Afrikaner in Europa

Seit der Antike leben Schwarze Menschen in Europa, doch ihre Anwesenheit und ihr Wirken wurden weitgehend vergessen. Nun widmet ihnen die Historikerin Olivette Otele ein Buch «Afrikanische Europäer».

Afrikaner waren in der Schweiz in den frühen 1950er Jahren kaum präsent. Als Kind sah ich erstmals einen Schwarzen Mann an der Rämistrasse in Zürich. Das war so eindrücklich, dass ich mich noch heute an diese flüchtige Begegnung erinnere. Inzwischen leben aufgrund grösserer Mobilität zahlreiche People of Colour in der Schweiz. Durch die aus Amerika stammende Bewegung der Black Lives Matter rücken sie in den Fokus der Öffentlichkeit.

Das Frauenporträt auf dem Buchumschlag stammt aus einem Gemälde um 1580 vom italienischen Künstler Annibale Carracci.

Die Autorin Olivette Otele ist 1970 in Yaoundé in Kamerun geboren. Sie studierte an der Pariser Sorbonne und ist die erste Woman of Colour, die im Vereinten Königreich, in Bristol, eine Geschichtsprofessur bekleidet. In ihrem engagierten Buch erzählt sie vom engen Austausch zwischen Afrika und Europa und stellt Einzelschicksale von Frauen vor, jedoch vielmehr von Männern, die durch Quellen besser belegt sind.

Sie zeigt, dass sogenannte Afroeuropäerinnen und Afroeuropäer durchaus respektiert waren, und dass Rassismus erst durch den transatlantischen Sklavenhandel im 17. Jahrhundert aufkam. Lange wurden Rassenunterschiede nicht aufgrund der Hautfarbe gemacht, sondern aufgrund der Religion. Im 11. Jahrhundert wurden Muslime im französischen Rolandslied als Monster und «schreckliche Tiere» bezeichnet wegen der sexuellen Ausbeutung im Harem. Dafür wurden während den islamischen Eroberungen besonders hellhäutige Frauen geraubt und verkauft.

Otto Pilny, Sklavenhändler, 1919. Bilder von weissen Sklavinnen im Harem waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert beim Bürgertum besonders beliebt.

Der Menschenhandel geht jedoch viel weiter zurück. Seit jeher wurden innerhalb Europas, und noch vor der Ankunft der Europäer auch innerhalb Afrikas, Menschen geraubt und etwa als Soldaten, Arbeiter oder Dienstboten verkauft. Sklaven und Sklavinnen behielten in der Gesellschaft allgemein einen niedrigen Status. Die Sklaverei wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts abgeschafft, in Russland die Leibeigenschaft 1861. Doch wäre es ungenau, alles unter dem Begriff «Sklaverei» zusammenzufassen, präzisiert die Autorin.

Relief eines assyrischen Kriegsschiffs, ca. 700 v. Chr. In der Antike wurden Sklaven als Ruderer auf Kriegsschiffen eingesetzt. Relief aus Ninive im Britischen Museum, London

Als erster bekannter Afroeuropäer gilt der Heilige Mauritius. Der Legende nach schloss er sich in Ägypten als Kommandant den römischen Truppen, der Thebaischen Legion, an. Er sollte in Gallien, im heutigen St. Maurice im Wallis, Aufständische niederschlagen. Da er sich weigerte, an der Christenverfolgung teilzunehmen, wurde er mit seinen Soldaten 287 n. Chr. hingerichtet. Seit dem 4. Jahrhundert wird er als Heiliger verehrt.

In der katholischen Kirche wird die Schwarze Madonna verehrt, wie hier in Einsiedeln. Möglicherweise geht sie auf schwarze Vorbilder der Antike zurück, die als Fruchtbarkeitsgöttinnen verehrt wurden. Foto: Martin Dürrschnabel.

Zur Zeit der Renaissance war die Familie Medici die mächtigste Familie in Florenz. Giulio de’ Medici, der spätere Papst Clemens VII., hatte mit einer afrikanischen Bediensteten einen unehelichen Sohn Alessandro de’ Medici. Aufgrund der dunklen Hautfarbe wurde er «il Moro» genannt. Trotz seiner Herkunft wurde er Regent von Florenz, jedoch 1537 von seinem Cousin Lorenzo ermordet. Angeblich nicht aus politischen Gründen, sondern wegen seiner sexuellen Zügellosigkeit. Die Kirche in Rom schätzte die afrikanische Bevölkerung, denn sie liess sich für den christlichen Glauben begeistern und förderte die Bekehrungsdynamik.

Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, von Mather Brown, 1787. Er war ein erfolgreicher Violinist und komponierte zahlreich Violinkonzerte und Opern.

Die Autorin berichtet auch von einzelnen Afrikanern, die es in Europa zu Wohlstand und Ansehen brachten. So machte sich in Spanien Juan Latino (1518-1596), Sohn schwarzer Sklaven aus Äthiopien, als Dichter einen Namen. Zusammen mit dem Sohn seines Herrn wurde er in Granada erzogen, studierte an der Universität und wurde ein freier Mann. Er hatte einen Lehrstuhl in Grammatik und Latein inne und heiratete eine weisse Frau aus der Oberschicht, was ungewöhnlich war.

Berühmt als «Schwarzer Mozart» wurde Joseph Bologne de Saint-George (1745-1799). Er studierte in Paris Musik und bezauberte durch sein Talent und seinen Charme tout Paris. Der Vater war ein aristokratischer Plantagebesitzer auf Guadeloupe, die Mutter eine versklavte senegalesische Frau. Nach der Revolution leitete er ein Kommando von 1000 Soldaten, sass unter der Schreckensherrschaft elf Monate im Gefängnis und starb 1799 verarmt in Paris.

Büste von Abraham Petrowitsch Hannibal, Urgrossvater des russischen Nationaldichters Puschkin.

Der russische Schriftsteller Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799-1837) erzählt in Der Mohr Peters des Grossen die Geschichte seines Urgrossvaters Abraham Petrowitsch Hannibal (1696-1781). Hannibal wurde achtjährig aus Afrika entführt, von Türken nach Konstantinopel verschleppt und vom russischen Gesandten gekauft. Zar Peter I., sein Taufpate, förderte ihn. Nach einer militärischen und einer Ingenieursausbildung in Frankreich stieg er zu hohen militärischen Rängen auf und erhielt den Adelstitel. Nach dem Tod des Zaren verlor er seinen Status und wurde nach Sibirien verbannt. Unter den nachfolgenden Zarinnen Elisabeth und Katharina stieg er erneut auf und wurde Aufseher aller Seebauwerke. Als ehemaliger Sklave verfügte er über 1400 Leibeigene.

Titelbild: Edouard Manet, Olympia, 1836. Schwarze Frauen waren meist Bedienstete und Mätressen der Herrschaften, historische Zeugnisse sind rar.

Alle Bilder: Wikimedia Commons

Olivette Otele, Afrikanische Europäer. Eine unerzählte Geschichte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2022. ISBN 978-3-8031-3712-8

s.a. Ruth Vuilleumier, Zürichs koloniale Vergangenheit

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