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Öko-Werbung übertreibt, beschönigt, vertuscht

«Tue Gutes und brülle ins grüne Megafon.» Viele Unternehmen haben zwar ihr ökologisches Verhalten verbessert, trompeten diese Fortschritte aber viel zu laut heraus. Ihr Werbegetöns hat viele Missklänge. Immerhin können wir uns über einen kleinen Fortschritt freuen: Die CO²-Zertifikate dürfen nicht mehr derart marktschreierisch eingesetzt werden.

Unternehmen missbrauchen die Ökologie für ihre Werbung. Das ist ein ernstes Thema. Bevor wir einsteigen, schmunzeln wir über ein Öko-Schmankerl. Die Firma Lieler Schlossbrunnen holt Mineralwasser aus dem Boden des Markgräflerlands in Süddeutschland. Weil pures Quellwasser halt doch nicht so ein angesagter Knaller ist, haben sich die Werber trendige Attribute ausgedacht: Das Wasser ist lactosefrei, glutenfrei und vegan.

Ablassbrief tilgt Umweltsünden

Mit dem Lieler Wasser haben wir aus der Quelle des unfreiwilligen Humors getrunken. Nun wollen wir uns Ernsterem zuwenden, der fiktiven Reise von Herr und Frau Oppliger (Name geändert). Über Ostern waren sie auf den Malediven. Mit dem Flieger. Wunderschön. Weisse Strände, Sonne, tiefe Preise. Wir gönnen Oppligers die zwei Wochen. Aber was ist mit dem Flieger? Ein paar Tonnen Co² stösst ein Flugzeug auf dieser Reise aus, pro Person. Wir runzeln die Stirn. Doch was sehen wir auf dem Ticket? Das Paar hat einen Zuschlag von 37 Franken pro Person und Strecke bezahlt. Damit sind Oppligers klimaneutral gereist. Wir atmen auf.

Das aktuelle Label. Die neue Fassung soll nicht mehr «Klimaneutralität» vorgaukeln.

Doch Gopf. Wer glaubt denn diesen Bschiss? Ein paar Franken für einen digitalen Ablassbrief, der unsere Umweltsünde tilgen soll? Oppligers waren nicht klimaneutral unterwegs, sondern haben nur einen Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastung geleistet.

Grüne Goldbarren

Solche Veräppelungen ecken auch anderswo an. Jetzt werden sie gestoppt. Detailhändler, Hersteller und Dienstleister dürfen ihre Angebote nicht mehr als „klimaneutral“ bezeichnen. Die Organisationen, die Kompensations-Zertifikate verkaufen, ziehen das Label mit dem irreführenden Titel zurück. Seit Mitte April sind sie dran, ein Label zu entwerfen, das weniger irreführend ist.

Gut so. Wenn Shampoos oder sogar Goldbarren als klimaneutral angepriesen werden, ist das Unfug. Grober Unfug, weil kaum mehr jemand an solch überdrehtes Greenwashing glaubt.

Öko-Fakes

Diesen Öko-Fake zu eliminieren ist relativ einfach. Mehr zu denken gibt, dass die Firmen ihr vermeintliches oder wirkliches Umweltbewusstsein auf Teufel komm raus vermarkten. Eigentlich ist es ja toll, dass die Unternehmen, Detailhändler wie Coop oder Migros, umweltbewusster geworden sind. Das sind sie, ohne Zweifel. Man versteht auch, dass sie damit öffentlich punkten wollen. «Tue Gutes und sprich darüber.» Sie werben mit der Aussage, dass sie die Welt verbessern. Kauf Biogurken aus der Region und das Klima wackelt weniger.

Glückliche Hühner bei Coop (oben).
Gückliche Menschen bei Migros.

Ich habe ein paar Jahre in der Werbung gearbeitet, als Texter. Drum glaube ich zu wissen, wie das läuft. Die Migros-Werberinnen und die Coop-Werber sind keine Bösewichte. Sie hirnen nicht finster lächelnd, wie sie mit grün angemalten Botschaften ihr Publikum reinschaukeln können. Nein, sie sind überzeugt von dem, was sie schreiben.

Werbe-Pinocchios

Allerdings nur zum Teil. Irgendwie wissen ja auch sie, dass sie schwindeln. Schliesslich sind die famos verdienenden Damen und Herren ja gut ausgebildet und nicht dumm. Den Werbe-Pinocchios und ihren Chefs ist klar, dass ihnen die schlauere Mehrheit des Publikums die grüngefärbten Botschaften nicht abnimmt.

Deshalb ärgert mich am meisten, dass die Unternehmen (nicht nur Coop und Migros) mich für blöd halten. Für sehr blöd. Sie glauben tatsächlich, dass mich ihre Werbeflunkereien überzeugen.

Bilder: Screenshots, Freepik, pst

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3 Kommentare

  1. Sicher stimmt das alles was Sie über den Oeko-Bschiss an uns Verbraucher*innen schreiben. Aber nicht jede*r kennt sich mit den Werbetricks aus oder nimmt sich die Zeit, sich schlau zu machen. Seit zirka 10-15 Jahren kaufe ich umweltbewusster ein und meine Einkaufszeit hat sich etwa verdoppelt. Als Rentnerin kann ich mir diese Zeit nehmen. Aber wie sieht es mit den Erwerbstätigen aus? Meistens muss doch das Einkaufen schnell schnell gehen. Oft steht das Naheliegenste oben in den Regalen, auf Augenhöhe, die Angebote für die Kinder, stehen natürlich weiter unten….

    Heute braucht es, durch alle Bereiche des täglichen Bedarfs, ein stark gewollt bewusstes Konsumieren. Das setzt aktuelle Informationen und das Hinterfragen und Vergleichen von Angeboten voraus. Dem zuwider laufen unsere Gewohnheiten, die Infoflut, die Gleichgültigkeit oder gar, wie ich es von älteren Menschen immer wieder höre, die alles klimabedingte Argumentieren für Humbug oder Geschäftemacherei halten. Oeko-Waren sollten m.E. günstiger sein als die umweltschädlichen. Die Politik hat das noch nicht begriffen.
    Mein trauriges und ernüchterndes Fazit: Solange es die Menschen nicht unmittelbar trifft und die Produzenten und Verteiler nicht mit Sanktionen rechnen müssen, sprich die Gesetzgebung nicht härter durchgreift, wird sich zum Schutz unserer Erde nur wenig und vor allem viel zu langsam etwas bewegen.
    Darum nicht schimpfen sondern handeln, jede*r dort wo er kann.

  2. Nicht zu vergessen alle die Online-Mode-Anbieter, z. B. Zalando. Hier kann man den Filter «Nachhaltig» wählen. Diese Kleidungsstücke fallen meist durch sackartige Schnitte und hässliche Farben auf. Wie die nachhaltige Produktion definiert wird, steht nirgends. Zudem glänzt das so genannt nachhaltige Zeug mit hohen Preisen. Wie lange dauert es noch, bis diese falsche Nachhaltigkeit entlarvt wird?

  3. Nach meiner Meinung kauft niemand mit Verstand beim grössten Onlinehändler Zalando ein. Dieses Unternehmen bricht nicht nur laufend seine lautstarken Nachhaltigkeitsversprechen beim An- und Verkauf der Waren wie auch bei den Rückläufern; das Milliardenunternehmen gerät auch immer wieder in die Schlagzeilen mit Verstössen gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen der Zulieferer wie der eigenen Arbeitnehmer*innen und beweist durch seine Billigwarenimporte aus armen Ländern, dass ihm faire und menschenwürdig hergestellte Waren am Ar….. vorbeigehen und nur die Gewinnmarge zählt.
    Es ist doch wie bei allen grossen Playern im Internet, wenn WIR, die Politik und die Konsumenten, diese privaten Unternehmen nicht kontrollieren und regulieren, kontrollieren und manipulieren sie UNS, die Konsumentinnen und Käufer. Wir sollten nie die Macht des Geldes unterschätzen, auch unser eigenes nicht. Wir können mit dem Geld das wir täglich ausgeben bestimmen, wo unser Geld landen soll und wen wir im weitesten Sinne unterstützen wollen oder eben nicht. Transparenz sollte uns in allen Belangen des täglichen Lebens ein Anliegen sein.
    Hier noch ein Link zum Nachhaltigkeitsbschiss bei den Mode-Retouren von Zalando:
    https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/vollbild-zalando-nachhaltigkeit-ruecksendungen-101.html

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