StartseiteMagazinKulturDer Porträtist von Giacometti

Der Porträtist von Giacometti

Das Kunsthaus Zürich würdigt «Ernst Scheidegger. Fotograf», einen der bedeutendsten Schweizer Fotografen der Nachkriegszeit, mit einer Ausstellung zum 100. Geburtstag. Frühe teilweise erstmals veröffentlichte Aufnahmen sind zu entdecken, darunter zahlreiche Künstlerporträts.

Wer erinnert sich nicht an das Antlitz Alberto Giacomettis auf der alten 100-Franken-Banknote, herausgegeben 1998, und fotografiert von Ernst Scheidegger. Ernst Scheidegger (1923-2016) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts. Sein Schaffen, auch als Verleger, Galerist, Bildredaktor, Filmemacher und Maler, wurde 1992 in einer Ausstellung im Zürcher Kunsthaus vorgestellt. Nun steht sein Frühwerk im Zentrum, darunter zahlreiche Künstlerporträts.

Ernst Scheidegger (2012). Foto: Monica Boirar, Wikimedia Commons

Ernst Scheidegger besuchte die Fotoklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich bei Hans Finsler, ein Verfechter der «Neuen Sachlichkeit» in der Fotografie. Als Assistent bei Werner Bischof, mit dem er sich befreundete, löste er sich dann vom streng formal-ästhetischen Vorbild seines Lehrers und setzte den Menschen ins Zentrum. Auf seinen Reisen in Frankreich, Italien oder in den Niederlanden fing er mit seiner Kamera das Volksleben auf den Strassen ein, Zirkusartisten, Strassenkinder, Heilsarmee, Waisenhäuser. Poetische Alltagsschilderungen.

Ernst Scheidegger, Metzgerei in Süditalien, um 1948

Zwischen 1952 und 1955 war Scheidegger als Magnum-Reporter unterwegs. Eine Arbeit, verbunden mit Risiken. 1954 kam sein Freund Werner Bischof bei einem Autounfall in den peruanischen Anden ums Leben. Nur neun Tage später starb Robert Capa in Vietnam, als er auf eine Mine trat. Eigentlich war Scheidegger für die Reportage in Vietnam vorgesehen, wurde aber nach Ägypten abberufen.

Ernst Scheidegger, Hausfassade mit Gedenktafel für eine im Krieg gefallene Frau, Tschechoslowakei, um 1946. (rv)

Der Tod seiner Kollegen und Freunde traf ihn so tief, dass er die Tätigkeit als Fotoreporter bei Magnum aufgab und einen Lehrauftrag an der Hochschule für Gestaltung in Ulm annahm. In der Folge arbeitete Scheidegger als Sach- und Werbefotograf, auch als Gestalter von Büchern, Ausstellungen sowie als Werbe- und Dokumentarfilmer. Der Sachlichkeit verpflichtet, knüpfte er stilistisch an Hans Finsler, seinen ersten Lehrer an der Kunstgewerbeschule, an. Sein fotografisches Frühwerk schloss er 1956 ab und archivierte es.

Ernst Scheidegger, Schneiderinnen bei der Anprobe, vermutlich Ende 1940er Jahre. (rv)

Im Kabinett im historischen Moser-Bau sind rund 80 Schwarz-Weiss-Fotografien ausgestellt, die teilweise zum ersten Mal öffentlich zu sehen sind. Ergänzt werden diese Neuabzüge durch Vintage Prints, von Scheidegger selbst realisierte und signierte Originalabzüge. Kuratiert wurde die Schau von Sammlungskonservator Philippe Büttner.

Ernst Scheidegger, Alberto Giacometti malt seine Frau Annette im Atelier in Stampa, 1961. (rv)

In den 1950er Jahren zog es Scheidegger nach Paris. Hier hatte er zahlreiche Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern, die er porträtierte. Am bekanntesten sind die Aufnahmen von Alberto Giacometti, den er 1943 während des Aktivdiensts im Engadin kennenlernte. In Paris besuchte er ihn im Atelier in Montparnasse, aber auch in Stampa, wo er die ganze Familie fotografierte. Seine Aufnahmen von Giacometti sind weltbekannt und prägen nicht nur das Bild des Künstlers, sondern auch jenes von Scheidegger selbst. In der Ausstellung ist Alberto Giacometti ein eigener Bereich gewidmet, auch mit Arbeiten von ihm.

Ernst Scheidegger, Alberto Giacometti malt Isaku Yanaihara in seinem Pariser Atelier, 1959, Vintage Print. 

Die Künstlerporträts entstanden ab Mitte der 1950er Jahre, meistens im Auftrag von Kunstzeitschriften wie Cahiers d’art oder Du. Ebenso wichtige Auftraggeber waren die Pariser Galerie Maeght für ihr Publikationsprogramm, die NZZ für die Wochenendbeilage sowie Museen für Ausstellungskataloge.

Ernst Scheidegger, Joan Miró arbeitet an einer Plastik in seinem Atelier in Montroig, um 1953 

Ernst Scheidegger gilt als «der fotografische Künstlerporträtist der Moderne par excellence», schreibt das Zürcher Kunsthaus. Durch seine Nähe zur Kunst war es ihm möglich, Künstlerinnen und Künstler in ihrer vertrauten Umgebung, im Atelier, bei ihrem künstlerischen Schaffen als naher Beobachter zu fotografieren. Immer respektvoll, auch in ihren Eigenheiten. Er dramatisierte nicht, vielmehr vermitteln seine Aufnahmen die Atmosphäre und die Präsenz kreativer Prozesse.

Ernst Scheidegger, Germaine Richier in ihrem Pariser Atelier, um 1953 

Auch wenn nicht alle seine Kontakte zu Porträts führten, was er selbst bedauerte, entstand doch eine einzigartige Sammlung: Aufnahmen von Schweizer Kunstschaffenden wie Varlin, Fritz Glarner, Verena Loewensberg oder Jean Tinguely. Durch seine weitreichenden Kontakte fotografierte er auch Oskar Kokoschka, Hans Arp, Joan Miró, Salvador Dalí oder Marc Chagall. Einzelne der ausgestellten Porträts werden ergänzt mit Werken aus der Sammlung des Kunsthauses.

Bilder: ©Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv Zürich © ProLitteris, Zurich 

Bis 21. Januar 2024
«Ernst Scheidegger. Fotograf». Im Kunsthaus Zürich
, Kabinett im historischen Moser-Bau
Publikation zur Ausstellung mit verschiedenen Beiträgen und zahlreichen Abbildungen, Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2023, CHF 51.00

Die Ausstellung wird anschliessend im MASI Lugano gezeigt

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