StartseiteMagazinKulturEin ganz leiser Abschied

Ein ganz leiser Abschied

Nein, Pauken und Trompeten gab es nicht an der letzten Ballettpremiere unter Leitung von Christian Spuck. Hätte auch nicht gepasst zum scheidenden Ballettdirektor, der nach zehn Jahren am Zürcher Opernhaus nun die Intendanz des Staatsballetts Berlin übernimmt. Spuck verabschiedete sich bescheiden, mit einem kleinen Einakter.

Aber von Anfang an. Den machte Hans van Manen, die Ballettlegende aus den Niederlanden. Der über 90-jährige Maestro kam persönlich nach Zürich, um mit dem Zürcher Ballettensemble sein 1992 uraufgeführtes Werk «On the Move», unterlegt mit Sergej Prokofjews erstem Violinkonzert gespielt von der Geigerin Hanna Weinmeister, einzustudieren. Ein Ritterschlag für die Company, die im Werk zwar dem Spirit der Neunzigerjahre nachspürt, und doch ein modernes Werk auf der Bühne tanzen kann.

Denn van Manens Choreografien sind zeitlos, so klar und puristisch wie in der Bildenden Kunst der Konstruktivismus. Wunderbar sind seine Pas de deux, wo die Paare, auch wenn nicht auf Spitze getanzt wird, fast schwerelos über die Bühne schweben. Michelle Willems mit Matthew Knight und Katja Wünsche mit Jan Casier strahlen in ihrem Tanz diese Leichtigkeit, diese Innigkeit aus, die aus Bewegungen reine Emotionen macht.

Hans van Manens «Pas de deux» sind unerreicht.

Kein Wunder, applaudierte das Opernhaus-Publikum dem Altmeister stehend und minutenlang. Dass das Zürcher Ballett, das mit dem Wechsel des Ballettdirektors ebenfalls Veränderungen erfahren wird, in diesen Erfolg mit einbezogen wurde, ist ihm von Herzen zu gönnen. Es ist – war, in einigen Wochen – eine Truppe, die sich agil und immer mit grossem Einsatz auf die verschiedenen Choreografien und Tanzströmungen eingelassen und sich eine bewundernswerte Vielseitigkeit erarbeitet hat.

Neue Tanzsprache

Wenn Hans van Manen modernes Ballett in technischer Perfektion schafft, dann trifft das für den zweiten Beitrag des dreiteiligen Ballettabends nicht zu. Was der junge Choreograf Louis Stiens mit seinem Stück «Tal» zeigt, hat mit Tanz eher wenig zu tun. Bewegung ja, die zelebrieren die neun Tanzenden. Am Boden kriechend, seltsam staksig auch mal im Stehen und dann wieder rutschend, sich einkuschelnd auf dem dreidimensionalen Bühnenobjekt, das die Bühnenbildnerin Katja Lange entwickelt hat. Es ist Fels und Klettergerüst in einem, kann herumgeschoben und gedreht werden.

Auch das kann Tanz sein. Louis Stiens «Tal».

Wenn FKK- Fans jeweils betonen, die omnipräsente Nacktheit in ihren Ferienlagern sei in keinster Weise erotisierend – auf der Opernhausbühne wird diese Aussage in «Tal» voll und ganz bestätigt. Die Tanzenden stecken in hautfarbenen Ganzkörpertricots und ähneln darin eher geschlechtslosem Gewürm mit Armen und Beinen als menschlichen Wesen. Die Musik, eine Collage aus Werken von Debussy, Ravel und am Uetliberg aufgenommenen Tönen und Geräuschen, soll gemäss Programmheft mit den Tanzenden interagieren.

Und dann die letzte Zürcher Choreografie des scheidenden Ballettdirektors: «Lontano», benannt nach einer Orchesterstudie von György Ligeti, ist Entfernung und Veränderung zugleich. Für Christian Spuck ist dieser Einakter aber auch eine Brücke in die Zukunft: Die dritte Ballettpremiere dieser Saison wird bereits von der designierten Ballettdirektorin Cathy Marston bestritten werden.

Ein Abschiedsgruss an seine Zürcher Compny: Christian Spucks «Lontano». (Alle Bilder Opernhaus Zürich/Gregory Batardon)

«Lontano» ist aber auch ein Abschiedsgruss an das Zürcher Ballettensemble, das nochmals vollzählig auf der Bühne auftritt. Spuck breitet seinen Tänzerinnen und Tänzern einen Klangteppich mit einer Eigenkomposition von Alice Sara Ott am Klavier, mit Werken von John Zorn, Frédéric Chopin und eben Ligeti aus, auf dem sich jeder einzelne Tänzer, jede Tänzerin noch einmal entfalten kann, ob im Solo, Pas de deux oder im Corps.

Dabei spielt die Musik eine grosse Rolle. Aus einem einzigen Ton – in piano – heraus entwickelt sich zum Beispiel in polyphonen Strukturen ein eigentliches Klanggewebe, das den Tanz, aber auch die Gefühle in sich aufnimmt und umhüllt. Die Zürcher Philharmonia, zum ersten Mal mit Alvetina Ioffe am Pult, wusste die Klangwelten subtil der Choreografie anzunähern, ohne aber Tanz und Musik zu verschmelzen. Der leise Humor, der in Spucks Schaffen die ganze Zürcher Zeit hindurch immer wieder aufschien, fehlt in dieser letzten Produktion. Spürbar hingegen ist eine leise Melancholie, ein stilles Vergehen. Deshalb gibt es auch keinen eigentlichen Schlusspunkt. Es hört einfach auf, verweht, wird zur Erinnerung.

Das Publikum allerdings, das mochte Spuck nicht einfach so gehen lassen. Der Applaus, der war laut, begeistert – und wohlverdient.

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