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Gedenken an den Tod

An Allerheiligen und Allerseelen gedenkt die Kirche der Verstorbenen und lädt die Trauernden zu einer Grabbegehung ein. Der Tod eines lieben Menschen lässt die Hinterbliebenen schweigen. Stille umgibt sie. Es ist nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Der Tod ist eine unabänderliche Tatsache. Die Trauer nimmt von Menschen Besitz. «Wer aber den Tod denkt, denkt das Leben». Du siehst sie lachen und tanzen. Kehrst mit einem guten Gedanken in die Stille zurück.

Es ist fast paradox. Der Abschied wird zur Wiedergeburt. Wie sollte der Mensch endgültig gestorben sein, wenn du ihn nicht vergessen kannst? Auf Todesanzeigen steht oft: «Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man durch den Tod nicht verlieren». Dieses Wort ist nicht einfach ein Trost. Es drückt aus, dass ein geliebter Mensch zu einem Teil geworden ist, an den man sich erinnert, solange man lebt.

Der Dichter drückt es im Gedicht aus:

Als sie noch sagen wollte,
sie habe ihn
trotz allem geliebt,
streichelte  
sie leise
seinen Nasenflügel. 
Das Auge fiel zu
und
sie kehrte nicht mehr zurück.

Diese eine Geste – sie streichelte ihm leise den Nasenflügel – sagt: Es war gut mit ihm zu leben.

Über die letzten Dinge lässt sich oft nur in Bildern sprechen. Ich widmete einem Freund, einem hochgeschätzten Menschen und hervorragenden Lehrer ein Gedicht*, in das ich sein tiefes Wort einbaute:

Nach dem Sinn des Sinns
fragten wir,
ohne klare Antwort.

Die Todesanzeige fragt:

Wohin gehen wir?
Nach Hause,
immer nach Hause.

Die Erde ist unser Haus.
Kann es auch
Der Himmel sein?

Versagt das nüchterne Wort, kommt dem Menschen die poetische Sprache zu Hilfe. Auf fast jeder Todesanzeige findet sich ein Gedicht oder ein Sinnspruch. Auf der Seite der Todesanzeigen füllt die NZZ die grafische Lücke immer mit einem kürzeren oder längeren Gedicht aus, welches die Stimmung der Leere trägt. Da treten bekannte Lyriker wie Mörike, Eichendorf, Fontane und weitere auf. Oft ist es ein Haiku, ein kurzes feines Wort, das mehr sagt, als lange Prosa. Poesie steht oft für das Schweigen in schwerer Situation.

Bei der Danksagung erklingt Musik, die der Verstorbene geliebt hat. Oft sind es zärtliche Weisen von einer Violine, von einer menschlichen Stimme, von einem Fagott oder von der Orgel. Jüngst ehrten die Jagdhornbläser einen Kollegen mit Signalen wie «Aufbruch zur Jagd» oder «Der Hirsch ist tot!» und mit längeren «Halalis». Mit einer Jodler-Messe gedenken Kollegen und Kolleginnen einem ihrer Mitglieder.

Musik hat ihre eigene Sprache. Sie nimmt die Klangfarbe der Tauer auf und überträgt Schwingungen auf die Anteilnehmenden. Musik konzentriert ihre Gedanken auf das Leben, das einmal war. Dadurch erhält die Danksagung ihren Sinn. Es geht nicht um die Zukunft, sondern um die zusammen erlebte Vergangenheit.

Auf das Gedicht

Wenn du gehst
Und du kommst nirgends an.
Wer bist du dann?

lautet die Antwort nun endgültig und unveränderlich: Du bist der, der du gewesen bist. Oder mit Victor Hugos Worten: «Du bist nicht mehr dort, wo du warst. Aber du bist überall, wo wir sind.»

*Barfuss, Bucher Verlag Hohenems.

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1 Kommentar

  1. In trüben Herbsttagen kommen unweigerlich Gedanken an den Tod, auch bei mir. Poesie kann helfen, Gedanken der Trauer über bereits Verstorbene und die eigene Endlichkeit, in Worte zu fassen.
    Ich denke an meine Jugendliebe und ersten Ehemann, den ich als Letzte am Abend vor seiner Einäscherung im Krematorium noch einmal sehen wollte. Er war in einer kleinen fensterlosen Kammer mit Kunstblumen abgestellt. Ich strich ihm über seine kurzen Haare und er streckte mir, noch in der Todesstarre nach einem Herzinfarkt, seine Arme entgegen. Ich wollte spüren, ob seine Seele oder Energie noch um ihn war. Beim Krebstod meiner Mutter mit 66 Jahren habe ich diese Energie bei meinem letzten Besuch im Spitalzimmer deutlich gespürt. Diese unvergesslichen letzten Momente mit meinen ehemals wichtigsten Menschen haben mir geholfen, mich zu verabschieden und sie schliesslich ziehen zu lassen.
    Der Tod sollte uns nicht erschrecken. Er verbindet uns mit dem Universum und ist lediglich ein Übergang in eine neue Daseinsform. Oder wie Professor Harald Lesch (ZDFmediathek) es einmal so schön formulierte, der Mensch besteht aus Sternenstaub und wird nach dem Tod wieder zu Sternenstaub, die Energie aber geht niemals verloren. Das verstehen auch Kinder gut und das Bild von der Seele der Verstorbenen im Himmel ist plausibel und kann ein grosser Trost sein.

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