Das Museum Langmatt in Baden präsentiert das Werk von zwei aus Baden stammenden Kunstschaffenden, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Silvia Bächli, international bekannt für ihre Zeichnungen und Eric Hattan, erfindungsreicher Konzeptkünstler.
Silvia Bächli (*1956) gilt als eine der bedeutendsten Kunstschaffenden im Medium der Zeichnung. Bereits in den 1990er-Jahren wurden ihre Arbeiten international ausgestellt, 2009 vertrat sie die Schweiz an der Biennale in Venedig.
Silvia Bächli, Blick in die Galerie. Foto: Museum Langmatt, Baden
Eric Hattan (*1955) zählt zu den erfindungsreichsten Schweizer Konzeptkünstlern, der seit vielen Jahren internationale Beachtung findet. Als Flaneur sammelt er unterwegs, was ihn anspringt: ausrangierte Alltagsgegenstände, Karton oder Baumaterialien. Das Atelier ist seine Schatzkammer, aus der er sich für seine objets trouvés und readymades bedienen kann.
Eric Hattan, Self, 2019/2022. Dunkelgrün bemalte Sperrholzplatte mit Elektrokabel, Hemd und Hocker mitten im Raum der Venezianischen Ansichten aus dem 18. Jahrhundert.
Der Titel von Eric Hattans Kunstkonzept Five O’Clock Shadow spielt auf die britische Teekultur an, also auf die Herkunft von Sidney und Jenny Brown, die mit ihren drei Söhnen in der Langmatt lebten. In zwölf historischen Räumen überrascht der Künstler mit kontrastreichen Dialogen zwischen Gegenwart und Belle Époque. Mit schroffen Werken haucht er dem gediegenen Interieur mit berühmten Bildern des französischen Impressionismus frischen Atem ein.
In der Bibliothek stehen auf dem kostbaren Orientteppich stelenartige Maxe: Abflussrohre, Stäbe, Eisenstangen, die in mit Beton gefüllten Sockelgefässen befestigt sind. Die Stelen bilden einen Zauberwald, durch den die Besucherinnen und Besucher hindurchgleiten dürfen.
Eric Hattan, Blick in der Bibliothek.
Der klassische Bildhauer adelt seine Skulptur mit einem Sockel aus kostbarem Material wie etwa Marmor. Nicht so der Konzeptkünstler, der mit wertlosem Material einen harten Kontrast zur vornehmen Umgebung herstellt und über die Relativität von Wert und Ästhetik sinnieren lässt. Als Browns 1908 ihren ersten Cézanne in die Langmatt brachten, waren die Freunde entsetzt, diese Schmiererei konnten sie nicht verstehen, auch in der Fachwelt waren die Impressionisten umstritten. Heute zählen sie zu den höchstgehandelten Werken auf dem Kunstmarkt.
Hattan scheut sich auch nicht, mit wild übergeworfenen Kleidungsstücken auf Metallgestängen, auch Hemd und Unterhose, an die vornehme Garderobe der Familie Brown zu erinnern. Nein, eine Unterhose würde auch bei uns heute nicht öffentlich zur Schau gestellt. Kartoffeln liegen verteilt auf dem Boden des vornehmen historischen Badezimmers, im Esszimmer verstecken sich Kartoffeln in orangefarbenen Socken auf dem Tisch. Wer bestimmt den Wert von Kunst? Das Verhältnis von Vergänglichkeit und Ewigkeit ist in der Langmatt ein zentrales Thema.
Eric Hattan, Knicker, 2022.
Das Museum sieht es als seine Aufgabe, zeitgenössische, mitunter schwer verständliche, sperrige Kunst in Relation zu den Impressionisten zu setzen. Diese Konfrontation ermöglicht es, vertraute Werke im veränderten Umfeld neu zu entdecken, Sehgewohnheiten zu durchbrechen und die Sinne neu auszurichten.
Ausstellungsansicht. Bächlis Bilder wirken zurückhaltend, kontemplativ nach innen gewandt und strahlen eine innere Ruhe aus.
In der grossen Bildergalerie ist Silvia Bächlis neue Serie grossformatiger Arbeiten auf Papier ausgestellt. Als locker umlaufendes Band mit grösseren Intervallen bilden diese eine raumgreifende Installation und strahlen grosse Ruhe aus. Mit ihren Zeichnungen werden die wechselvollen Bezüge zwischen den Medien Zeichnung und Malerei sowie die Durchlässigkeit der künstlerischen Gattungen deutlich.
Silvia Bächli, Farbfelder, 2022.
Bächli verwendet als Farbe Gouache, die wasserlöslich und in der Konsistenz durchscheinend bis deckend ist. Titel und Format der 2022 entstandenen Arbeiten sind identisch: Farbfeld, 102 x 72 cm.
Die Arbeiten sind sowohl Zeichnung als auch Malerei, die einzelnen Pinselstriche sind als gemalte Linien sichtbar. Bei den einfarbigen Werken überwiegen warme Rotbraun-, Blau- und Grüntöne, die durch den Pinselauftrag in sich zarte Abstufungen erhalten, aber auch deckend gearbeitet sind. Eine besondere Wirkung entfalten die Leerstellen zwischen den Farbfeldern und an den Bildrändern. Da die Blätter ohne Rahmen und Verglasung mit feinen Nadeln auf der grauen Wandbespannung befestigt sind, wird auch die Bewegung des Papiers deutlich sichtbar.
Titelbild: Ausstellungsansicht. Foto: Museum Langmatt, Baden
Fotos: rv und Museum Langmatt, Baden
Bis 29. Mai 2023
Silvia Bächli / Eric Hattan, Five O’Clock Shadow im Museum Langmatt
Zwei Publikationen zur Ausstellung sind im Museums Shop erhältlich