StartseiteMagazinLebensartHutzgüri, schüttle di!

Hutzgüri, schüttle di!

Das Hutzgüri gehört in der Region Basel zu den ältesten Fasnachtsfiguren. Seine Wurzeln reichen weit zurück in die alemannische Zeit. In früheren Jahrhunderten in zahlreichen Dörfern verbreitet, geht das furchteinflössende Untier noch heute in Sissach und Rothenfluh auf den jährlichen Heischerundgang. – Eine Annäherung.

Abend nach Aschermittwoch, Lokaltermin im baselbieterischen Sissach: Wenn etwa um 19 Uhr das Flackern von Fackeln zu sehen und ein unheimlich-unbekanntes Geheul zu vernehmen ist, dann muss man davon ausgehen, dass das Hutzgüri wieder mit knurrendem Magen unterwegs ist. Man sagt, es wohne in der Teufelsküche – einem kleinen versteckten Tal oberhalb von Sissach – in einer Höhle. Einmal im Jahr, immer kurz bevor die Fasnacht in Sissach beginnt, müssen Hunger und Durst so gross sein, dass sich das Hutzgüri aufmacht, Sissach heimzusuchen.

Erstmals erwähnt wird die Heischegestalt anno 1599, als sich ein hiesiger Pfarrherr darüber beklagt, dass junge Burschen «abgötterey mit einem vermumten schönbart» treiben würden, den sie «Gytzgyr» nennen. Vielleicht, weil damals in zahlreichen Ortschaften solche Gestalten bekannt sind, findet sich die Bezeichnung Gytzgyr auch im Schweizerdeutschen Wörterbuch, dem Idiotikon, wo übrigens für das fricktalische Wittnau «Horzgiri», für Basel «Hutzegiri», für Nidwalden «Gotzgüri» und für das Oberbaselbiet als weitere Variante «Hundsgürigee» angegeben wird. Es ist zu vermuten, dass «-güri» von Ungeheuer kommt, während der erste Wortteil «Hotz» oder «Hutz» für hüpfen oder springen stehen muss. Denn tatsächlich springt das Hutzgüri wild und unbändig herum und schüttelt sich gefürchig, um seinen Forderungen gehörig Nachdruck zu verleihen.

Klar ist heute: Das Hutzgüri ist ein heidnischer Heischebrauch. Einer, der gemäss volkskundlichen Forschungen bis weit in die alemannische Zeit zurückreicht. In eine Zeit nota bene, als die Fasnacht noch längst nicht erfunden war. Der Kulturwissenschaftler Dominik Wunderlin sagt dazu: «Das Hutzgüri ist als Heischefigur nicht zwingend an einen Fasnachtstermin gebunden und zunächst einfach nur eine Maskenfigur. Der Auftritt ist gerade bei uns jedoch seit alter Zeit zur Fasnachtszeit belegt und man kann sogar sagen, dass das Hutzgüri bei uns zu den ältesten Fasnachtsgestalten gehört oder gar die älteste ist.»

Das Hutzgüri erscheint übrigens nicht allein auf der Bildfläche; vielmehr wird es begleitet von einigen markanten Figuren: dem Bott, dem Vehdokter, dem Schärmuuser und drei Eier- oder Wäibelwyybern – und seit ein paar Jahren auch noch von drei Tambouren. Üblicherweise besucht die Hutzgüri-Horde etwa acht bis zehn ausgewählte Sissacher Einwohnerinnen und Einwohner. Dort angekommen, wird ein lärmendes und furchteinflössendes Spektakel vollführt, um die Heimgesuchten daran zu erinnern, ja nicht mit leeren Händen vor der Haustüre zu erscheinen. Auch der Heischespruch lässt kein Zweifel aufkommen, dass es das Hutzgüri ernst meint:

Hutzgüri geri
Stockfisch und Eri!
Gäbet mer au Äier und Anke,
ich will ech s duusigmool danke,
gäbet mer Määl und Broot,
lueg, wie s Hutzgüri stoht!
Wenn der ys aber nüt wäit geh,
so wäi mer öich Chue und Chälber neh
mer wäi ech s Huus apdecke
und emänd no d Chatze strecke
Hutzgüri – schüttle di!

Irgendwann im 19. Jahrhundert ist der Heischebrauch verschwunden. Doch dank ein paar initiativen Sissachern ist das Hutzgüri am 20. Hornig 1961 wieder in Sissach aufgetaucht – nach über hundert Jahren in Versenkung. Seither, sicher aber seit 1985 gehen Hutzgüri & Co. wieder regelmässig auf Tour. Mittlerweile, mutmasslich animiert durch das Sissacher Hutzgüri, seit 1992 auch wieder im kleinen Dorf Rothenfluh.

Ganz im Gegensatz zu den teilweise überbordenden Fasnachtveranstaltungen kommt der alte, aus alemannischen Zeiten stammende Brauch in Sissach und Rothenfluh eher schlicht und ohne grossen Publikumsaufmarsch daher. Und doch ist es gerade diese archaisch-mythische Einfachheit, die diesen Brauch so autenthisch und faszinierend macht.

Hutzgüri, schüttle di!

Fotos: Robert Bösiger

Quelle: «Eusi Fasnacht – An der Sissacher Fasnacht herrschen fünf Tage Ausnahmezustand»; Sissach 2021.

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