StartseiteMagazinKolumnenAufbruch in der Mitte?

Aufbruch in der Mitte?

In gut fünf Monaten, am 22. Oktober 2023, wählt die Schweiz ein neues Parlament. Dabei werden die 200 Mandatsträger des Nationalrates sowie 45 der 46 Mitglieder des Ständerates der Schweiz vom Volk neu bestimmt. Jede der jetzt noch folgenden Sessionen bis zum Oktober 2023 werden von einem geprägt sein: vom bereits laufenden Wahlkampf.

Bis jetzt hat sich das Parlament nicht besonders mit Ruhm bekleckert. In der Sondersession zur Credit-Suisse-Krise kam deutlich zum Ausdruck, dass die meisten Frauen und Mannen in den beiden Kammern nicht über die Kompetenzen verfügten, die notwendig waren, um eine klare Sicht der komplexen Geschehnisse zu haben, nur um sachgerecht und kompetent in den Debatten mitzudiskutieren. Selbst im grossen Beamtenkreis des Bundes und in den Führungsstäben der zuständigen Departemente des Bundesrates war nicht vorhanden, was notwendig gewesen wäre: Sachverstand und Kompetenzen in den internationalen Finanzgepflogenheiten. So musste der Bundesrat bei zwei Zürcher Rechtsanwalts-Kanzleien um Rat nachsuchen, um in ganz kurzer Zeit zu gangbaren Entscheiden zu gelangen. Zu Honoraren von mehr 10 Mio. Franken. Wenn man bedenkt, dass die Schweiz zu den Staaten gehört, die über einen gesuchten, exzellenten, auch führenden Finanzplatz verfügen, ist es mehr als erstaunlich, dass die Schweiz mit der Finanzaufsicht Finma, nicht das notwendige, auch griffige Instrument zur Hand hat, um zu verhindern, dass es zu der Credit-Suisse-Krise überhaupt kommen konnte. Aufgabe des Parlaments wird es jetzt sein, aufgrund der gemachten Erfahrungen ein solches Instrument zu schaffen, die Finma eben anzupassen.

Im August, je nach Kanton etwas früher oder später im Monat, haben die Parteien ihre Wahllisten bei den Staatskanzleien einzureichen. Jetzt haben sie also Gelegenheit zu prüfen, ob sie tatsächlich ihre besten Frauen und Mannen auf ihren Listen versammelt haben, ob sie dazu beitragen werden, das Niveau in der Bundesversammlung zu heben, um für die kommenden grossen Aufgaben gewappnet zu sein.

Zu Veränderungen wird es kommen. Die bisherige Zauberformel in der Zusammensetzung des Bundesrates könnte ins Wanken geraten. Insbesondere die Parteien der politischen Mitte, respektive die Spitzen der Parteien Die Mitte, inklusiv die der ehemaligen BDP, die der Grünliberalen und die der EVP haben die Zeichen der Zeit erkannt; sie wollen näher zusammenrücken. Zwar ist die Bewegung zueinander noch bescheiden, aber immerhin. Mit Listen-Verbindungen in den meisten Kantonen zielen sie auf Restmandate. Mit gegen 24% Wähleranteil 2019 (Die Mitte 11.4%, Grünliberale 7.8%, EVP 2.1%, BDP 2,5%) könnten sie nahe an die SVP heranrücken (25,6%). Und könnten damit zweitstärkste Kraft hinter der Blocher-Partei werden. Und so einen zweiten Bundesrastsitz für sich zu reklamieren beginnen. Wohl einen für Die Mitte – aktuell mit Viola Amherd besetzt – und  einen für die Grünliberalen. Bei den Grünliberalen stehen mit Tiana Angelina Moser, der Fraktionschefin. und Jürg Grossen, ihrem Parteichef, zwei valable Kandidierende in den Startlöchern.

Was würde das für die anderen Parteien bedeuten? Bedrängt würden die Freisinnigen, die künftig allein die rechte Seite der Bürgerlichen zu vertreten hätten und damit wohl rechnen müssten, ihren zweiten Bundesrats-Sitz zu verlieren. Ignazio Cassis würde wohl nicht mehr wiedergewählt werden. Die Rechte mit der SVP wäre unbestritten mit zwei Mandaten bedient. Haare lassen müssten wohl auch die Grünen, die allein für die wirklich grünen Anliegen kämpfen müssten; sie werden eh Wähleranteile verlieren und müssten so ihre Ambitionen für einen Bundesrat-Sitz wohl definitiv begraben. Ungeschoren könnte die SP davonkommen, so aber nur noch drittstärkste Kraft im Parlament werden. Selbst für Alain Berset könnte es gut ausgehen. Nach dem Anciennitätsprinzip wird er sich bei den Erneuerungswahlen am 6. Dezember 2023 als erster zu Wahl stellen müssen, wenn er weitermachen will. Als amtierender, aber auch etwas angeschlagener Bundespräsident hat er sich bereits wieder in eine ganz ordentliche Position gestellt, gar für die SVP mit seiner Ukraine-Politik wieder wählbar gemacht.

Noch ist es nicht so weit. Die neue Allianz der Mitte ist wohl in der jetzigen Form ein zu zaghafter Versuch, tatsächlich die zweite Kraft im Parlament zu werden. Die Allianz müsste mehr wagen: Sie müsste sich als neue Fraktion ankündigen, sie müsste im Wahlkampf öffentlich machen, dass sie einen zweiten Bundesratssitz anstrebt und dass sie über die notwendigen wählbaren Kandidierenden verfügt: Tiana Angelia Moser und Jürg Grossen. Zugegeben: Das wäre ungewohnt, gar unschweizerisch, aber der eidgenössischen Politik würde es mehr als guttun. Es würde sie beleben, die Parlamentsarbeit aufwerten, aus den diesbezüglichen Auseinandersetzungen, bei denen die Argumente meistens geschärft werden, gingen möglicherweise sogar kompetentere Volksvertreterinnen und -vertreter als heute hervor.

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1 Kommentar

  1. Aufbruch in der Mitte…

    Anton Schaller zu den Wahlen im Herbst. Ob seine rechnerischen Künste dieses Mal aufgehen oder ob die Frauen und Männer einmal mehr mit dem Bauch statt mit dem Kopf ihre Stimmzettel ausfüllen werden. Ich habe da meine Zweifel.

    Jüngster Spross einer politisierenden Familie mit viereinhalb Ausrichtungen von liberal über Tutti bis arg links, dabei waren Tür und Tor für derartige Spekulationen offen, die Ernüchterung danach Programm, aber man konnte sich zusammenraufen. Ich bin mir nicht sicher, waren die damaligen Volksvertreter wirklich kompetenter oder nur weniger vom eigenen Auftritt überzeugt. Quasi, Ahnungslosigkeit als Bedingung fürs Selbstbewusstsein. Oder sind die Fragen heute einfach wesentlich komplexer. Das kann man ja immer behaupten, wenn man keine Lust hat, enfin einiges dazuzulernen. Die Abfindungen unserer Parlamentarier sind nicht derart schlecht, dass sich der Einsatz nicht lohnte, zumal die Nebeneinkünfte mehr einbringen, als bei einem normalen Vollzeitjob zu erwarten wäre. Jedenfalls, es wäre böswillig, zu behaupten, dass sich die wirklich Kompetenten nicht für die Spielchen in den parteipolitischen Niederungen hergeben möchten. Zumindest wir alle haben in letzter Zeit intensiv erfahren, dass professionelle Kompetenz sehr wenig mit wirklicher Leistung zu tun hat.
    Ebenfalls nicht so sicher bin ich mir, ob der Chef der ehemaligen CVP tatsächlich nicht der Versuchung erliegen würde, na ja, er kennt ja seinen Streithaufen. Bis anhin empfand ich die Politik der Mitte eher als Fahnenstange: Die Fahne zeigt die aktuelle Richtung. Recht gebe ich Herr Schaller, dass die SP unangefochten bleibt. Blochers Mannen haben möglicherweise erkannt, dass es ohne die Linke nicht geht. Die wirkungslosen Versuche, Alain Berset zu stürzen, sind an den dafür eingesetzten Mitteln gescheitert. Einmal mehr: Die SVP kann zumeist keine fähige und kompetente Kandidaten anbieten. Und auch der einzige Vordenker scheiterte an sich selbst.

    Ich muss mich still beiseite wenden / Heimat, Du bist in guten Händen… Alfred Huggenberger, auf der Kreuzegg, sehr vor meiner Zeit und ich bin auch bald achtzig. Wenn das nur gut geht.

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