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Wer regiert die Schweiz?

Wir sassen am 19. März 1980 in der ersten TV-Sendung «Café Federal», neben mir sass ein junger Nationalrat, blond mit einem damals üblichen langen Backenbart. Ich fragte ihn: «Wer regiert die Schweiz?»: seine spontane, knappe, laute und unmissverständliche Antwort: «Natürliche die Bundesverwaltung.» «Woher nehmen Sie diese absolute Gewissheit?» Christoph Blocher, so hiess der damals aufstrebende junge Mann: «Das ist doch offensichtlich, sicher nicht der Bundesrat», so meine Erinnerung.

Szenenwechsel. Donnerstagabend. Eröffnung der Ausstellung «175 Jahre Schweizer Bundesverfassung» im Landesmuseum in Zürich. Das Auditorium ist übervoll. Viele graue Häupter, altgediente Politikerinnen und Politiker, eine grosse Gruppe junger aufstrebender Menschen, eher im Hintergrund platziert, auf den aufstrebenden Stufen hinten im Saal.

Alle warten auf den Bundespräsidenten, auf Alain Berset, auf den nach Blocher nicht regierenden Magistraten, der dann auch erscheint, verspätet, im Schlepptau seine Entourage, darunter sicher zwei Sicherheitsbeamte, leicht erkennbar, zwar unauffällig gekleidet, beim näheren Hinsehen durch ihre Gestalt eben doch nicht übersehbar.

Eines hatte er verpasst. Den fulminanten Auftritt von Helen Keller, der Professorin für Rechtswissenschaften an der Universität Zürich, die von 2011 bis 2020 als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte amtete. Seit 2020 als Verfassungsrichterin auch am Verfassungsgericht von Bosnien-Herzegowina tätig ist. Alle sind gespannt auf die Rede der wohl renommiertesten Rechtsprofessorin der Schweiz. Sie betritt das Podium in den Nationalfarben gekleidet, legt ihr Manuskript auf das Rednerpult, bewegt sich in die Mitte und legt mit einem Gesamtkunstwerk los. Reim an Reim, begleitet von der nonverbalen Kunst einer überaus begabten Komödiantin: Gestik, Mimik, Tonalität in absoluter Übereinstimmung mit dem Text, Reime angelehnt an die Geschichte der 175 Jahre alten Verfassung. Zu gerne hätte ich auf seniorweb.ch alle Reime publiziert. Das will sie aber nicht: «Nur die ganze Performance ist authentisch und so verständlich: Das ist das Privileg der Gegenwärtigen», ihr kurzer Kommentar auf meiner Anfrage. Dennoch stellte sie mir zwei Reime zu

Gänzlich schweigt die BV zu Europa.
Drum wird der Mittwoch zur Arena,
wo Flankierende und Streitschlichtung
im Bundesrat die Runde tun.

Ohne EU – das weiss jedes Kind
auch „Horizon Europe“ entschwind.
Bruxelles kommen die Berner Wünsche nicht gelegen.
So bläst der Schweiz ein steifer Wind entgegen.

Verraten sei, dass sie die Reime mit ihren Assistentinnen zu Papier brachte, diese bewusst einreihte in die Absichten der Kuratoren, die Ausstellung mit Spielerischem zu versehen, sodass auch ihre gekonnte Performance zielgenau ins Konzept passte.

Ja, das „Selbstverständliche ist nicht mehr selbstverständlich“, die Kernbotschaft von Alain Berset in seiner Rede. Er knüpfte damit wohl unbewusst an das an, was Helen Keller mit ihrer nicht selbstverständlichen Performance mutig und gewagt vorgetragen und damit den üblichen Rahmen gesprengt hatte.

Alain Berset von Vielen, insbesondere von den Medien, in der letzten Zeit immer wieder in die Defensive gedrängt, weil er in der Corona-Zeit eben regiert, eben Christoph Blocher und seine SVP-Lügen gestraft hat, die ihn als Diktator zu bezeichnen meinte. Wie gut würden wir heute international dastehen, wenn wir wieder eine Frau oder einen Mann hätten, die oder der Berset gleich in den Bundesrats-Pressekonferenzen zum Ukraine-Krieg, zu den Waffenlieferungen oder eben Nichtlieferungen die Frau oder den Mann stellen, das Zepter in die Hand nehmen würde? Wenn Viola Amherd oder Guy Parmelin nicht ängstlich auf die unverbrüchliche, immerwährende Neutralität, wie sie Blocher fordert, verharren, sondern das verfassungsmässige Recht auf die autonome Aussenpolitik wahrnehmen würde und sich nicht vom Parlament präjudizieren liesse.

Und ganz aktuell bei der Credit Suisse-Krise: Setzt sich Karin Keller-Sutter als neue Finanzministerin an die Spitze, übernimmt sie den Lead?  Es wird sich in den nächsten Tagen, gar in Stunden zeigen, ob sie regieren kann und nicht von den andern Bundesrats-Mitgliedern gebremst, von der Verwaltung getrieben, von der Nationalbankspitzen überholt wird, die eine schnelle Übernahme der Credit Suisse durch die UBS bereits für sich beschlossen hat. Oder setzt sich gar der Bundespräsident an die Spitze, wie schon während der Corona-Zeit? Spätestens am Montag vor der Börseneröffnung werden wir in Kenntnis gesetzt.

Ja, das Selbstverständliche ist nicht mehr selbstverständlich. Das gilt auch gerade für Berset. Er bewegte sich beim Apero leichtfüssig durch die Festschar, immer begleitet von zwei Sicherheitsleuten, die im Abstand von 3,4 Metern für seine Sicherheit sorgten. Da ein kurzes Gespräch, dort ein Küsschen, leicht und unbeschwert.

Ja, auch er hat mit seinem Interview zum Ukraine-Krieg ein veritables Eigentor geschossen, was in der Westschweiz nicht einmal gross beachtet, in der deutschen Schweiz zum medialen Hype hochgeschrieben wurde. In Zürich ging er schon gar nicht darauf ein, wurde auch nicht darauf angesprochen. Dafür umso nachhaltiger wirkte seine Feststellung, dass es 1848 nach Jahren innenpolitischer Wirren in nur 51 Tagen einer Kommission gelang, die in den Grundzügen noch heute geltende Verfassung zu schaffen. Also mit einer Geschwindigkeit, die in Bundesbern seither nie wieder erreicht wurde. Aber gerade dies müsste wieder selbstverständlich werden, exakt zum 175. Jubiläum der Bundesverfassung. Dazu braucht es aber auch ab und zu eine Performance und eine Ausstellung, die spielerisch daherkommt. Und nicht zuletzt eine Finanzministerin, die jetzt die Zügel in die Hand nimmt und regiert.

Die Rede von Bundespräsident Alain Berset haben wir bereits publiziert. Siehe «175 Jahre Bundesverfassung« auf dieser Website.

Hier geht es zur Besprechung der Ausstellung «Das Herzstück der Demokratie hat Geburtstag«.

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9 Kommentare

  1. Der Titel Ihrer Kolumne: Wer regiert die Schweiz? Möchte ich ergänzen mit: Wer oder WAS regiert die Schweiz? Es heisst doch, Geld regiert die Welt und ich denke, die Schweiz besonders.
    Ich glaubte, ich bin im falschen Film, als gestern Abend anlässlich der Medienpressekonferenz das ganze Ausmass des Scheiterns der Crédit Suisse öffentliche Tatsache wurde und die Vertreter*innen der Bundesregierung, der Banken und der Finma, die «bestmögliche Lösung zur Rettung» dieses Debakels bekannt gaben. Die Frage sei erlaubt, ist es die bestmögliche Lösung, die unter diesem grossen Zeitdruck entstanden ist?
    Dass Unfähigkeit, Geld- und Machtgier und die Verantwortungslosigkeit des Verwaltungsrats und der Manager der CS, wieder mit unserem Volksvermögen bei der NSB, als Garantie für den Deal mit der UBS, mit 100’000’000’000 Milliarden Schweizer Franken herhalten muss, empfinde ich als ein Verrat am Schweizer Volk. Es hätte eine andere Lösung gesucht werden müssen, auch mit dem Risiko eines Bankrotts der CS, die Aktie war ja sowieso fast nichts mehr wert. Die Luftschlösser, die via Abzockerei an den Börsen weltweit aufgetürmt werden, sind m.E. nicht mehr als eine Lotterie. Die Banken sollten sich auf ihre ursprünglichen Aufgaben besinnen und auf dem Teppich bleiben. Wer zu viel Geld hat soll ins Casino gehen oder besser noch in seriöse und nachhaltige Unternehmungen in der Schweiz investieren. Dann bekämen wir wieder einheimisches Gewerbe und in der Schweiz produzierte Waren und China könnte mit seiner Billigware und seinem undurchsichtigen Handel bleiben wo es ist.

    Die Bundespolitik und die Finanzaufsicht haben dem Treiben des CS über Jahre zugeschaut und haben nichts unternommen. Das nach der Rettung der UBS 2008 als „genügend“ gepriesene neue Gesetzt gegen «Too Big to Fail» im Bankenwesen, hat auf der ganzen Linie versagt, da es scheinbar nicht angewendet werden konnte?? Das heisst für mich als Aussenstehende, die Bundespolitik und die Finma haben ebenfalls versagt. Mit der Übernahme der CS hat die UBS zudem ein Machtmonopol auf dem Schweizer Bankenplatz. Ist das für unsere Wirtschaft förderlich? Wer behält bei diesem Monstrum UBS noch die Übersicht? Was macht die Finma künftig besser und garantiert uns eine seriöse, vollumfängliche und regelmässige Kontrolle der Bank? Wer spricht die Sanktionen gegen die Schuldigen aus? Oder verschwinden diese wieder mit ihren fetten Abgangsentschädigungen oder Renten von der Oberfläche?

    Einerseits gibt unsere Regierung Milliarden für die Rettung einer Bank aus und andererseits fehlt angeblich das Geld für unsere wichtigen sozialen Einrichtungen, wie u.a. genügende und bezahlbare Kinderkrippen, für die Unterstützung der überfüllten Frauenhäuser, für gerechte AHV- und BVG-Renten, für den ÖV, etc. etc. die übrigens alle System relevant sind. Oder will Bundesrat, Parlament und Ständerat lieber auf die immer noch unterbewertete Frauenarbeit, die unsere Wirtschaft am Laufen hält, verzichten?
    Aussenpolitisch ist der BR päpstlicher als der Papst, wenn es um die Mithilfe zur Rettung der Ukraine (und allen Demokratien in Europa) geht, indem er die dringend benötigten Nachlieferungen zu den getätigten Waffengeschäften mit ausländischen Staaten verweigert. Was für eine Rolle spielen eigentlich die Reichsten der Schweiz in dieser Krise? Ich vermute mal keine. Solidarisch geht anders.
    In einer echten Demokratie ist das Ziel, dass ALLE in der Gemeinschaft ein würdiges Leben führen können, ohne Angst vor Armut oder der Gefährdung der Sicherheit. Unsere Sicherheit und das bisher Erreichte werden m.E. durch die aktuelle Politik und dem Festhalten an alten Sichtweisen aufs Spiel gesetzt und zudem ist sie ist eine Schande für das künftige Ansehen der Schweiz im Ausland.

    • Anmerkung: Gemeint sind natürlich 100 Milliarden Schweizer Franken, also eine Zahl mit 11 Nullen. Inzwischen sind es noch 9 Milliarden mehr. Die UBS bezahlt den Übernahmepreis von drei Milliarden für die CS aus der «Portokasse». Ein unglaublicher Deal auf dem Buckel der Schweizer Bevölkerung.

    • Top. Danke. Fast alles gesagt.
      Abfallvignetten = nach Verursacherprinzip !
      Bei den Banken = wo denn, nichts in Sicht.
      Boniauszahlungen muss das Gesetz angepasst und erweitert werden.
      Fehlender Mut , keine Umsetzung, gefährdet die Schweiz und die Demokratie .

  2. Lieber Herr Schaller, ich hoffe, Sie sehen es mir nach, dass ich, aufgewühlt durch die Geschehnisse um die Crédit Suisse und die Berichterstattung des Bundesrates am vergangenen Sonntag, nicht auf das eigentliche Thema Ihrer Kolumne «175 Jahre Schweizer Bundesverfassung» eingegangen bin, sondern meiner Assoziation «WAS regiert die Schweiz» nachgegeben habe.

    Die Niederschrift der Schweizerischen Bundesverfassung war 1848 ein Meilenstein für das Verständnis der Schweiz und ihres Rechtssystem und wir können darauf stolz sein. Die Schweizerische Bundesverfassung ist die oberste Instanz unseres Landes und alles hat sich den damals geltenden Grundsätzen bis heute unterzuordnen; also alle Verordnungen und Erlasse des Bundes genauso wie die Verfassungen, Gesetze, Verordnungen und Erlasse der Kantone und der Gemeinden. Grundsätzlich dürfen diese daher der Bundesverfassung nicht widersprechen. Eine Ausnahme bildet das zwingende Völkerrecht (ius cogens), dem die Bundesverfassung untergeordnet ist. (Auszug Wikipedia).

    Ehrlich gesagt, ist mir nicht ganz klar, WER genau nun die Schweiz regiert. Die SVP pocht auf das Volk; die Parlamentarier*innen stehen für die Mehrheit; der Ständerat glaubt an die Entschlüsse der Kantone; die Politiker*innen hoffen auf die Erfolgreichsten, oft mithilfe der einflussreichen Marktmonopolisten, und der Bundesrat steht für den immerwährenden Kompromiss.

    175 Jahre Bundesverfassung unserer direkten Demokratie; seither hat sich vieles in unserem Land und in der Welt verändert und deshalb müssen die Zuständigen für eine adäquate Anpassung sorgen. Wie, wo und in welchem Ausmass sei ihnen überlassen. Nur den Kern, das Herzstück unserer Verfassung möchte ich, gemäss Präambel am Anfang der Verfassung vom 18. April 1999, jedoch ohne Gottesbezug, weiter als richtungsweisender Stützpfeiler belassen:

    «Das Schweizervolk und die Kantone,
    in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,
    im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit
    und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken,
    im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit
    zu leben,
    im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegen-
    über den künftigen Generationen,
    gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes
    sich misst am Wohl der Schwachen,
    geben sich folgende Verfassung:“

    Zum besseren Verständnis unseres Rechtssystems, sollte m.E. eine für alle verständliche und auf das Wichtigste gekürzte Ausgabe der aktuellen Verfassung gratis unter die Leute gebracht werden. Ob als auf Papier gedrucktes oder/und online verfügbares Dokument, mit grossem Werbeaufwand durch den Bund versteht sich. Jede Bürgerin und jeder Bürger sollte unsere Werte, die wir vertreten, kennen und achten, einschliesslich der mit dem Ausland Handel treibende Grosskonzerne und Banken und natürlich alle, die künftig die Schweiz regieren wollen und deshalb die Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen.

  3. Danke für Ihre Sicht Herr Schaller, insbesondere zur UBS/CS. Da tut’s mir schon weh wenn ich lese die Bundesverwaltung (FINMA??, SNB??), nicht der Bundesrat würden die Schweiz «regieren».
    In den diversen SRF Sendungen übers Wochenende haben sich Parlamentarier über die Vorgänge, echauffiert.
    – im Bankrat der SNB sitzen u.A. Vertreter der Gewerkschaft
    – In der KOMMISSIONEN FÜR WIRTSCHAFT UND ABGABEN WAK, sitzen u.A. auch Vertreter der SP, der Grünen
    – Gesagt wurde in den Sendungen dass die FINMA, SNB, die WEK auch regelmässig in der WAK informiert habe.

    Meine Frage: Was machen denn diese Parlamentarier in den Kommissionssitzungen? Getrauen sich die Parlamentarier nicht Fragen zu stellen?, zu hinterfragen? Sind es nicht auch diese Parlamentarier welche sich den vollen Teurungsausgleich zuschanzen? Marktfremd, Spesen als Pauschalspesen beziehen?

  4. Nach 175 Jahren: Ja, wer regiert die Schweiz?
    Ein Griff in meine immer noch gut bestückte Bibliothek: Dieselbe Frage stellte bereits Hans Tschäni in seiner kritischen Untersuchung über den Einfluss von Lobby und Verbänden in der schweizerischen Demokratie. Es sind jetzt gerade vierzig Jahre her seit deren Publikation durch Orell Füssli. Ich selbst, gerade halb so alt, war engagiert in einem Grossunternehmen, in dem Gewerkschafter mit der GD noch weit hinauf anstehende Problem gemeinsam lösen konnten; manchmal erst beim Schieberjass nach Feierabend. Vor allem weil alle dieselben Ziele hatten, dieselbe Sprache redeten und zuweilen einigte man sich auch über schweizerischen Sprachgrenzen hinweg. Bref, man verstand sich. Diesen Eindruck erhält man aktuell nicht. Gut, ein Stück weit ist das meinem Jahrgang 1943 geschuldet; der Blick zurück ist milde geworden, gerne erinnert man sich jener Dinge, die damals gut gingen. Dank dem, dass der Mensch nicht nur vergessen, sondern auch verdrängen kann.
    Aber manchmal hat man schon den festen Eindruck, unsere erste Heimat verkommt in einer Weise, die uns laut aufschreien lassen müsste. Die offizielle Schweiz steckt in der Sackgasse, unfähig auszudrücken, was sie eigentlich will, nicht mal möchte; ganz genau weiss sie hingegen, was sie partout nicht will: Ein ganz normales Zusammenleben mit der Staatengemeinschaft. Der Sitz in der UNO, gerade recht, um der gesamten Welt zu zeigen, was für besondere Menschen wir sind. Die einzigartige direkte Demokratie wie eine Monstranz vor uns herzutragen, derweil die Kantone und deren Politiker sich gegenseitig übers Ohr hauen. Selbstverständlich gibt es auf allen Ebenen engagierte Mitbürger/innen, die sich tatsächlich um die Wünsche und das Wohlbefinden der Einwohnenden kümmern, zumeist selbstlos auf «das Volk» hören und auch in deren Interesse entscheiden. Hingegen, «weiter oben» treffen wir Politiker, die lediglich zweierlei Arten zu kennen scheinen. Lauernde Krokodile, die nur eine Bewegung kennen: Zubeissen. Und die «Sowohl-als-auch», die wie gewiefte Slalomfahrer jedem Fettnäpfchen und jeder Stellungnahme ausweichen. Haltung und Wahrhaftigkeit sind Fremdbegriffe geworden und Ahnungslosigkeit wird als Selbstbewusstsein verkauft.
    Aber was heisst da Politiker? Schacherer wäre manchmal korrekter. Da sind eingemottete Panzer, die siebzig Prozent der Bevölkerung den Ukrainern geben würden, aber man sinniert über eine schweineteure Aufrüstung dieser Fahrzeuge, für die es in der Schweizerarmee nicht mal Mannschaften gibt. Mit der Begründung der heiligen Neutralität, die wie ein Lendenschurz alles verhüllt. Wehe, es weht eine kräftige Brise, unter dem Schurz gibt es nichts zu sehen, gar nichts. Wie lange will das «Fähnlein der sieben Aufrechten» und ihre verstockten Adlaten uns vor der ganzen Welt lächerlich machen?

    • Was sind Schacherer? Der Lendenschurtz, der die heilige Neutralität verhüllt. Eine lustige, mir bisher völlig unbekannte Bezeichnung in diesem Zusammenhang. Der Lendenschurz, der in früheren Zeiten das männliche Geschlecht verdecken sollte. Und Sie schreiben weiter, wehe wenn eine kräftige Brise unter den Schurz weht, da gibt es gar nichts zu sehen. Ich interpretiere das mal, die Männlichkeit ist weg. Mit dieser Betrachtungsweise müssen sich Männer wirklich nur noch lächerlich vorkommen. Was wollen Sie dagegen unternehmen, als Mann? Couragierte Männer braucht das Land!

  5. Ein Schacherer strebt auf kleinliche, hartnäckige Art nach dem grösstmöglichen persönlichen Vorteil. Dies zur Frage.
    In Teilen Afrikas wird der Lendenschurz von beiden Geschlechtern getragen und soll vor allem das Darunter schützen nicht verhüllen. Nun, Ihrer Interpretation scheint mir etwas einseitig. Setzen wir die Menschlichkeit anstelle von Männlichkeit. Denn es betrifft uns alle. Und Männer, die sich lächerlich vorkommen, haben einfach noch nicht begriffen, Männlichkeit ist keine Frage von Zentimetern. Zampano ist Geschichte. Die bewaffnete Neutralität muss neu definiert werden, nicht verludert und zerredet. Das müssen wir unternehmen. Richtig: Couragierte Menschen braucht das Land! Ein paar kennen wir bereits: Simonetta Sommaruga, Micheline Calmy-Rey, Eveline Widmer-Schlumpf, Monika Weber und auch viele Männer.

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