StartseiteMagazinKolumnenWo die Schweiz zu Israel steht

Wo die Schweiz zu Israel steht

Zufällig waren wir an einem Tisch zusammengekommen, weil wir an die Feier zum 85.Geburtstag eines Freundes geladen waren. Nicht zufällig waren aber die Gesprächsthemen. Spott vergoss sich über die korrigierten, nachgelieferten Resultate zu den Nationalrats-Wahlen. Der Skeptiker am Tisch: «Die können ja nicht mal rechnen im Bundeshaus, wie sollen die regieren können.» Einer versuchte zu relativieren: «Die Zahlen aus den kleinen Kantonen waren nicht kompatibel mit denen der anderen, der grösseren Kantone…». Seine weiteren Erklärungen gingen im Gelächter unter.

Tatsächlich: Seit dem letzten Mittwoch ist alles wieder im Lot. Die «grosse Siegerin», die SVP, wie sie die Medien hochschrieben, ist jetzt etwas kleiner. Die SP etwas grösser. Die FDP sieht sich ein Mü vor der Mitte, auch wenn sie weniger Mandate als ihre Konkurrentin in der Bundesversammlung aufweisen wird. Und selbst die Grünen fühlen sich jetzt etwas besser als noch am letzten Wahlsonntag und sind nun ganz mutwillig geworden, so steigen sie gar, wenn auch aussichtslos, ins Bundesrats-Rennen. Vorhersehbar: zum späteren Gaudi meiner Runde.

Nüchtern betrachtet war es in der vergangenen Legislatur der Bundesrat, der regierte, gar per Notrecht, wie  bei der Pandemie, bei der Energieversorgung und zuletzt beim Niedergang der Crédit Suisse. Das wird auch in den nächsten vier Jahren angesichts der aktuellen Weltlage nicht anders sein. Und letztlich ist jeweils das Volk, das bestimmt. So hat das Parlament den Stellenwert, der ihm zukommt; es hat zu legiferieren. Und hat nicht den Stellenwert, welcher jetzt die Medien dem Parlament zuschreiben.

Ernsthaftigkeit machte sich breit, als unversehens ein neues Thema die Tischrunde zu beherrschen begann: Israel und die Hamas. Der asymmetrische Krieg zwischen Israel mit seiner regulären Armee und der Hamas, der Terroristen-Organisation, wird zum zentralen Prüfstein: Wer steht zu wem und wieso? Zum demokratisch verfassten Staat Israel oder zu den skrupellosen Terroristen, die in einer paramilitärischen, vermeintlichen «Staatsmacht» organisiert sind, die sich bewusst unter die Bevölkerung im Gaza-Streifen mischen und damit «ihre» Menschen in höchste Gefahr bringen, statt sie zu befreien, wie sie laut vorgeben. Die Diskussion geht wild durcheinander, nimmt bizarre Züge an. Israel soll den Gaza-Streifen schleifen, soll die  Bevölkerung vertreiben, die eh hinter der Hamas stehe. Israel habe dazu kein Recht , selbst nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israelis. Im Gegenteil. Israel habe mit seiner Siedlungspolitik, mit seiner Annektierung palästinensischer Gebiete den brutalen Überfall offensichtlich provoziert. Nein, Israel hat das Recht dazu, der Staat muss sich wehren, muss die Sicherheit seiner Landesleute garantieren, hat aber das Völkerrecht zu respektieren. Es wird trotz dieser wilden Diskussion immer deutlicher: Es gibt keine einheitliche Sicht auf den Konflikt, insbesondere auf die Frage der Schuld. Es kristallisieren sich drei Positionen heraus: Die uneingeschränkte Sicht, dass Israels das alleinige Opfer ist. Die andere extreme Position sieht eindeutig die palästinensische Bevölkerung als das Opfer der verfehlten Politik der Israelis. Und die dritte, welche Israels Ziel, die Hamas  zu vernichten, zwar gutheisst, aber die israelische Armee zur Einhaltung des Völkerrechts mahnt. Weltpolitik im Kleinformat. Mitnichten. Abbild der Realität weltweit, ja.

Und eines wird zudem deutlich, der aktuelle Informations- und Wissenstand über die komplexe Historie ist sehr unterschiedlich, nicht nur in unserer kleinen Runde, sondern weltweit. Dennoch beharren fast alle auf ihrem Standpunkt. Irgendwie haben alle den Wunsch, klar zu sehen: Wer sind die Guten, wer die Bösen. Es wird immer offensichtlicher: Die Jüdinnen und Juden, während Jahrhunderten verfemt, im Nazi-Reich Deutschland damals millionenfach ermordet, brauchen ein eigenes Land in sicheren Grenzen. Die Palästinenser während  Jahrzehnten vertrieben, eingekesselt brauchen ein eigens Land in sicheren Grenzen. Schon oft war das Ziel nicht so weit entfernt. US-Präsident Clinton hatte es in den letzten Wochen seiner Amtszeit beinahe geschafft. Wie wäre es, wenn jetzt dann nach diesem grausamen Überfall der Hamas, nach der tödlichen Vergeltung der Israelis die Einsicht weltweit wachsen würde, dass eine Zweistaaten-Lösung Frieden in den Nahen Osten bringen würde?

Derweil möchten die Kommissionen des National- und Ständerates den Bundesrat dazu bringen, dass er die Hamas verbietet, sie so weltweit ächtet. Rechtlich kann er das sofort nur mit Notrecht tun. Er kann also in solch weltpolitischen, aktuellen Lagen zeitgerecht regieren, ihm sind keine Hände gebunden. Das ist an sich auch gut so. Nur: Die Delegation der Schweiz hat an der UNO-Generalversammlung mit dem Einverständnis von Bundesrat Cassis der UNO-Resolution zugestimmt, in der aus humanitären Gründen ein Waffenstillstand gefordert wird, ohne dass die brutale Terroraktion der Hamas auch nur erwähnt wird. Die USA lehnten deshalb die Resolution ab, Deutschland enthielt sich der Stimme. Besteht nun die Gefahr, dass der Bundesrat mit zwei Ellen misst, sich in Widersprüche verstrickt, sollte er die Hamas sofort verbieten? Wenn ihm das Recht zusteht, aussenpolitisch zeitgerecht zu entscheiden, hat er auch die Pflicht, offen und vorbehaltlos zu kommunizieren. Bundesrat Cassis hat sich also zu erklären, wo die offizielle Schweiz wirklich steht: Auf der Seite der Israelkritiker oder auf der Seite Israels oder dazwischen? Für die Diskussionen am Familientisch, im Freundeskreis wäre es zumindest ein Orientierungspunkt.

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2 Kommentare

  1. Diese verbalen und auch tätlichen Schlägereien, die dieser Konflikt ausgelöst hat, haben wir den Medien zu verdanken. Wie konnten sie diese schrecklichen Gewaltbilder in Umlauf bringen und dadurch diese Menschen verachtende Hetze entfachen? Haben Medienschaffende keine Moral und kein Gewissen mehr, alles nur aus Gier nach Sensationen, Likes und Einschaltquoten? Mich schaudert beim Gedanken was für Auswirkungen und Langzeitfolgen dieses unregulierte World Wide Web in Zukunft noch zu Tage fördert.

    Jeder Krieg und das damit verbundene Elend vernichtet humanitäres Denken, Handeln und Fühlen auf Generationen hinaus. Hat man(n) nichts gelernt aus der Vergangenheit? Gewalt ist niemals die Lösung.

  2. Ein freier Bürger soll die Möglichkeit haben, sich seine eigene Meinung bilden zu können. Dazu muss er die Standpunkte aller Parteien kennen, im vorliegenden Fall nicht bloss das, was heute gesagt und getan wird sonern was während der letzten 75 Jahre ablief. Jeder kann gemütlich auf dem Sofa sowohl das israelische Fernsehen als auch Al Jazirah anschauen (wenn er Zeit und Lust dazu hat) und so zumindest beide Standpunkte ein bisschen verstehen. Wohl wissend, dass keine Seite nur die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt.
    Rechtlich gesehen, stehen wir insofern vor einer neuen Situation, als die Hamas (und der Hezbollah) ihre Raketen und Drohnen fast ausschliesslich aus Spitälern, Altersheimen, Schulen und Kindergärten abfeuern. Gemäss heutigem «Recht» darf der Angegriffene die Abschussrampen vernichten, darf dabei aber Spitäler, Altersheime, Schulen und Kindergärten nicht beeinträchtigen.
    Die Zivilbevölkerung in Gaza wurde bekanntlich von Israel aufgefortert, diese potentiellen Ziele zu verlassen und von der Hamas genötigt dort zu bleiben, wobei eine Evakuation in Anbetracht des israelischen Bombenhagels praktisch ohnehin unmöglich sei.
    Und für uns Schweizer ist es unmöglich, uns hier eine ojektive Meinung zu bilden………
    .
    Doch wem «gehört» eigentlich das Land zwischen Hermon und Negev, zwischen Mittelmeer und Jordan?
    Soviel ich weiss in den letzten 2 Jahrtausenden zuerst den Römern, dann den Byzantinern, Omeyaden, Abbassiden, Kreuzrittern, Osmanen und Engländern. Einen Staat Israel oder einen Staat Palästina gab es während jener Zeit nie.
    Dummerweise versprachen dann die Engländer sowohl den dort lebenden Palästinensern als auch den immigrationswilligen Juden einen eigenen Staat. Auf demselben Territorium. Und was machten die Engländer, als es zum Krieg zwischen diesen beiden Völkern um dasselbe Land ging: filer à l’anglaise.
    Und was tat die UNO? Sie nahm Israel in den Grenzen von 1948 als vollwertiges Mitglied auf und verabschiedete in der Folge Hunderte von Resolutionen, einmal gegen Israel, einmal gegen die Palästinenser. Sie wurden weder von der einen noch von der andern Seite ernst genommen……..

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