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Allein, aber nicht einsam

Zwanzig ganz unterschiedliche Menschen, die in sozialen Institutionen des Bürgerspital Basels (BSB) leben oder arbeiten, hat die Basler Journalistin Martina Rutschmann in einem neuen Buch porträtiert. Die einfühlsamen Texte werden durch ausdrucksstarke Bilder des Fotografen Jean Weber bereichert.

Zentrale Aufgabe des Bürgerspitals Basel (BSB) ist die Betreuung und Pflege von Menschen im Alter und von Menschen mit Behinderungen. Zwanzig Personen, die am Rand der Gesellschaft leben, stehen im Zentrum eines neuen, faszinierenden Buchs.

Im BSB-Wohnhaus an der Austrasse leben Menschen mit einer IV-Rente. Foto BSB.

Das BSB führt 200 altersgerechte Wohnungen mit professionellem Service an vier Standorten und bietet 400 Pflegeplätze in fünf Wohn- und Pflegezentren mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Menschen mit einer IV-Rente oder Menschen, die sich in einer beruflichen Massnahme befinden, stehen rund 150 Wohnplätze in zehn Wohnhäusern in verschiedenen Quartieren offen. Die zwanzig Produktions- und Dienstleistungsbetriebe schaffen vielfältige Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Rund 1500 Mitarbeitende beschäftigt das BSB, über 500 davon mit einer IV-Rente. Jedes Jahr beginnen rund 80 Lernende und Studierende eine Ausbildung, davon über 50 in einer IV-Massnahme. Diesen Menschen, die an einem geschützten Arbeitsplatz eine Ausbildung machen können oder einen wohl begleiteten Lebensabend verbringen dürfen, widmet die Institution das neue Buch. Das BSB ist ein Unternehmen der Bürgergemeinde Basel.

Flucht, Ankommen und Weggehen

In drei- bis vierseitigen Porträts beleuchtet Martina Rutschmann die einzigartigen Lebensgeschichten von Menschen, die sich dem BSB anvertraut haben. Die Geschichten erzählen von Kindheitserinnerungen, Schicksalsschlägen, Krankheiten, von Rastlosigkeit und routinemässigem Alltag, von Flucht, Ankommen und Weggehen, von Tram- und Eisenbahnfanatikern, Hobbymalern, Freizeitgärtnerinnen und Fasnächtlern.

Martina Rutschmann und Jean Weber, die Autorin und der Fotograf. Foto zVg.

Die Publikation lebt von einem farbigen Erzählstil, mit abschnittsweisen Vor- und Rückblenden, einer grossen Empathie der Autorin für die Menschen mit ihren nicht immer einfachen Verhältnisse und von der Kürze der einzelnen Texte. Genial ist das Fotokonzept der zwanzig Porträtierten mit einem Screen, der alle Fotos in eine farbige Aussenwelt und eine eintönige Innenwelt splittet.

Die zwanzig BSB-Klientinnen und -Klienten haben alle etwas Besonderes erlebt. Selam (21) ist ohne Eltern aus Eritrea nach Basel geflohen, wo sie in einem Altersheim eine Ausbildung als Assistentin «Gesundheit und Soziales» macht. Nach der Lehre möchte sie sich weiterbilden und dann Medizin studieren, um Ärztin zu werden. Die Spanierin Laura ist von Geburt an kleinwüchsig, kann aber dank dem BSB in einer Cafeteria und Personalkantine arbeiten. «Laura ist zwar klein, wenn sie aber in ihrem Element ist, wird sie plötzlich ganz gross», beschreibt ihre Chefin die 21-Jährige.

Ex-Spitzenkoch André, der auch heute noch kocht. Foto: © Jean Weber/BSB.

Andere Porträtierte haben Schicksalsschläge erlebt und mithilfe des BSB glücklicherweise überwunden: Der ehemalige Spitzenkoch André musste nach einem schweren Unfall bei null beginnen. Der geschützte Teilzeitjob in der Küche und die kreativen Kursangebote der BSB geben dem 59-jährigen Halt sowie Lebenssinn. Fritz, ein Basler Stadtoriginal, lebt in einem Wohn- und Pflegezentrum. Der Eisenbahnfan hatte als 38-Jähriger versucht, sich umzubringen und dabei schwerste Verbrennungen erlitten. Das BSB gibt ihm Sicherheit. Im umgebauten Pflegezentrum gefällt es dem 71-Jährigen gut.

Markus hatte ebenfalls einen Unfall und leidet seither an einer geistigen Beeinträchtigung. Das Handicap hindert den 42-Jährigen nicht am Malen. Als Kunstmaler stellt er über die Landesgrenzen hinaus aus und feiert bescheidene Erfolge. In der Kreativwerkstatt der BSB fühlt er sich am wohlsten.

Miteinander zu mehr Eigenständigkeit

Was haben all die von Martina Rutschmann porträtierten Personen gemeinsam? Alle sind sie irgendwie allein und doch nicht einsam. Wohnpartner, Betreuerinnen und Betreuer oder Freundinnen und Freunde kümmern sich um sie und lassen sie täglich wissen, dass sie trotz ihrer Eigenheiten dazu gehören. Das BSB bietet Menschen mit einer IV oder im Alter selbstbestimmtes Wohnen mit professionellem Service sowie Pflege.

Davon profitiert auch die 82-jährige Ina, die in einer Alterswohnung, umgeben von ihren selbst gemalten Rosenbildern, lebt. «Mein Garten ist mein Psychiater. Dort stellt niemand Fragen, dort vergesse ich für einen Moment, dass wir in einer düsteren Zeit leben», sagte sie der Autorin. Ina braucht keinen Computer mehr. Wenn sie ihren ehemaligen Malpartner, der am Erblinden ist, zum Arzt begleitet, dann funktioniert das noch analog.

Familiäre Zusammenführung

Besonders hübsch ist die Geschichte über Anna, eine 88-jährige Italo-Schweizerin. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie den Kontakt zu ihren Verwandten in Italien verloren. Autorin Martina Rutschmann recherchierte im Internet und stiess – mit Hilfe des Mädchennamens der betagten Frau – auf zwei Neffen, die ihre Tante im BSB-Heim in Basel inzwischen besucht haben. Jubiläumsbücher machen zuweilen Märchen wahr. Die Wiedersehensfreude war riesig.

Der Titel des Buchs basiert auf einem Zitat der behinderten Heidi (79), die in ihrer Zvieripause am Claraplatz den Kaffee am liebsten schwarz, «ohne Milch und Zucker», geniesst.

Das einfühlsame Buch über vielfältige Lebenswege und unterschiedlichste Lebensvoraussetzungen wird ergänzt durch einen historischen Abriss, der die Zusammenhänge der Institution BSB und der Gesundheits- und Sozialgeschichte Basels beleuchtet. Die porträtierten Menschen zeigen die Heterogenität an Erfahrungen und Sinnstiftungen auf, die unsere Gesellschaft ausmachen. Durch die Jahrhunderte alte Geschichte des BSB zieht sich bis heute ein und derselbe Beweggrund: die karitative Zuwendung für und Umsorgung von Menschen in gesundheitlicher und / oder wirtschaftlicher Not. Gut, dass es Institutionen wie die BSB gibt.

Titelbild: Pius Guertler fährt gerne Tram. Foto: © Jean Weber/BSB.

«Ohne Milch und Zucker – Lebensgeschichten aus dem BSB», mit Texten von Martina Rutschmann, BSB Medien, 2022, ISBN 978-3-033-09440-6

LINK Ohne Milch und Zucker

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