Die Familie der Spechte ist enorm gross und auf vielen Kontinenten verbreitet. Der Buntspecht ist bei uns am häufigsten vertreten – mit zunehmendem Bestand.
Es ist zwei oder drei Jahre her, dass ich daheim zum ersten Mal das charakteristische Hämmern eines Spechts vernahm. Es kam offensichtlich von dem ausladenden Haselstrauch, der ungefähr 15 Meter entfernt von meinem Balkon wächst. Früher lasen Kinder dort die Haselnüsse auf. Er dient Vögeln aller Art als Platz zum Sitzen und Zwitschern, für den Nestbau und zur Nahrungssuche.
Mein Specht hatte sich diesen Strauch wohl wegen der Haselnüsse ausgesucht. Bei meiner Informationssuche über meinen neuen Nachbarn fand ich nämlich bald heraus, dass Buntspechte zwar als Insektenfresser gelten, auch deren Larven und Eier nicht verschmähen, aber daneben sehr gern Haselnüsse fressen.
Buntspecht Foto: Michel Langeveld www.inaturalist.org
Bei meinen Beobachtungen stellte ich fest, dass der Specht auch im Gras um den Strauch herum nach Futter suchte. Er pickte einmal, schaute mindestens dreimal um sich, pickte wieder, und ab und zu rief er auch einmal, wohltönend, der Amsel ähnlich. Stets war er überaus vorsichtig, anders als die Amsel, die sich an Menschen gewöhnt hat und nur aufgeregt ruft, wenn sie erschrickt. Der Specht flog schon in den Baum, wenn er nur spürte, dass ich das Fenster öffnete. Wenn ich ihn beobachten wollte, durfte ich keine Bewegung machen. – Mir wurde wieder einmal bewusst: Scheue Tiere nehmen ihre Umgebung viel aufmerksamer wahr als wir.
Übrigens: Nach vielen Versuchen gelang es mir zu entdecken, dass «mein» Buntspecht ein Weibchen ist. Ihm fehlt der typische rote Fleck am Hinterkopf. Es könnte aber sein, dass auch der männliche Buntspecht vorbeikommt, seltener, auch er sehr vorsichtig.
Grünspecht im Winter Foto: Patrick Fischer
Als ich einer Freundin von «meinem Specht» erzählte, fragte sie mich, ob ich schon einmal einen Grünspecht gesehen hätte. Sie war beeindruckt von seiner Grösse, nämlich fast so gross wie eine Saatkrähe. Kurz darauf entdeckte auch ich einen solchen Specht auf einem Weg zwischen Wiese und Wald.
Zunge eines Grünspechts Foto: Zumthie / commons.wikimedia.org
Der Grünspecht ernährt sich vor allem von Ameisen, die er auf dem Boden, aber natürlich auch in Baumstämmen findet. Dazu besitzt er eine ca. 10 cm lange, klebrige Zunge, die in einer harten Spitze mit Widerhaken endet. So kann er die Ameisen in den Ritzen und Gängen des Baumes regelrecht aufspiessen. Die Zunge wird, wenn der Vogel kein Futter sucht, in einer Schlaufe im Hals, über die Hinterseite des Schädels auf dessen Oberseite und dann einseitig bis ins Nasenloch geführt.
Spektakulär finde ich den Schwarzspecht, ebenfalls etwa so gross wie eine Krähe. Es sind die Schwarzspechte, die am auffälligsten klopfen: «Die Trommelwirbel sind laut, langsam und dauern gut 2 Sekunden lang», heisst es in den Informationen der Vogelwarte. Ein solches Trommelkonzert hörte ich eines Tages im Wald. Wie in einem Wettbewerb trommelten zwei Spechte abwechselnd, jeder an einem anderen Baum, zu unterscheiden an den Klängen, die die beiden produzierten. Es war faszinierend zuzuhören. Ich fragte mich, ob sie als Duett oder Rivalen trommelten.
Schwarzspecht. Zeichnung von Magnus von Wright (1805 – 1868).
Immer wieder hatte ich gehört oder gelesen, dass sich Ornithologinnen und Ornithologen dazu äusserten, warum Spechte klopfen oder trommeln. Es scheint nicht nur Imponiergehabe oder Reviermarkierung zu sein. Auch Weibchen klopfen, wissen die Fachleute. Es ist nicht nur Futtersuche. – Über die Idee, dass ein Specht aufs Holz klopft, damit Würmer und Maden herauskommen, lächeln Vogelkundler heutzutage. Sicher picken sie aufs Holz, erweitern Ritzen, um Futter zu suchen oder eine Höhle anzulegen, aber vielleicht trommeln sie manchmal auch nur aus Lebensfreude, sagte mir ein langjähriger Vogelbeobachter.
Warum bekommt der Specht durchs Trommeln keine Gehirnerschütterung? – Eine Frage, mit der sich Wissenschaftler sehr lange beschäftigt haben. Heute erklären sie: Es liegt an der Anatomie des Spechtkopfes: Er ist so gebaut, dass sich die Trommelvibrationen aussen um den Kopf herum ausbreiten. Die Schädelknochen sind zudem vergleichsweise dick, und der Schnabel liegt anatomisch unterhalb des Gehirns. Dass das Gehirn eines Spechts nur ca. 2 Gramm wiegt, hat kaum Einfluss auf die Gefahr der Erschütterung und erst recht nicht auf die Klugheit dieses Vogels.
Weissrückenspechte aus: Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas: Band VIII, Tafel 12 – Gera, 1902
Es gibt unzählige Arten von Spechten, es sind zahlreiche Familien, zu denen jeweils unterschiedlich viele Arten zählen. In unseren Breiten leben noch Mittelspechte, etwas kleiner als Buntspechte, und Kleinspechte, die nur wenig grösser sind als ein Spatz. In Graubünden lebt eine Unterart des Grünspechts: der Grauspecht. Dann gibt es noch den Dreizehenspecht. Kleiner als der Buntspecht fehlt ihm auch der rote Fleck am Kopf. Er lebt in alten Fichtenwäldern, gilt wie alle Spechte nicht als gefährdet, aber selten zu entdecken, denn er ist extrem scheu. Auch Weissrückenspechte gibt es bei uns, als Lebensraum benötigen sie ebenfalls alte Wälder mit viel Totholz, davon finden sie in Nordeuropa mehr.
Die erste Adresse zu Informationen über Vögel in der Schweiz: www.vogelwarte.ch
Ein lesenswerter Artikel über den neueren Forschungsstand im National Geographic
Titelbild: Buntspecht mit Haselnuss Foto: Caroline Legg / commons.wikimedia.org