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Ohne Insekten kein Leben auf der Erde

Mit einer neuen Ausstellung unter dem Titel «Insektensterben – Alles wird gut» zeigt das Naturhistorische Museum Bern auf, wie die grosse Katastrophe abgewendet werden kann. Statt Probleme werden Lösungen präsentiert.

Die neue Sonderausstellung des Naturhistorischen Museums Bern (NMBE) hat nicht zufällig einen provokativen, aber unüberhörbar optimistischen Titel. «Insektensterben – Alles wird gut» spielt im Jahr 2053 und zeigt, welche Lösungen ergriffen werden müssten, damit wir die grosse Katastrophe abwenden könnten. Statt den Mahnfinger zu heben, porträtiert die Schau inspirierende Menschen, die an einer besseren Zukunft arbeiten – für die Menschheit und für die Insekten.

Die Zahlen sind erschreckend: Den stärksten Rückgang an Insekten stellten Forscherinnen und Forscher auf landwirtschaftlich genutzten Flächen fest. Aber auch im Wald findet das Insektensterben statt. Die Insekten-Biomasse in Wäldern hat zwischen 2008 und 2017 um 41 Prozent abgenommen. In den Wiesen war der Rückgang mit 67 Prozent sogar noch grösser. Wir befinden uns in einem globalen Artensterben mit einem Ausmass, das sich mit dem letzten Massensterben vor sechzig Millionen Jahren vergleichen lässt, als die Dinosaurier von der Erdoberfläche verschwanden.

Keine Rettung für den Flinkläufer

Modellberechnungen zeigen, dass die bergbewohnenden Arten des Flinkläufers (Titelfoto) in rund 20-30 Jahren aussterben werden, wenn nichts unternommen wird. Grund: Sie verlieren derzeit 50-80 Prozent ihrer Lebensräume.

«Auf Mücken kann ich gut verzichten!», heisst es schnell einmal. Dabei sind wir Menschen auf jedes Insekt angewiesen, auch auf Mücken. Wenn ein Insekt nicht gerade eine wichtige Rolle in der Bestäubung und somit für unsere Nahrung spielt, dann stellt es für andere Tiere eine bedeutende Nahrungsquelle dar, etwa für Vögel und Amphibien. Zudem sorgen die Insekten dafür, dass abgestorbene Pflanzen sowie Aas zersetzt werden und somit das Gleichgewicht in der Natur gewahrt bleibt. Kurz gesagt: Ohne Insekten gibt es kein Leben auf der Erde.

Das Auto des Försters, immer unterwegs zum Schutz des Waldes und seiner Bewohner.

Mit ein Grund für die Dezimierung zahlreicher Insekten sind der Klimawandel und das Waldsterben. Im Schweizer Mittelland leidet vor allem die Fichte unter den steigenden Temperaturen. In ihren Ästen hausen besonders sensible Insekten. Wenn der Baum stirbt, werden seine Bewohner obdachlos. Deshalb müsste, so wird in der Ausstellung angemahnt, auch die Holzwirtschaft neu definiert und verändert werden.

Eine weitere Massnahme ist die Erhaltung der Artenvielfalt: Eintönige Wälder sind Schädlingen und klimatischen Veränderungen besonders stark ausgesetzt.  Um dem Insektensterben Einhalt zu gebieten, muss die Holzwirtschaft auf einheimische Bäume setzen. Gebietsfremde Baumarten wie Douglasien liefern zwar Holz, bieten aber keine Lebensräume für hiesige Insektenarten, weil sich diese nicht angepasst haben.

Vom Pestizidforscher bis zur Landwirtin

Nach dem Grosserfolg der Ausstellung «Queer — Vielfalt ist unsere Natur» nimmt sich das NMBE erneut einem höchst aktuellen, gesellschaftspolitisch relevanten Thema an. Dies geschieht auf eine überraschende sowie provokativ-optimistische Weise: Die Ausstellung entführt die Besuchenden in die Zukunft, genauer ins Jahr 2053. Von dort blicken sie zurück auf unsere Gegenwart, in der es zahlreiche wirkungsvolle Ansätze und Initiativen gegeben hat, die das grosse Insektensterben abgewendet haben. So lautet das optimistische Szenario.

Einkaufen im Hofladen: Da weiss man, was man kauft.

In fünf individuell gestalteten Räumen zu den Themenfeldern «Landwirtschaft», «Pestizide», «Klimawandel», «Faszination Insekten» und «Lebensräume» spricht je eine Person, die im Jahr 2023 an der Rettung der Insekten beteiligt war. Über Kopfhörer, aber auch durch zu entdeckende bildliche Informationen ist zu erfahren, was die Expertinnen und Experten initiiert haben. Zu den Protagonisten gehören ein Förster, ein Pestizidforscher, eine Landwirtin, eine Gruppe von Aktivisten und ein Insektenspezialist.

Von veränderten Lebensräumen und toten Nützlingen

Faszination Insekten: Ein Insektenforscher erzählt.

Der ehemalige NMBE-Kurator Hans-Peter Wymann lädt die Besuchenden an seinen Küchentisch ein, wo er mittels Audioaufnahmen von seiner Faszination für Insekten erzählt. Die Vielfalt und Einzigartigkeit dieser Lebewesen steht hier im Zentrum – ganz gemäss dem Motto: Man schützt, was man liebt.

Im Raum zu den Pestiziden empfängt Alex Aebi die Gäste in einem Labor. Hier erklärt der Pestizidforscher, warum die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln in der Natur unmöglich in einer Laborumgebung nachvollziehbar getestet werden können. Zu komplex sind die verschiedenen Mechanismen, die sich gegenseitig beeinflussen. Verschiedene Studien und Informationstafeln zeigen auf, wie hierzulande verbotene Pestizide ins Ausland verkauft werden und so über Umwege – etwa in importiertem Tierfutter – wieder zurück in unser Ökosystem gelangen.

Pestizide: Notwendig oder verzichtbar in einer nachhaltigen Landwirtschaft?

Pestizide töten nicht nur unerwünschte Schädlinge, sondern auch Nützlinge. In einem nachgebauten Stall wartet das Themenfeld «Landwirtschaft» auf die Gäste. Landwirte aus der ganzen Schweiz geben Einblick in ihre insektenfreundlichen Betriebe, in denen die einen auf <Rotationsweidesysteme> und die anderen auf <Mosaiklandwirtschaft> setzen. Auch die grossen Problemfelder werden hier thematisiert – etwa Subventionszahlungen, die mit Milliardenbeträgen die Schädigung der Biodiversität fördern.

Im Raum «Klimawandel» wird aufgezeigt, wie die Erderwärmung die Lebensräume der Insekten beeinflusst. Im Bereich «Lebensräume» werden Massnahmen erwähnt, die ergriffen werden, um eben diese zu schützen.

Der Prophet und der Weltuntergang

Franz Hohler mahnt.

Den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannt der Schriftsteller Franz Hohler. Im Jahr 2053 blickt Prophet Hohler auf sein Lied «Der Weltuntergang» von 1973 zurück, das in der Ausstellung zu hören ist und aus heutiger Sicht erschreckend aktuell wirkt. Für die Ausstellung hat er eine neue Version geschrieben, die nicht minder aufrüttelt, weil sie die Besuchenden zurück in die Gegenwart schickt. In dieser wartet ein Workshopraum mit vielseitigem Rahmenprogramm und Tipps für Eigeninitiativen auf die Gäste.

Taten statt Worte

Es gibt in der Ausstellung auch Erfreuliches zu berichten: In der Westschweiz haben sich rund zwanzig Gemeinden zusammengetan, um ihre Gebiete für Pflanzen und Tiere aufzuwerten. Die Behörden haben erkannt, dass für den Schutz der Natur nicht nur Verbesserungen der technischen Infrastruktur nötig sind, sondern auch ökologische: Statt bloss um Wasserleitungen und Verkehrskreisel kümmern sie sich auch um Wiesen und Bäume. <Förderung der Biodiversität> heisst das Thema.

Eigeninitiative fördern

Die NMBE-Ausstellung will nicht nur zum Handeln animieren, sondern auch selbst als gutes Beispiel vorangehen. Aktuell wird der gesamte Museumsgarten im Sinne der Biodiversität umgestaltet – in Zusammenarbeit mit dem geplanten Museumsquartier Bern. Beim Bau der Raumelemente wurden rezyklierbare oder wiederverwendete Materialien verwendet. Und ab Frühjahr 2024 gastiert ein Pop-up-Marktstand der Firma «Flora di Berna» auf dem Museumsgelände, der regionale Wildblumen zum Kauf anbietet, die in üblichen Gartencentern oft schwierig zu finden sind.

Das Logo der Berner Ausstellung

Kuratiert hat die Sonderausstellung Simon Jäggi. Der Historiker und Sänger der Band «Kummerbuben» war bisher für die Kommunikation des NMBE zuständig. Mit der neuen Sonderausstellung dürfte er an frühere Erfolge anknüpfen. Neu wurde eine «Kinderspur» geschaffen, welche die jungen Museumsbesuchenden mit einfachen Informationen spielerisch abholt, während sich deren Eltern gleichzeitig in die grosse Menge an Wissen vertiefen können.

Titelbild: Flinkläufer sind eine aussterbende Spezies. Foto: Francisco Welter-Schultes.  Restliche Fotos: NMBE Nelly Rodriguez

LINK zur Ausstellung, die bis 2. November 2024 gezeigt wird.

Naturhistorisches Museum Bern

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