StartseiteMagazinKulturTastenzauber und Glockenklang

Tastenzauber und Glockenklang

Aus Anlass des 150. Geburtstags von Sergei Rachmaninow spannen das Opernhaus-Orchester Philharmonia Zürich und das Orchester der Tonhalle Zürich zusammen. In vier Konzerten erklingen bedeutende Werke des Russen – vom sinfonischen Poem über die Klavierkonzerte bis hin zur grossen Sinfonik.

Auf Anregung ihrer beiden Dirigenten, Gianandrea Noseda und Paavo Järvi, stemmen die Philharmonia Zürich und das Tonhalle-Orchester übers Kreuz eine aussergewöhnliche Konzertreihe. Den Anfang des vierteiligen Zyklus machte Noseda vergangenen Sonntag im praktisch ausverkauften Opernhaus. Im März ist dann Kollege Järvi in der Tonhalle am Zug und im November 2023 tauschen die beiden das Dirigentenpult, den Auftrittsort – und ihre Orchester!

Rachmaninows 3. Klavierkonzert

Zum Auftakt dieses ersten Konzerts erklang das 3. Klavierkonzert, d-Moll, op. 30, besonders populär geworden als Soundtrack des Films «Shine» mit dem australischen Pianisten David Helfgott. Das Konzert aus dem Jahr 1909 steht zudem im Ruf, unter den grossen Klavierkonzerten dasjenige mit den meisten Noten pro Minute zu sein.

Wie dem auch sei, Yefim Bronfman am Steinway kann das jedenfalls nicht erschrecken. Mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit schleicht sich der Solist nach zwei Orchestertakten mit einer liedhaften Melodie ins Spiel. Diese Natürlichkeit, diese Kantabilität und Klangsinnlichkeit prägen Bronfmans Spiel auch im Fortgang des Konzerts; in keinem Moment spielt er sich als Tastentitan auf und lässt so, selbst in den extravertierteren virtuosen Passagen, die technischen Schwierigkeiten fast vergessen.

Der Pianist Yefim Bronfman und der Dirigent Gianandrea Noseda nehmen den verdienten Applaus entgegen. (Bild Kaspar Sannemann)

Der Pianist setzt nicht primär auf furiose Attacke, sondern stärker auf den energetischen Fluss, der wie in einer spannenden Erzählung das musikalische Geschehen vorantreibt und in Gang hält. Dazu glänzt das Orchester unter Nosedas feinfühligem Dirigat mit nuanciertem Klangspektrum und delikaten Farbschattierungen. Zu Recht brandete nach dem fulminanten Klangrausch des Finalsatzes der Applaus gewaltig hoch. In andere, intimere Welten entführte sodann die Zugabe: Chopins 2. Nocturne, Des-Dur, op. 27.

Die Sinfonie-Kantate „Die Glocken“

Der zweite Teil des Konzerts galt einem seltener aufgeführten Werk Rachmaninows, der viersätzigen Sinfoniekantate « Kolokola», Die Glocken, op. 35, für Chor, Soli und Orchester. Zugrunde liegt ihr ein betont onomatopoetisches Gedicht von Edgar Allan Poe, das von Konstantin Balmont ins Russische übertragen wurde und Rachmaninow sofort angesprochen hatte; er soll – wie Quellen bestätigen – eine grosse Affinität zum Klang der Glocken gehabt haben. Eine Liebe, die er mit vielen Russen teilt. Jeder Satz der assoziationsreichen Komposition ist einer unterschiedlichen Glockenart gewidmet. Da russisch gesungen wird, sind die Klangmalereien allerdings nicht nachvollziehbar, was der Gesamtwirkung indes keinen Abbruch tat.

Die Interpreten Alexey Markov, Elena Stikhina, Sergey Skorokhodovs und der Dirigent Paavo Järvi beim Schlussapplaus von Rachmaninows «Die Glocken». (Bild Bruno Rauch)

Der kernig expressive Tenor Sergey Skorokhodovs trifft den Charakter der silbernen Schlittenglöckchen mit ihrem Gebimmel ausgezeichnet – man denkt unweigerlich an die «Petersburger Schlittenfahrt». Im 2. Satz ertönen die Hochzeitsglocken, die goldenen, und erstmals auch die echten Röhrenglocken. Dazu passt nicht nur die leuchtend gelbe Robe von Elena Stikhina. Auch ihr schmiegsamer, fülliger Sopran trifft die Stimmung hervorragend; nicht so sehr pompöser Jubelklang als vielmehr verinnerlichtes (Liebes-) Glück und schwärmerisch-sinnliche Lyrismen.

Chorische Wucht

Der 3. Satz ist ausschliesslich dem Chor vorbehalten: Mit monumentalen Klangmassen schildert er das Erschallen von Alarmglocken, die vor Feuer, Sturm und Not warnen. Der von Janko Kastelic einstudierte Chor schafft ein wuchtiges Tongemälde von eindringlicher Kraft. Der letzte Satz schliesslich erzählt von der Todesglocke; hier bringt der sonore Bariton von Alexey Markov eine nachdenkliche Note ins Bild. Die Tonfolge des Dies-irae unterstreicht die Düsternis, die sich kurzzeitig zum makabren Totentanz steigert, am Schluss jedoch in Grabesruhe verstummt, um einem elegischen orchestralen Nachspiel Raum zu bieten, in das die Harfen überirdische Klänge zaubern. Ergreifend!

Ungebunden an Zeit und Ort verkünden die Glocken ein tönendes Bild des menschlichen Schicksals von der Geburt bis zum Tod. Wenn man jedoch bedenkt, dass Rachmaninow dieses Werk 1913 in St. Petersburg, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, zur Uraufführung brachte, wenn man sich zudem die gegenwärtige geopolitische Lage ins Bewusstsein ruft, so erlangt es eine traurige Aktualität.

Weitere Konzerte des Rachmaninow-Zyklus: 2. Konzert: Paavo Järvi, Tonhalle, 29./30. 3. 2023. 3. Konzert:  Gianandrea Noseda, Tonhalle, 8./10. 11. 2023. 4. Konzert: Paavo Järvi, Opernhaus, 11.11. 2023

www.opernhaus.ch / www.tonhalle-orchester.ch

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