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Zu Besuch bei Mona Somm

Nach einer international erfolgreichen Karriere als Konzert- und Opernsängerin hat Mona Somm das CAS Musikgeragogik an der HSLU in Luzern abgeschlossen. Ihr Wunsch: Generell mehr Musik in der Altenpflege. Für sich selber: das Angebot musikgeragogischer Hausbesuche zur Entlastung pflegender Angehöriger. Seniorweb hat die St. Gallerin besucht.

Wir sitzen in einer heimeligen Altbauwohnung im St. Galler Quartier Lachen. Im Musikzimmer demonstriert mir Mona Somm ihre Arbeitsinstrumente: ein Klavier, ein grosses Xylophon, die Gitarre, Klaves, Caxixi, Maracas, verschiedene Handtrommeln und mehr. Auf dem Tisch steht neu eine Veeh-Harfe. An den Wänden hängen Fotos ihrer Familie, Kunstwerke, Requisiten. Der Raum wirkt heimelig, friedlich.

An der Gitarre.

«Hauptinstrument» aber sind Monas Stimmbänder. Seit ihrer Jugend singt die heute 54-Jährige leidenschaftlich gerne: «Ich kam über meine Stimme zur Musik. Singen ist bekannt als Psychohygiene und ich bin der beste Beweis. Im Singen tanke ich auf und entspanne mich. Durch Energie, welche die Musik mir gibt, wirkt sie wie ein Zauber auf meine innere Harmonie. In meinem Beruf als Musikgeragogin wirken insbesondere gemeinsames Singen, Musizieren, und Bewegung fördernd auf die Gesundheit, das Selbstbewusstsein und stärken das Gefühl der Identität.

Musik spendet Lebensfreude, steigert die Selbstwirksamkeit und Lebensqualität. Diese Form der kulturellen und sozialen Teilhabe integriert den Menschen und arbeitet recourcenorientiert und kreativ. Sie wirkt mitunter der sozialen Isolation entgegen.» sagt sie. Aktuell erweitert die Musikgeragogin ihr Wissen im Lehrgang APB als Pflege-Assistentin am BZGS in St. Gallen. «Nach dem Lehrgang möchte ich in der beruflichen Praxis erforschen, wie Musik sich in die Pflege integrieren lässt».

Mona Somm wurde in der Schweiz geboren. Nach ersten Studien in Luzern und Zürich folgte ein Studienaufenthalt in New York, an der «Manhatten School of Music» in New York. Dort besuchte sie die Gesangsklasse der Opernsängerin Mignon Dunn. Eva Krasznai-Gombos aus Basel begleitete die Schweizerin danach während zehn Jahren in der weiteren Laufbahn.

Erfolgreiche Wagner-Interpretin

Im Opernfach debütierte sie 2009 fulminant in ihrer ersten grossen Titelrolle als Elektra von Richard Strauss bei den «Tiroler Festspielen» in Erl. Das Festival spielte eine wichtige Rolle in der Laufbahn von Somm mit Titelpartien Richard Wagners wie der Venus aus dem Tannhäuser, Kundry in Parsifal, Ortlinde aus dem Lohengrin und der Brünnhilde aus dem Ring des Niebelungen. Mit Isolde aus der Oper Tristan und Isolde wurde ihre Karriere im hochdramatischen Wagnerfach 2015 gekrönt.

Konzentration am grossen Xylophon.

Die Zusammenarbeit in Erl war eine wichtige, aber auch leidvolle. Es war eine Geschichte der Macht und der Abhängigkeit. Im Jahr 2017/18 kam es durch die Entscheidung der Sängerin zum definitiven Bruch mit dem Festival. Danach stellte sich die Frage: Wo ist mein Platz, und wo ist die für mich sinnstiftende Aufgabe ausserhalb des harten und von Konkurrenz durchwirkten Operngeschäfts? Die Antwort kam nach langem Suchen und in Gesprächen mit Freunden.

Agogin – Musik – Musikgeragogin

Von Theo Hartogh und Hans Herman Wickel wurde im Jahr 2009 im Deutschen Münster die Gesellschaft für Musikgeragogik (DGfMG) gegründet, deren Ziele auf die Förderung der Aus- und Weiterbildung im Fach Musikgeragogik sowie die fachliche Weiterentwicklung der Musikgeragogik im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen ausgerichtet sind. 2020 wurde die Gesellschaft Musikgeragogik Schweiz (GMGS) gegründet. Das CAS kann in der Schweiz an der HSLU in Luzern absolviert werden. Musikgeraogik wird vom Altgriechischen abgeleitet und setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Gerais/Geraos, das mit «alt» bzw. «der Alte» und Ago, das mit «ich führe hin, ich geleite, ich zeige den Weg» übersetzt werden kann. Ein Förderbeitrag der Schweizerischen Interpretenstiftung (SIG) für ein zweites Standbein ermöglichte Mona Somm das CAS in Luzern.

«Musik in Beziehung»

Als Schwerpunkt begleitet und unterstützt Mona Somm durch die Musikgeragogik vorwiegend Menschen im hohen Alter und Menschen mit Demenz. «Auch Menschen welche bettlägerig sind, freuen sich sehr über die musikalischen Pausen, den Kontakt und die Möglichkeit, das Machbare zu erleben».

Schlaginstrumente gehören zu Monas Werkzeugen.

Musikgeragogik wird gern mit Musiktherapie verwechselt. Der Fokus der Geragogik liegt jedoch im Fall von Mona Somm in der Erinnerungsarbeit bei Menschen mit Demenz: Biografiearbeit für Personen im hohen Alter. Es ist der kreative Prozess des gemeinsamen Musizierens, welcher zur allgemeinen Gesundheit beiträgt. Es geht um das Entdecken, Erkennen und Fördern der Ressourcen im kognitiven, motorischen und emotionalen Bereich. «Das gemeinschaftliche Singen und Musizieren macht sinnerfüllte Zeit erlebbar. In meiner Arbeit steht der Mensch und die Freude im Zentrum. Ich gehe emphatisch, geduldig und situationsbedingt auf Personen ein. Die Kraft der Musik ist eine Quelle der tiefen Verbundenheit mit dem tönenden und klingenden Dasein. Aus ihr schöpfen wir gemeinsam Geborgenheit und Lebensmut. Singen ist Lebensfreude», so umschreibt die Musikgeragogin ihren Arbeitsethos.

Fachkundige Schulung

Mögliche Auftraggeber sind Wohn- und Pflegeheime sowie Familien, die ihre Angehörigen mit Einzel- oder Gruppenstunden unterstützen wollen. «Die Freiwilligenarbeit und die Singgruppen sind wichtig. Das ist jedoch nicht gleichzusetzen mit unserer Arbeit». Musikgeragogen sind laut Somm fachkundig und geschult. Musiker und Musikerinnen sowie Personen aus Sozial- und Pflegeberufen bilden sich gezielt in der Musikgeragogik fachlich weiter. «Ich habe meinen persönlichen Schwerpunkt gefunden und arbeite durch Musik in Beziehung. Bestenfalls anhaltend und regelmässig.»

Erinnerung an Musikstücke auch bei fortgeschrittener Demenz.

Bei Demenz kann in Einzelstunden und mit Hilfe der Biographiearbeit die Musik einen Zugang zur betroffenen Person schaffen. Sie bestätigt die Identität des Menschen durch das Arbeiten mit Liedern aus deren Vergangenheit. Damit will Somm sagen, dass ein Musikstück, das tief verborgen bei einer fortgeschrittenen Demenz immer noch in der Erinnerung verwurzelt ist, identitätsstiftend wirkt, seine Kraft entfalten kann und Trost spendet. In der Gruppenstunde liegt der Fokus auf dem Miteinander und der sozialen Inklusion.

Liedgut aus der Kindheit

Mona Somm sagt weiter: «Für Menschen im Alter und hohen Alter ist das Liedgut aus deren Kindheit und Jugend wichtig, und durch die Verbindung mit der Melodie werden oft mehrere Strophentexte präsent und sogar vollumfänglich gesungen. Musikstücke, wie ein Lieblingsschlager, eine Marschmusik, ein Chorlied oder vielleicht auch eine Opernarie sind mit positiven Erlebnissen verbunden. Sie schenken Geborgenheit. In einem Heim wär es optimal, wenn in der Gruppenstunde, abwechselnd 1-2 Personen aus dem Pflegepersonal eingeladen sind, um daran teilzunehmen. So erleben alle gemeinsam eine neue Ebene, und es fördert Leichtigkeit im Alltag».

Die Sängerin bietet darum auch Singen für das Personal an. Im Erlernen alter Volkslieder können unkundige Pflegerinnen und Pfleger anschliessend mittels Singen dieser Lieder eine gezielte Brücke schaffen, um zur Erinnerung vorzudringen und auch hier identitätsstiftend zu wirken. «Warum nicht auch während der täglichen Pflege gemeinsam singen?» findet Somm.

Häuser mit Pioniercharakter

Vorbilder in Sachen Musikgeragogik sind für sie das Pflegezentrum Uetikon am See (Haus Wäckerling) sowie das Maria-Martha-Stift in Lindau am Bodensee. In beiden Pflegeinstitutionen hat die Musikgeragogik einen festen Platz und erhält die ihr zustehende Beachtung in der Betreuung alter Menschen weit über die wöchentliche Singstunde hinaus.

«Wie würde sich der Alltag in Heimen verändern, wenn Musikgeragoginnen und -geragogen in Anstellung jeden Tag mit ihren Kompetenzen anwesend wären?» Sie arbeiten musikalisch und mit dem Rhythmus. Die Bewegung und das Aktivieren des Körpers sind ebenfalls Teil der Praxis. «Ich möchte grosszügig sein beim Arbeiten. Auch einmal einfach die Hand halten, da sein. Ich frage mich oft: Wie fühlen sich die Tage, Wochen, Monate und Jahre für Bewohnende im Heim wohl an?»

Diverse Schlaginstrumente aus Monas «Werkzeugkiste».

Derzeit arbeitet die Musikgeragogin in einem kleinen Pensum in der «Stiftung Halden» in St. Gallen. «Die Uhr ist meine grösste Feindin. Ich möchte oft mehr Zeit für alle haben. Spontanität und Flexibilität sind für die Arbeit sehr wichtig, denn ich weiss nie, wie die Tagesform der Betagten ist. Vier Einzelbesuche innerhalb meiner drei Stunden Arbeit entsprechen vier Sitzungen à 30 Minuten. Schon die erste Sitzung dauerte situationsbedingt 45 Minuten. Weiter geht es zum nächsten Besuch. Ich laufe Etagen hoch und runter. Ist jemand nicht im Zimmer, suche ich die Betreffenden. In der Frühstücksküche treffe ich heute meine dritte Bewohnerin und es ergibt sich spontan, dass wir zu fünft einige Lieder singen. Danach ein Kurzbesuch bei einer bettlägerigen Dame mit der Veeh-Harfe, doch da wartet noch jemand! Ein persönliches Geburtstags Ständchen für eine Jubilarin. Das muss sein! Die Zeit – schon längst um. Nach dem Mittag leite ich nach meiner vierten Einzelsitzung eine Gruppe. Sie ist beinahe immer sehr gut besucht. Die 60 Minuten erfordern eine präzise Vorbereitung. Engagiertes Singen und Musizieren, dabei sein und zuhören, willkommen sind alle. Dankbarkeit strahlt mir entgegen.»

Mona Somms Wunsch: «Es wäre erfreulich, wenn sich die Musikgeragogik vermehrt und grosszügig in Institutionen einen Platz erobern könnte. Sicher kann auch eine Musikgeragogin nicht vier Stunden unentwegt musizieren, aber die Formen der musikalischen Begleitung in einem Heim, auf einer Station, können sehr vielfältig und unterschiedlich sein. Damit Musik wirksam ist, muss sie gezielt eingesetzt werden. Keine Dauerberieselung aus der Konserve im Hintergrund über Stunden. Musik schwingt im Menschen, im Raum. Diese Schwingungen reichen über die Töne hinaus. Sie verändert die Atmosphäre, das allgemeine Wohlgefühl und die Gesundheit. Ich habe viele Ideen, um mit meiner Kreativität und Erfahrung, Neues zu schaffen. Ich bin fest überzeugt, dass Musik die beste Medizin ist. Auch mein Leben bestand immer aus Musik.»

Titelbild: Mona Somm an der Veeh-Harfe: Mit musikalischen Einzel- und Gruppenstunden im Heim oder zu Hause schenkt sie Betroffenen sowie Angehörigen eine wohltuende Auszeit und schöne Momente. Fotos PS.

LINK

Mona Somms Webseite

www.sommona.ch/musikgeragogik/angebote

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