StartseiteMagazinKolumnenZweimal Alain Berset

Zweimal Alain Berset

Bundesrat Albert Rösti hätte die Veranstaltung am liebsten frühzeitig verlassen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter mochte nicht mitsingen. Immerhin: Bundespräsident Alain Berset hielt eine seiner besten Reden. Unsere Nachkommen werden sich fragen, wenn sie 2048 die 200-Jahr-Feier zu organisieren beginnen, warum die Schweiz eine so sonderbare Feier im Jahre 2023 zum 175jährigen Jubiläum der modernen Schweiz veranstaltet hatte. Im Nationalrats-Saal kamen sie zusammen, die Repräsentanten des Landes, das Volk war aussen vor. Ganz anders war es 1991, als  die «alte Eidgenossenschaft» gefeiert wurde, als sie vermeintlich 700 Jahre alt geworden war. Landauf landab feierten wir einen Mythos, von dem wir uns wider besseres Wissen nicht lösen können. Natürlich sind das Rütli, der Schwur auf der Wiese, Gessler, Tell, die hohle Gasse und viel später darauf gestützt der Rütli-Rapport von General Henri Guisan tief im nationalen Bewusstsein verankert. Die Legenden dürfen zweifellos überleben.

Die Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen Befindlichkeit der Schweiz aber ist notweniger denn je, genauso die Sicht auf 1848. So ist für Alain Berset «die Gründung der Schweiz 1848 ein Wurf, ein Wagnis, ein Akt der Zukunftseroberung. Ein scharfer Kontrast zu dem, was wir heute allzu oft erleben: Das vorsichtige Verwalten eines Status quo, dessen Status langsam erodiert.» (Siehe «1848 ist eine Inspiration» auf seniorweb.ch, wo die ganze Rede zu lesen ist).

Dass Berset in seiner Rede Ulrich Ochsenbein zu seinem Zeugen erhebt, kommt nicht von ungefähr. Ochsenbein, Präsident der Kommission, welche die Bundeverfassung 1848 auf den Weg brachte, in 51 Tagen, der Bundesrat war, davor zweithöchster General im Sonderbundskrieg. Er lebte vor, was Berset fasziniert, ihn in seine Nähe rückt: das Unkonventionelle, das Unerschrocken, gar das Waghalsige. Berset flog in Frankreich in eine militärische Flugverbots-Zone. Ochsenbein, sehr viel weiter gehend, wurde französischer General, als er in der Schweiz nicht mehr genehm war. Berset tritt wohl nicht zuletzt deshalb zurück, weil ihn seine Kolleginnen und Kollegen nicht ins Aussenministerium wechseln liessen.

Munter, gut aufgelegt, aber nicht weniger bestimmend sprach Alain Berset an der Eröffnung der Ausstellung »Sprachenland Schweiz» im Landesmuseum (siehe Artikel «Willkommen im Sprachenland Schweiz» auf seniorweb). Er wagte gar zu fordern, dass wir in der Sprache schlicht einfacher werden sollten.

Mark Twain habe einst geschätzt, wie lange eine sprachlich begabte Person für das Erlernen einer Sprache brauche. Für Englisch: 30 Stunden. Für Französisch: 30 Tage. Und für Deutsch: 30 Jahre. Wenn man Deutsch nicht vereinfache, habe Twain gewarnt, werde es unweigerlich zur toten Sprache werden – denn nur die Toten hätten genug Zeit, sie zu lernen…

Berset fragte sich: «Wieso gibt es zum Beispiel in der Deutschschweiz das Wort «Früh-Französisch» – aber in der Romandie und im Tessin kein «Früh-Deutsch»? «Liegt es vielleicht daran, dass Deutsch so schwierig ist, dass man es als Fremdsprache sowieso nie richtig lernen wird?»

Aber auch Französisch-Lernende müssten formidable Hürden überspringen, zum Beispiel den subjonctif passé: Bien qu’il ait atteint l’âge de la retraite, il continue à travailler.» (Obwohl er das Pensionsalter erreicht hat, arbeitet er weiter.) Berset merkte mit einem verschmitzten Lächeln an: «Das war eine Schleichwerbung für die finanzielle Entlastung des Rentensystems. Oder, in der deutschen Amtssprache: ein Rentensystementlastungsanregungsversuch.» Berset: «Sie sehen: Wir alle haben es schwer.» Wenn er ärgerlich werde, im Parlament verstanden werden wolle, so spreche er deutsch.

Nach Berset feiern wir dieses Jahr das wertvollste Gut, das wir haben: «ein politisches System, das einen raffinierten Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen und Identitäten in unserem Land gewährleistet». Dazu gehöre auch die Sprachenvielfalt, welche uns die Welt öffne, aber auch die Notwendigkeit bedinge, dass wir einander verstehen.

Alain Berset, wir haben verstanden. Und: Das Unkonventionelle wird uns fehlen…

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