StartseiteMagazinKolumnenVon Putin über Erdogan zu Habeck

Von Putin über Erdogan zu Habeck

Demokratie ist nicht Demokratie. Der russische Staatspräsident ist zwar demokratisch  gewählt worden. Ist er aber ein „lupenreiner Demokrat“, wie ihn der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder mal bezeichnete und sich damit wohl dem Herrscher im Kreml ganz eng anzunähern verstand? Eine lupenreine Männerfreundschaft, die sich für Schröder mehr als lohnte, schaffte er es doch zwischenzeitlich als Aufsichtsrat auf die Gehaltsliste im russischen Monopolkonzern Gazprom, in einem Unternehmen, das mit dem Kreml ganz eng verbunden ist und selbst im Kanton Zug eine Geschäftsstelle betrieb, mit einem Büro für Schröder.

Nicht erst seit dem 24. Februar 2022 sollte eigentlich allen klar sein, was Putin wirklich will: ein Russland wie zurzeit der Sowjetunion, letztlich wohl ein Einflussbereich, der vom Ural bis zum Atlantik reicht. Seine Reden, seine Publikationen lassen keine Zweifel zu. Den Zusammenbruch der UdSSR bezeichnete er schon 2005 in einer Rede zur Nation  als „die grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Und er weiss, rückgängig machen kann er das nur, wenn er alles beherrscht, den gesamten Staatsapparat, die Justiz, die Armee, die Geheimdienste, nicht zuletzt die Medien. Am 24. Februar nahm er an, dass er jetzt losschlagen kann. Er verrechnete sich, er sah sich einer Ukraine gegenüber, die sich nicht in sein Herrschaftsgebiet eingliedern will. Er sieht sich einem Europa und der Weltmacht USA gegenüber, die seinem Traum eines Grossreichs Russland entgegensetzen, ihn in seine Grenzen zurücksetzen wollen, indem sie die Armee der Ukraine mit den nötigen Waffen auf- und ausrüsten. Der „lupenreine Demokrat“ Putin, der laufend gar mit taktischen Atomwaffen droht, hat sich als Kriegsverbrecher entlarvt.

Es trifft sich gut, dass sich die Staatschef der G7-Staaten am letzten Wochenende in Hiroshima trafen, im Ukraine-Krieg unentschiedene Männer wie den Brasilianer Lula und Indiens Modi dazu einluden. Über diesem symbolträchtigen Ort zündeten die US-Amerikaner am 6. August 1945 die erste Atombombe. 140`000 Menschen starben sofort oder kurz danach, die Stadt wurde zu 90% zerstört. Noch lebende Opfer des Angriffs leiden bis heute an den Folgen dieser kriegerischen, verheerenden Tat, mit der die USA den 2. Weltkrieg, eben mit allen Mitteln, beenden wollten. Einer von Putins taktischen, atomaren Sprengköpfen hat etwa die gleiche Wirkung wie die Bombe über Hiroshima. Und die Botschaft der G 7-Konferenz an Moskau, an Peking ist unmissverständlich: Ein Hiroshima darf sich nie mehr wiederholen. Peking scheint die Botschaft zu verstehen und Putin, der „lupenreine Demokrat“? Mit einem hat er wohl nicht gerechnet: mit der Entschlossenheit und Geschlossenheit der G7 Staaten, die Selenskyj in absehbarer Zeit auch mit Kampfflugzeugen unterstützen wollen.

Und wie steht’s um den Demoraten Erdoğan? Seit 20 Jahren ist er an der Macht, in den ersten Jahren führte er die Türkei von Erfolg zu Erfolg. Wie sicherer er sich in seiner Machtposition fühlte, umso mehr verlor er den Boden unter den Füssen. Die Medien, den Sicherheitsapparat, die Bildungsinstitutionen, die Justiz, die Armee nahm er zunehmend unter seine Kontrolle. Unangenehme Gegner setzte er fest. Wahrscheinlich wird er im zweiten Wahlgang trotzdem noch einmal als Sieger hervorgehen und auch in den nächsten Jahren die Türkei nach seinem Willen prägen. Und das, obwohl die Menschen zur Zeit und darüber hinaus tatsächlich unter einer grassierenden Inflation, unter einer schwachen Währung, unter der miesen Wirtschaftslage leiden. Dass es unter diesen Umständen nicht zu einem Wechsel kommt, ist aus unserem demokratischen Verständnis heraus erstaunlich. Zu oft verkennen wir aber, dass unsere Massstäbe nicht taugen, um Vorgänge in Ländern mit einer ganz andern Tradition, einer ganz anderen Geschichte zu werten. Viele Türkinnen und Türken sind stolz auf Erdoğan, weil er sich einmischt, Weltpolitik betreibt, beispielsweise zwischen Russland und dem Westen laviert. Sie setzen auf Sicherheit, auf ihren starken Mann.

Da muss Robert Habeck, der bundesdeutsche Wirtschafts-und Umweltminister eine ganz andere Erfahrung machen. Während Monaten war er mit Abstand der beliebteste Politiker in unserem Nachbarland. Viele sahen in ihm den kommenden Bundeskanzler. Er pflegte vom Start weg einen neuen Politikstil, er punktete mit seiner Kommunikationsart, er erklärte, er gestand Fehler ein, er suchte nach pragmatischen Lösungen. Er führte Deutschland auch ohne Gas aus Russland durch den Winter, weil er neue Quellen erschloss. Auf dieser Erfolgswelle wollte er seinen Landsleuten zumuten, was sie erschreckte: Opfer zu bringen für einen tatsächlich greifbaren Schutz der Umwelt; sie sollten künftig umweltfreundlich heizen.

Gleichzeitig musste er erfahren, dass Patrick Graichen, sein zuständiger Staatssekretär, der seinen Trauzeugen in eine wichtige Stelle hievte, einer Organisation, in der seine Schwester eine wichtige Rolle spielt, Fördergelder zukommen liess. Habeck konnte Graichen nicht mehr halten. Nun schiessen seine Gegner auf Habeck selbst. Er habe den „Heiz-Hammer“ ausgepackt, wolle alle zum Einbau einer Wärmepumpe verdonnern.* Und die Absicht ist so klar wie das Ziel: weniger statt mehr Umweltschutz. Ja, Demokratie ist nicht Demokratie. Entscheidend ist, wie sie gelebt wird, welchen Stand sie erreicht hat. Willy Brandts Slogan gilt aber nach wie vor für alle: „Mehr Demokratie wagen!“ Nicht nur in Deutschland, selbst in der Schweiz.

*Übrigens: Die erste Wärmepumpe in Europa wurde 1936/37 im Zürcher Rathaus eingebaut, wie das deutsche Nachrichten-Magazin „der Spiegel“ zu berichten weiss. Der Grund: Das legendäre Parlamentsgebäude an der Limmat habe wegen des Flusses keinen Kohlenkeller gehabt. Noch heute laufe diese Wärmepumpe, welche längstens mit einer modernen ersetzt wurde, eine Stunde in der Woche.

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1 Kommentar

  1. Eine ausgezeichnete Analyse der Geschehnisse als Sturmfluten/Ebbe – auf dem Weg zur oder von der Demokratie. Vielen Dank für die Möglichkeit zur eigenen Inspiration, um den Begriff immer wieder neu für sich zu hinterfragen. Ziel: Schadensbegrenzung, wo immer möglich…

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