfmal unterstrich sie, dass die Frauen in der 1. Säule gleichberechtigt seien, wenn auch selbst das nicht ganz stimmt.

Der Ständerat hat die Vorlage zur 2. Säule vorerst an seine Kommission zurückgewiesen. Vom ausgehandelten Kompromiss der Sozialpartner hat er bereits Abstand genommen. Bei der Reform der 2. Säule geht es ja auch um viel mehr, um viel Geld, um über 1’000 Milliarden Pensionskassen-Gelder, angelegt bei und betreut von Banken, Versicherungen und Finanzinstitutionen, die an einem interessiert sind: an den Kommissionen.

Wenn wir jetzt über die AHV-Vorlagen abstimmen, tun wir das, ohne zu wissen, wie die Reform der zweiten Säule aussehen wird. Und völlig ungewiss ist, ob die Frauen mit ihr tatsächlich zu einer würdigen Rente aus AHV und 2. Säule kommen werden. Zweifel sind angebracht. Die „geschickte“ Terminplanung im Parlament hat das möglich gemacht.

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4 Kommentare

  1. Es ist genauso wie Sie sagen Herr Schaller, bei Annahme der AHV-Vorlagen wissen viele Frauen nicht, was sie in Zukunft von den Renten im Alter zu erwarten haben, auch wegen der unsicheren Vorgehensweise bei Revision der zweiten Säule und einer weiteren Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre für alle.

    Die Debatte in der letzten Arena zeigt den Glaubensgraben deutlich. Frau Badran versuchte mit grosser Geduld und detaillierten Fakten, Schritt für Schritt wie in der Schule, zu erklären, um was es eigentlich geht. Doch die Meinungen auf der Gegenseite, sprich Frau Widmer Schlumpf und der ehrgeizige Jungfreisinnige Matthias Müller, sind längst im Sinne der Partei bzw. der Gesinnung, gemacht. Dass der 22-jährige Student im Publikum, der wahrscheinlich noch nie gearbeitet hat und einzig den Profit der Jungen im Blick hat und sich medienwirksam für die Ablehnung der Vorlage ins Zeug legt, ist nur ein Nebenschauplatz, aber symptomatisch für dieser Debatte.

    Bei dieser Abstimmung geht es einzig und allein um Gerechtigkeit und den schon lange nötigen Ausgleich und die Anerkennung der Leistungen der Frauen, die ein Leben lang gearbeitet, den Haushalt und die Kinderbetreuung, in der Regel ohne die abwesenden Männer, gratis geleistet haben, und dafür trotzdem im Alter den Männern nicht gleichgestellt werden. Wer das noch nicht begriffen hat, darf sich meines Erachtens nicht Demokrat*in nennen.

    Und dass wir alle mit einer erneuten Erhöhung der Mehrwertsteuer dieses Unrecht auch noch finanzieren sollen, ist einfach nur schäbig und unsozial. Jede und Jeder Achte ist in der reichen Schweiz von Altersarmut betroffen, insbesondere die Frauen. Dass der Bundesrat, trotz aller, seit Jahren auf dem Tisch liegenden und belegten Fakten, aus taktischen Gründen, wieder gegen eine gerechte und angemessene Lösung der AHV-Frage entschieden hat, macht ihn einmal mehr für mich unglaubwürdig. Schämt Euch!

  2. remember: die «vorlage berset» von 2017 wurde von frau gössi und ihren libertären jungs versenkt.

    ich bin dagegen, dass fast allein auf dem buckel der frauen saniert werden soll. also stimme ich nein.

    ich bin sehr skeptisch, ob unsere bürgerlich dominierten parlamente einer wirklichen verbesserung der situation der frauen in der 2. säule zustimmen werden.

    die prognosen lauten bei den ahv-vorlagen auf ein ja. wie immer werden die männer bestimmen, was für die frauen gut ist.

  3. Herr Schaller, ich bin mit ihnen sehr einverstanden! Auf dem Buckel der Frauen, einmal mehr: ich stimme natürlich nein!
    Solange die Lohnfrage inbezug auf Gleichstellung nicht realisiert ist, finde ich das doppelt beschämend. Die Frauen sind heute vermehrt sehr gut ausgebildet, leisten dazu neben der Berufstätigkeit einen grossen Anteil an Carearbeit, was ja bekanntlich auch dem Staat zugute kommt!
    Mit einem Nein sgen wir klar: so nicht!

  4. Ja, Frau Mosimann, es geht bei der AHV-Vorlage um Gerechtigkeit. Und dass 1. und 2. Säule zusammen meine Altersrente ausmachen, auch da stimme ich Ihnen zu. Dass es am 25. September jedoch ausschliesslich um die 1. Säule geht, wollen Sie und die Nein-SagerInnen nicht wahr haben. Dabei hätten Sie allen Grund, für diese AHV-Vorlage einzustehen. Denn wie Ihnen sicher bekannt ist, finanzieren 92% aller AHV-BezügerInnen ihre Rente nur zum Teil, d.h. dass gerade aus linker und Sicht der Frauen, diese Fremdfinanzierung durch besser Verdienende als gerecht empfunden wird. Zudem wird auch von vielen Frauen die Angleichung des Rentenalters an das der Männer als Akt der Gleichstellung bejaht, was auch dadurch gefördert wird, dass die Kompensationen für Frauen bis Jahrgang 1970 von bis CHF 160 pro Monat recht ansehnlich ausfallen. Zudem ist es gerecht, wenn mit der bescheidenen Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4% auch die ältere Rentnergeneration ihren kleinen solidarischen Beitrag zu dieser Reform leistet, also genau das Gegenteil von „schäbig und unsozial“, wie Sie Frau Mosimann schreiben. Schliesslich stimmt auch das Argument nicht, dass bei einer Annahme dieser Vorlage das Rentenalter 67 bereits programmiert sei. Eine solche Aussage kann nur als böswillige Unterstellung und Angstmacherei disqualifiziert werden.
    Der immer gleiche Verweis auf die Lohnungleichheit zulasten der Frauen lässt sich immer weniger aufrecht erhalten. Zeigen doch verschiedene Untersuchungen und das Monitoring bei grösseren Firmen, dass diese Lücke – endlich – kaum mehr existiert. Auch kann bei einer missbräuchlichen Ungleichbehandlung gesetzlich vorgegangen werden, was linken Kreisen natürlich nicht behagt, viel lieber bewirtschaften sie das noch immer medienwirksame Thema „Ungleichbehandlung“.
    Bleibt noch das Argument der 2. Säule, das mit in die Betrachtung gehört. Der Souverän hat diese Verknüpfung jedoch vor 5 Jahren abgelehnt. Immerhin kommt der überhöhte gesetzliche Umwandlungssatz von 6.8% bei mittleren und tiefen Einkommen gerade auch Frauen zugute, wenn man bedenkt, dass dieser Satz z.B. beim Bund lediglich bei 5% liegt. Zudem hat bereits auch Mitte-Rechts einer Senkung des versicherbaren Lohnes bei der 2. Säule zugestimmt.
    Fazit: Die AHV-Vorlage vom 25. September verdient unsere Zustimmung. Nach 25 Jahren Reformstillstand ist es endlich an der Zeit, unserem wichtigen Sozialwerk wieder zu einem Schritt in Richtung Sanierung zu verhelfen.

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