Das Fortepiano-Festival «Flügelschläge» in der Zürcher Bühlkirche widmete sich dieses Jahr dem spannenden Thema «Clementi versus Mozart – Das musikalische Europa». Els Biesemans, die Organistin der Bühlkirche, hat dafür hochkarätige Musiker und Musikerinnen und Ensembles der historischen Aufführungspraxis nach Zürich geladen.
Die Alte Musik hatte es in Zürich lange Zeit schwer, denn in der Schweiz ist Basel die Hochburg der historischen Musizierpraxis. An der dortigen «Schola Cantorum Basiliensis» unterrichten bis heute Spitzenmusiker aus aller Welt die historische Aufführungspraxis und konzertieren dann auch in Basel
Mittlerweile gibt es aber auch in Zürich Spannendes auf historischen Instrumenten: etwa das Herbst-Festival des «Forums Alte Musik Zürich», oder dann das «Orchestra la Scintilla» des Opernhauses, das einst Nikolaus Harnoncourt (1929-2016), der grosse Pionier der historischen Aufführungspraxis, ins Leben rief und auch einige Zeit selber dirigierte.
Els Biesemans an zwei historischen Instrumenten gleichzeitig. (Foto Tatyana Jenni)
Mit dem «Flügelschläge»-Festival von Els Biesemans hat sich in Zürich seit einigen Jahren eine weitere Veranstaltung der historischen Musizierpraxis etabliert, die sich auf das Fortpiano fokussiert. Fortepianos waren diejenigen Klaviere, auf denen etwa Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) seine Klavierkonzerte spielte.
Pianistischer Wettstreit
Die künstlerische Rivalität zwischen Mozart und dem Klaviervirtuosen Muzio Clementi (1752-1832) war dieses Jahr das Thema des Festivals. Clementi war Italiener und ein brillanter Klavier-Virtuose und Komponist. Er setzte sich stark für das damals neumodische Fortepiano ein, auf welchem man – im Gegensatz zum bisherigen Cembalo – sowohl laut (Forte) als auch leise (Piano) spielen konnte. Er wird denn auch als «The Father of the Pianoforte» bezeichnet.
Els Biesemans thematisierte diesen Virtuosen-Streit in einer amüsanten «Musikalisch-literarischen Soirée», in welcher der Schauspieler Andrea Zogg aus Briefen und Schriftstücken rezitierte, während sie am Klavier einige «demonstrative» Werke der beiden spielte.
Spannend war auch die Veranstaltung «Konzertantes Duell». Darin spielte Biesemans je ein «Concerto für Fortepiano» von Mozart und Clementi, und ermöglichte dem Publikum so einen konzertanten Vergleich der beiden Kontrahenten. Sie selber spielte die Konzerte auf einem Fortepiano des berühmten Wiener Klavierbauers Anton Walter & Söhne (Baujahr 1805, Nachbau von Paul McNulty), begleitet wurde sie dabei von der namhaften Hofkapelle München.
Fortepiano-Marathon
Der Höhepunkt des Festivals war der zweitägige Fortepiano-Marathon «The Art of playing the Pianoforte». Zehn der aktuell namhaftesten Pianisten und Pianistinnen präsentierten dabei ein «Best of» an Sonaten, Capricci und Nocturens aus dem musikalischen Europa von 1770-1820. In jeden Konzert dieses Marathons traten jeweils zwei Pianisten zum Wettstreit an: so zum Beispiel Tobias Koch gegen Artem Belogurow, Anne-Sophie Noeske gegen Leonardo Miucci, oder Florian Birsak versus Costantino Mastropimiano.
In diesem Klavier Wettstreit wechselten die Pianisten ständig die Klaviere. Auf dem Podium standen vier historische Fortepianos: ein Tafelklavier Muzio Clementi (1804) aus der Sammlung «Salons des pianos» in Basel, ein Wiener Hammerflügel Carl Strobl (ca. 1825) aus Privatbesitz, und ein Englischer Hammerflügel Collard & Collard, late Clementi (ca. 1835), ebenfalls aus Privatbesitz.
Das Highlight aber war der Tangentenflügel Späth & Späth aus Regensburg (1790), der viele Jahre im Tessin in einem alten Palazzo im Muggiotal herumstand und von einem Nachfahren der Familie in seinem Wert erkannt wurde. Dass dieser Nachfahre überhaupt einem Transport seines wertvollen Instruments nach Zürich zustimmte, war ein Glücksfall. Er liess es mit 150‘000 Franken versichern, wie mir sein persönlicher Klavierstimmer erzählte, und vertraute es nur ihm an. Deshalb reiste der Klavierstimmer mit dem Flügel-Transport mit, und während des Festivals durfte nur er den Flügel stimmen.
Ein fast vergessenes Instrument
Im akustisch weich klingenden Rundbau der Bühlkirche entfaltete sich der delikate Klang dieses Tangentenflügels in all seinen farblichen Nuancen, und die Artikulation der Pianistin kam wunderbar zur Geltung. Jeder Flügel war in seinem ureigensten Charakter deutlich erkennbar: man tauchte ein in eine ganz andere Klangwelt, in die des späten 18. Jahrhunderts.
Über eine Woche ist dieser subtile Fortepiano-Marathon nun her, und er klingt noch immer in mir nach. Eigentlich wollte ich gar nicht über dieses Festival schreiben, ich war aus rein persönlichem Interesse dort. Als dann aber weder im Tages Anzeiger noch in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kritik darüber erschien, griff ich empört in die Tastatur.
Es darf doch nicht sein, dass in einer Grossstadt wie Zürich ein so hochkarätiges und originelles Festival für Alte Musik keine Medien-Beachtung mehr findet! Zum Glück wurde das Festival für youtube sehr professionell aufgezeichnet. Wann das Video ins Netz gestellt wird, konnte Els Biesemans leider noch nicht sagen.