Sich verbinden, sich vernetzen. Das zeigen 30 Jugendliche auf eindrückliche Weise in der von Hausregisseurin Suna Gürler inszenierten Uraufführung «jetzt, jetzt, jetzt» am Schauspielhaus Zürich.
«Dieser Abend, liebes Zürcher Theaterpublikum, ist vielleicht für eine ganze Weile die letzte Chance, sich einen gepflegten «woken Einheitsbrei» zu Gemüte zu führen.» Aufwachen in schwieriger Zeit, sich verbinden, sich vernetzen. Diese Option prägt die neue Inszenierung «jetzt, jetzt, jetzt» von Hausregisseurin Suna Gürler, die am Premierenabend im Pfauen von einem vorwiegend jugendlichen Publikum frenetisch beklatscht wurde.
Im Marschschritt über die Bühne
Vorgeführt wird ein imposantes Bewegungstheater mit 30 jugendlichen Laiendarstellern, die wortlos die leere Bühne in Beschlag nehmen, auf- und abschreitend sich vernetzen, sich wieder auflösen und sich wieder verbinden, immer begleitet von hämmernder Musik. Anfänglich betreten einzelne Darstellerinnen und Darsteller vom Zuschauerraum die Bühne, überqueren im Marschschritt diagonal die abgeschrägte Bühnenfläche und tauchen ab in den Untergrund. Nach und nach schleichen sich neue Bewegungsmuster ein, formieren sich die Spielenden zu einer geschlossenen Gruppe, die unermüdlich im Gleichschritt auf- und abschreitet, hin und wieder am Bühnenrand stehen bleibt und das Publikum teils faxenreich minutenlang fixiert. Dabei wird immer wieder zurückgezählt von 10 bis 1, damit jetzt, jetzt, jetzt etwas passieren möge.
Alle Spielerinnen und Spieler auf leerer Bühne, mehrfach abgelichtet.
Dieses monotone Auf und Ab verfehlt seine suggestive Wirkung nicht, zumal die Bewegungsmuster und die Gruppenbildung sich laufend verändern. Mal steigt einer aus, mal mehrere, dann fügen sie sich wieder in das kollektive Bewegungsgefüge ein. Auf ironische Weise wird Gruppendruck demonstriert, indem plötzlich einer im Anzug auftaucht und alle anderen sich im Durcheinander ebenfalls in schlecht sitzende Anzüge stürzen mit dem Vermerk, dass das Schauspielhaus über 1034 solcher Jacketts verfüge.
Abgesang auf den Pfauen?
Dann werden vor leerer Bühne kurze Textfragmente in Schweizerdeutsch verlesen, die mehrheitlich mit Blick in die Zukunft einem bitterbösen Abgesang auf den Pfauen gleichkommen. Das ist die Rede von «De Pfaue ..wär e Runie» oder «Händers ghört? De Pfaue hetti kei Decki meh» oder «Ich bin ja mit wokem Einheitsbrei gross worde und ich wür mich ehrlich gseit u fescht nach sonere währschafte Schtuckentwicklung sehne». Sarkastisch wird es, wenn den Abonnenten im Zuschauerraum, die die Aufführung «Scheisse finden», gewünscht wird, diese mögen in ein «dunkles Loch» stürzen. Ob solche ungehobelten Äusserungen der ansonsten packenden Inszenierung dienlich sind, bleibe dahingestellt.
Vor dem Theaterspiegel (vorne Enno Rennenkampff, hinten Rosa-Lin Meessen). Fotos: Zoe Aubry
Zum Schluss werden nochmals die mannigfaltigen Möglichkeiten der Verbindung zelebriert. Wild entschlossen und mit dröhnender Musik stampfen die jugendlichen Darstellerinnen und Darsteller schön choreografiert auf der Bühne umher und schwärmen schliesslich reihenweise ins Publikum aus. Ein kraftvoller, energiegeladener Schlusspunkt, der wohl zeigen will, dass mit den Jugendlichen bei der Gestaltung des künftigen Schauspielhauses zu rechnen ist.
Weitere Spieldaten: 30. September, 2., 5., 6., 21., 22., 24., 25., 28., 29. Oktober, 16., 17., 18., 19., 30. November, 2. Dezember