StartseiteMagazinKolumnenHerausforderungen nach dem Nationalfeiertag 2023

Herausforderungen nach dem Nationalfeiertag 2023

Die Schweiz ist seit ihren verbrieften Anfängen des Jahres 1291 und einer langen Phase von Höhen und Tiefen vor 175 Jahren, im Jahre 1848 also, das geworden, was sie heute ist. Die Historiker Werner Meyer und Angelo Garovi widerlegen dieser Tage in den Medien zwar die Mythen um die Rolle des «Rütli-Schwur», der in so manchen Reden am Nationalfeiertag Erwähnung findet?

Die erste moderne Demokratie der Welt wurde 1776 in den USA geschaffen. Auch die Helvetik versuchte bereits 1798, echte demokratische Verhältnisse einzuführen. Sie scheiterte und ging mit Napoleon 1815 unter. Es ist noch nicht so lange her: Erst der Bundesstaat von 1848 brachte der Schweiz dann als erstem Land Europas eine stabile demokratische Ordnung als freie, neutraler Staat. Die Staaten der globalen Welt sind sich der Bedeutung und friedensstiftenden Rolle unseres Landes bewusst, wissen es stets auch zu würdigen, welchen Beitrag die neutrale Schweiz für Frieden und globales Miteinander beigetragen hat und immer noch beiträgt.

Kürzlich erhielt ich eine SMS: «Leben» heisst rückwärts gelesen «Nebel»… Kein Wunder, dass wir nicht immer «durchblicken», was derzeit von entscheidender Relevanz ist? Bei klarer Sicht der Dinge gilt die unmissverständliche Einsicht: Die Schweiz ist derzeit einmal mehr herausgefordert. Infolge des Angriffkrieges in der Ukraine und dem Verhalten der Politik mit Blick auf die Neutralität gibt es verständliche Diskussionen. Widersprüchlicher könnten die Stellungnahmen in Politik, Gesellschaft und Medien nicht sein? Fakt ist: Das Neutralitätsrecht ist Teil des Völkerrechts. In den Haager Abkommen von 1907 werden wesentliche Rechte und Pflichten der neutralen Staaten festgehalten. In der Schweiz ist die Neutralität als Instrument zur Wahrung der Unabhängigkeit in der Bundesverfassung festgeschrieben. Jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger hat auch im Jahre 2023 die persönliche Freiheit, Schweizerin oder Schweizer nach seiner individuellen politischen Sicht und Façon zu sein. Es gibt in unserem Lande kein Diktat der aufgezwungenen Meinung.

Als Teil Europas kann es unser Land jedoch nie und nimmer erlauben, sich hinter den Bergen zu verstecken. Wir müssen bei aller Neutralität auch fürderhin an den Konferenztischen sitzen und mitgestalten, wo die Zukunft für eine globale friedliche Welt entschieden wird. Europa ist für die Schweiz, die im europäischen Herzen liegt, eine Realität und die damit verbundenen engen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen haben natürlich immer auch Einbussen der Souveränität zur Folge. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind nun mal Teil des globalen Dorfes mit all seinen Vor- und Nachteilen.

Fakt ist jedoch, dass die Mehrheit der Schweiz der EU nicht beitreten will. Auch den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung 1992 knapp ab. Die Landesregierung setzt stattdessen im Auftrag des Wahlvolkes in korrekter Sicht auf Aktualisierung der bilateralen Verträge, die ihr den Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie das europäische Miteinander sichern. Nach dem kürzlichen Treffen von Aussenminister Ignazio Cassis mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission Maros Sefcovic in Brüssel wurde klar signalisiert, dass der Termin über den weiteren Fahrplan der Verhandlungen nach den eidgenössischen Wahlen Ende Oktober 2023 entschieden werden soll. Die Thematik Europa/Schweiz soll die Eidgenössischen Wahldebatten wohl nicht beschäftigen?

2023 ist und bleibt ein bedeutendes Wahljahr, das vielleicht sogar über eine Verschiebung der Parteienstärken entscheiden wird. Erste Umfragen lassen zwar verschiedene Möglichkeiten offen. Über die Nationalfeiertag-Reden am 1. August 2023 hinaus werden Politik, Gesellschaft und das Land Schweiz nebst unserem Bezug zur Europäischen Union (EU) auch weitere Fragestellungen intensiv beschäftigen. Wie auch immer sich der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene globale und nationale Wirtschaft entwickelt, werden sich Parteien und ihre Kandidatinnen und Kandidaten im «Wahlkampf» ungeachtet der globalen Aktualitäten mit anderen Inland-Themen auseinandersetzen: Klimawandel, Krankenkassenprämien, Soziale Sicherheit, Versorgungs- und Energiesicherheit, Reform Altersversorgung, Natur- und Landschaftsschutz, Flüchtlingskrise und Einwanderungsproblematik, Wirtschaftsfragen sowie Freiheitsrechte und Meinungsfreiheit.

Unser viersprachiges Land Schweiz mit seiner einzigartigen Vielfalt von Sprachen, Kulturen, Landschaften und einer gelegentlich übertriebenen föderalen Denkweise steht vor entscheidenden Parlamentswahlen. Möge das Wahlvolk im Bewusstsein des Gemeinschaftssinns, gepaart mit der Solidarität im Kleinen wie im Grossen sowie in der Tradition der Schweiz, an der Urne jene Persönlichkeiten und Parteien wählen, denen man die Bewältigung der Zukunftsherausforderungen zutraut. Mit unserer Wahl der Mitglieder von Ständerat und Nationalrat setzen wir indirekt auch die Leitplanken für die Zusammensetzung unserer Landesregierung. «Zauberformel» nennt man die 1959 zustande gekommene parteipolitische Zusammensetzung – je nach Grösse der jeweiligen Parteien – des siebenköpfigen Bundesrates. Über die «Zauberformel», auch hinsichtlich Wahl von Mann und Frau entscheidet also indirekt das Wahlvolk am Wochenende des 22. Oktober 2023.

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7 Kommentare

  1. Die politische Schweiz steckt in der Klemme, sowohl aussen- wie innenpolitisch. Die Frage, was zu dieser misslichen Situation geführt hat, ist nach meinem Verständnis der Nichteintritt in den Europäischen Wirtschaftraum und der Dauerwahlkampf der SVP gegen die Europäische Gemeinschaft EG. Als Folgevereinigung ist die Schweiz als ehemaliges EFTA Mitglied als einziges Land dem EWR-Abommen von 1994 nicht beigetreten. Daraus folgte der Bruch mit der Europäischen Gemeinschaft und die Folgen, die der Schweiz daraus entstanden sind, u.a. der äusserst mühsame und zeitaufwändige bilaterale Weg, der der Schweiz viele Vorteile und Sicherheiten ermöglichte.

    Zu verantworten hat diese Situation m.E. vor allem die SVP unter der Führung des Grossindustriellen Christoph Blocher. Er hat in den 1980 Jahren aus der ursprünglich konservativen Bauern- Gewerbe und Bürgerpartei BGB eine rechtspopulistische und nationalkonservative Partei gemacht. Unter der Doktrin Blochers schürt diese Partei unermüdlich, mit viel Geld und Verunglimpfung anders Denkender, die Angst und Unzufriedenheit in der Schweizer Bevölkerung, so dass es bei Abstimmungen kaum noch Mehrheiten gibt und eine unbefriedigende Pattsituation entsteht. Sie verbaut mutwillig und mit falschen Argumenten unserer Regierung den Weg zu unseren Europäischen Nachbarn und schiebt die Schweiz damit immer mehr ins Abseits. Dieser Weg setzt unsere demokratischen Werte und unseren (noch) guten Ruf aufs Spiel. Diese Tatsachen sollten wir bei der nächsten Abstimmung unserer Volksvertreter berücksichtigen.

      • Geschätzte Frau Mosimann, just an meinem 80. Geburtstag werde ich zum ersten Mal nicht mehr einfach die fertige Liste der SP einwerfen. Lange sind wir den Weg gemeinsam gegangen, haben gekämpft, manchmal überzeugt und zumeist doch verloren. Aber in einer Partei, in der immer mehr die Emotionen hoch und das gegenseitige Verstehen klein werden, in der die «Diversity» wichtiger ist, als eine menschengerechte Politik, wird es zusehends schwierig. Nicht sexuelle Befindlichkeit, Kompetenz muss entscheiden. Es ist nicht irgendeine Abstimmungen, es sind Wahlen über die Zeit von vier Jahren.

        • Bei den nächsten Abstimmungen geht es nicht nur um die nächsten vier Jahre, es ist viel dramatischer. Wir bestimmen jetzt den Kurs, den unser Schiff fortan nehmen wird, denn unser Land ist gespalten und kaum noch manövrierfähig. Wir haben ein Parlament, das sich nicht von alten Mustern lösen kann und wir haben eine Regierung die sich kaum bewegt. Schubladisierungen und Schuldzuweisungen unserer politischen Parteien und passives Aussitzen überfälliger Entscheide unserer Regierung, verunmöglichen konkrete Fortschritte.
          Mir geht es wie Ihnen Herr Weber, die Übernahme einer fertigen Parteiliste darf uns nicht mehr genügen. Um die zukünftigen, weitgehenden und vielfältigen Aufgaben anzugehen, sind Politiker*innen notwendig, die fähig sind über ihren Schatten zu springen, um für das Gemeinwohl tragfähige Kompromisse zu schliessen. Es braucht integere und kluge Menschen, für die demokratische Werte und Mitverantwortung in Europa an erster Stelle stehen.

  2. Wer die Wahl hat,
    hat das Recht, jemanden zu beauftragen in seinem Sinn und Namen mitzubestimmen bei der Gestaltung des gemeinsamen Lebens im Land, dessen Bürger man ist. Ihre Schwester heisst die Pflicht und die Mutter der beiden ist die Mitverantwortung.

    Gut, landläufig sagt man ja auch « hat die Qual » und viele machen es sich einfach, zu einfach, sehr sogar. Wenn die Pflicht ansteht und die zahlreichen Listen auf dem Tisch liegen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

    Verweigerung: Mit der dümmlichen Entschuldigung, « die da oben, machen ja sowieso, usw » entledigt man sich der Last via Papierkorb. Man macht eben lieber die Faust im Sack oder ausserhalb, statt nachzufragen, wer denn in seinem Namen und auf seine Kosten nach Bern reist. «Kei Luscht», besonders stillos, war eigentlich einem inzwischen endlich zurückgetretenen Bundesrat vorbehalten.

    Abwägen: Ein grosser Teil der Wählenden hält sich an Gewohnheiten. Man wählt eben jene, « die man kennt », obgleich man eigentlich nicht mal mehr die Hälfte kennt. Trotz vierzig Arbeitsjahren im Kanton Zürich wählt man stramm traditionell. Einst ein Wirtschaftsmigrant, der trotzdem partout seinen sechzehntel Erbteil am elterlichen Heimetli in der Innerschweiz nicht vergessen will. Oder man packt eben die Liste ein, die den ewigen Frieden im hintersten Kaff im Tösstal verspricht. Verspricht, wohl verstanden!
    Für fast alle Anliegen gibt es eine Partei in unserer Schweiz. Aber «man muss ja nicht gleich heiraten», aber sich wenigstens dafür interessieren ist auch eine Pflicht. Natürlich gibt es in jedem Parteiprogramm Punkte, die einem nicht passen, nicht gefallen wollen. Aber wichtiger als irgendwelche Programme sind die Momente, in denen wir überzeugt sagen konnten: das hätte ich auch so entschieden!

    Nachdenken geboten: Vielleicht ist es dazu just die richtige Zeit, vielleicht sogar höchste Zeit. Panaschieren ist das Geheimnis, am allerbesten auf einer leeren Liste. Nur jene Personen einsetzen, die Interessen in deinem Sinn und Namen vertreten haben in den vergangenen vier Jahren. Vor allem, nicht die einzelne Partei entscheidet das Spiel, es ist der richtige Mix.

    Meine Meinung: Auch unsere Heimat kennt Oligarchen, besonders schweizerische. Zugegeben, sie vertreten ebenso Interessen, vehement sogar, allerdings nur die eigenen. Viele Bürgerliche denken manchmal auch sozial, an- und abschliessend. Viele Linke sind sozial, weil es gerade ihrer aktuellen Situation am ehesten entgegenkommt und manche wettern gegen das Auto, nur weil sie keinen Parkplatz finden. Jene die sich in der Mitte wähnen, meinen manchmal nur die Stange, an der die Fahne hängt. Ganz aussen links trauert man dem Kollektiv nach und in entgegengesetzter Richtung vertreibt man die Angst mit lautem Geläut. Kurz, die zukünftige Politik braucht von allem. Trotzdem, Einäugige, Ungläubige und Lernresistente haben im Orchester nichts zu suchen. In der Politik und nur in der Politik ist das gerecht.

  3. In der Schweiz hat das Volk das letzte Wort!

    Irgendwie versucht man, meine Kolumne falsch zu interpretieren. Nochmals kurz die Fakten:

    • Neutralität als Instrument zur Wahrung der Unabhängigkeit in der Bundesverfassung festgeschrieben. Jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger hat auch im Jahre 2023 die persönliche Freiheit nach seiner individuellen politischen Sicht und Façon «Schweizerin oder Schweizer» inmitten von EUROPA zu sein. Es gibt in unserem Lande kein Diktat der aufgezwungenen Meinung.

    • Ob wir es wollen oder nicht, wir sind nun mal auch als neutrale Schweiz Teil von EUROPA mit all seinen Vor- und Nachteilen.

    • Die Mehrheit der Schweiz wollte seinerzeit der EU nicht beitreten. Auch den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung 1992 ab.

    • Die Landesregierung setzt stattdessen im Auftrag des Wahlvolkes in korrekter Sicht auf Aktualisierung der bilateralen Verträge, die ihr den Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie das europäische Miteinander sichern.

    • Dass die politische Schweiz – «Die politische Schweiz steckt in der Klemme, sowohl aussen- wie innenpolitisch.» – angeblich in der Klemme sein soll, ist NICHT die Schuld einzelner Personen. Die Politik und der Stimmbürger w/m der neutralen Schweiz müssen unser Verhältnis zur Europäischen Union (EU) im Rahmen der gesetzlichen Leitplanken finden. Nochmals: Das Wahlvolk kann am Wochenende des 22. Oktober 2023 an der Urne indirekt entscheiden, in welcher Richtung das Verhältnis der zur EU im Rahmen unserer Bundesverfassung weiterverhandelt werden soll.

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