Im Jahr 1924 fand in Berlin die erste Internationale Funkausstellung (IFA) statt. Albert Einstein eröffnete die grosse Produkteschau. Im 99. Jahr zeigt die IFA wieder Angebote für Heim und Unterhaltung. Was aber ist wirklich neu? Ein Besuch war sie alleweil wert.
Lanciert wurde die IFA unter dem legendären Turm als Funkausstellung im Zeichen der aufstrebenden Radiobranche. Aus dem neuen Gerät tönte Musik und Stimmen sprachen in die Stube. Die Menschen gierten nach Programmen. Die Industrie wollte ihnen Empfangsgeräte verkaufen. Die IFA brachte sie zusammen. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts folgte ein weiteres Medium, das Fernsehen. Wiederum empfahlen Hersteller ihre neuen Geräte. Schon die Bilder in Schwarzweiss waren eine Sensation. Im Mittelpunkt der Stube stand fortan der TV-Empfänger. Und das Radiogerät zog in Küche, Schlafzimmer und Bad ein.
Viele Jahre nutzten die aufstrebenden Fernsehanstalten die Gunst der Stunde und gestalteten ihre Programme an der IFA live vor Ort. An den grossen Sonderschauen der ARD und des ZDF, später auch auf den Bühnen der privaten Veranstalter traten grosse Namen aus dem Showbusiness auf. Viel Publikum zogen auch junge, unbekannte und arrivierte Künstlerinnen und Künstler draussen im Sommergarten an. Die Arena mit der grossen Wiese war beliebter Treffpunkt für pausierende, hungrige Fachleute und Familien beim abwechslungsreichen Wochenendprogramm. Die IFA war Produkteschau und Unterhaltungsprogramm in einem.
Haushaltgeräte sind immer mehr Elektronikgeräte
In den ersten Jahren fand die Funkausstellung alle zwei Jahre statt. Denn, bei allem Fortschritt, so viel neues, für das sich eine Messe gelohnt hätte, gab es dann doch nicht jedes Jahr. Allmählich baute sich die sogenannte weisse Ware den Weg in die Messe. Geräte für Haushalt, Küche und Waschküche eroberten Jahr für Jahr Ausstellungsquadratmeter. Sie zog ein zusätzliches Publikum an, das sein TV- Gerät nicht jedes Jahr wechseln wollte und konnte und ohnehin schon in jedem Zimmer ein Radio- oder TV-Gerät stehen hatte. Die Branche florierte, die Besucherinnen und Besucher waren begeistert und der Messe ging es richtig gut.
Was ist heute noch wirklich neu?
So einfach geht das im Jahr 2023 nicht mehr. Radioprogramme werden auch über integrierte Musikanlagen, Bildschirme und Handys konsumiert. Die Fernsehprogramme nur noch teilweise dann, wenn sie ausgestrahlt werden. Und sowieso immer weniger am klassischen Empfangsgerät, sondern zeitverschoben auf Laptops, Tablets und Handys. Die Geräte für Haushalt und Waschküche sind perfektioniert und es gibt eines für jede Haus- und Küchenarbeit.
Altbekannte Marken: Kodak setzt jetzt auf Mini-Beamer (alle Fotos JB)
In dieser Landschaft von Mehr vom Gleichen eine Messe zu veranstalten, die auch noch Publikum begeistern soll, ist eine Herausforderung. Nach Querelen und Abgängen in der Geschäftsführung stand eine Zeitlang sogar Berlin als Messestandort zur Diskussion. Trotzdem ist der neuen Leitung mit der IFA 2023 eine imposante Produkteschau gelungen. Die auch organisatorisch klappte. Es gab mehr Eingänge und zum ersten Mal Badgekontrollen beim Eintritt in jede Halle. So können die Veranstalter den Publikumsfluss registrieren und die Ausstellung künftig verfeinern und noch mehr auf Publikumswünsche ausrichten.
Wenige grosse, viele kleine Aussteller
Beim Rundgang fällt zuerst auf, dass ein paar wenige Marken wie Philips, LG und viele andere die grossen Hallen füllen.
Interessantes, aktuelles Projekt: Das Smart Cottage ist ein kompaktes, vorgefertigtes Haus mit den modernsten Heizungs-, Lüftungs- und Klima-Energielösungen von LG und das die neuesten Smart-Home-Geräte und -Services enthält.
Daneben zeigen endlos viele kleine Betriebe Nischenprodukte, die für Einkäufer, die gezielt etwas suchen, sicher interessant sind. Für ein breites Publikum sind sie allerdings viel zu spezifisch, um eingeordnet werden zu können.
Auffallend ist die Präsenz von massenhaft Ausstellern aus China. Sie füllen ganze Hallen. Wie hochwertig die Ware ist, die sie anbieten, könnte erst nach Gebrauch beurteilt werden.
Eindrückliche Präsenz aus Asien
Von der Machart her erinnert vieles an bekanntes; vom Design her wird nicht klar, ob es sich um Artikel handelt, die bewusst im Vintage-Stil gehalten werden oder der europäische stilistische Geschmack bei den chinesischen Herstellern noch nicht angekommen ist.
Messe oder einfach Ausstellung?
Die IFA war immer stolz auf ihre Rolle als Neuheiten- und Ankündigungsmesse. Wer dieses Jahr gefragt wurde, was ist denn der grosse Trend sei, dem man mit Sicherheit im Weihnachtsgeschäft begegnen würde, wusste nicht wirklich eine Antwort. In diesem immensen Sammelsurium stach nichts wirklich hervor. Das muss nicht schuld der Veranstalter sein, sondern ein Zeichen der Zeit und ihres Überflusses, wo Neuheiten nur noch winzig sind. So hatte die riesige Produkteschau dieses Jahr auch etwas Steriles. Man könnte ebenso gut durch den Media Markt, den M-Electronics oder Fust laufen. Auch dort finden potentielle Käuferinnen und Käufer, schön aufgereiht, ein Produkt neben dem anderen und werden gut beraten.
Erleben statt bloss rumschauen
Eine schöne Produkteschau allein ist aber noch keine Messe. René Käppeli, langjähriger Direktor der St. Galler Olma war immer davon überzeugt, eine Messe sei dann erfolgreich, wenn die Besucherinnen und Besucher mit einem guten Erlebnis nach Hause gingen. Dann würde ihnen die Olma in positiver Erinnerung bleiben und sie würden auch nächstes Jahr wieder kommen.
Das sollten sie sich auf die Veranstalter der IFA zu Herzen nehmen. Denn Emotionen fehlten der IFA 2023. Keine ARD mit grossen Shows, kein Sommergarten mit einem attraktiven Programm. Die IFA 2023 wollte ganz nüchtern perfekte Ausstellung sein. Das war sie möglicherweise auch, aber das Publikum möchte auch Emotionen und etwas erleben, von dem man zuhause erzählen kann.
Wie wird sie wohl? Nächstes Jahr feiert die IFA ihr 100jähriges Bestehen.
So sind wir gespannt auf die IFA 2024, die Jubiläums-IFA, zu der uns die Messeleitung am Schluss bereits einlädt.