Mancher Mittwoch hat es in sich: Der Bundesrat tagt. Oft rätselt die Bundeshaus-Journalistenschar schon Tage davor, was die Landesregierung beschliessen könnte, oder ob sie sich beispielsweise in der Europafrage endlich bewegen wird.
Am letzten Mittwoch war es wieder einmal so weit. Endlich bestellte der Bundesrat beim Aussenministerium ein Verhandlungsmandat, mit dem in Brüssel über das Verhältnis der Schweiz zur EU verhandelt werden soll. Wenn es bereit und bereinigt ist, der Bundestat sich dahinter zumindest mehrheitlich versammeln kann, soll es losgehen in Brüssel, nach 11 Sondierungsgesprächen, die sich beinahe über 3 Jahre hinzogen. Obwohl niemand, ausser dem Bundesrat und den direktinvolvierten Mitarbeitenden, die möglichen Inhalte kennt, das Mandat gar erst noch formuliert werden muss, lud die Arena zum Schlagabtausch.
Und es kam, wie es kommen musste: ein nutzloses Palaver, wie schon unzählige Mal vorgeführt. Thomas Aeschi, der Faktionschef der SVP, weiss schon jetzt alles und viel besser und weiss vor allem, dass die SVP so oder so dagegen ist. Nico Lutz, der Gewerkschaftsvertreter, weiss es auch und droht eloquent und bestimmt mit einem Nein, weil schon jetzt für die Gewerkschaften klar ist, dass der Bundesrat im Mandat den Lohnschutz nur halbherzig aufführen wird. Und da haben wir es wieder: eine unheilige Allianz von links und rechts. Einen Lichtschimmer gab es in der Arena auch, als die Baselbieter Mitte-Nationalrätin und Wirtschaftsvertreterin Elisabeth Schneider-Schneiter zu Besonnenheit mahnte, die Streithälse Aeschi und Lutz zur Vernunft aufrief, klatschten die anwesenden Zuschauer laut und anhaltend das einzige Mal in der Sendung. Aeschi und Lutz werden es wohl in ihrem Eifer kaum bemerkt haben, die Zuschauerinnen und Zuschauer aber schon.
Nicht minder aufmerksam verfolgten die Medien, wie trickreich Bundesrat Albert Rösti der Halbierungs-Initiative der SVP begegnen will, die er selbst als damaliger Nationalrat mitlanciert hat. Die Gebühren für Radio und Fernsehen sollen nun von 335 nur auf 300 Franken gesenkt werden. Also weit weniger stark als dies die Initiative verlangt, welche eine Reduktion auf 200 Franken fordert. Pikant ist nun, dass der Bundesrat auf dem Verordnungsweg in alleiniger Kompetenz die Reduktion auf 300 Franken beschliessen kann. So muss Bundesrat Rösti mit dieser angekündigten Vorleistung seine SVP-Herkunft nicht ganz verleugnen. Als Bundesrat ist er wohl auch gescheiter, angepasster geworden und zur Einsicht gelangt zu sein, dass eine Kürzung auf 200 Franken für die SRG zu einem Kahlschlag führen würde. Ob die SVP nun ihrem halben SVP-Bundesrat in dieser Frage folgen und ihre für die SRG vernichtende Initiative zurückziehen wird, ist mehr als fraglich.
So kommt an einer einzigen Bundesrats-Sitzung zum Vorschein, wie widersprüchlich die stärkste Partei der Schweiz, die SVP, politisiert. In der Europafrage setzt sie auf die möglichst grosse Unabhängigkeit, gar auf die Isolation der Schweiz. In der Medienpolitik will sie das einheimische Schaffen der SRG markant schwächen, in der Kultur, der Unterhaltung, im Sport, wo sie nur kann, indem sie der SRG die dazu notwendigen Mittel entziehen will. Sie stärkt damit nachhaltig die Konkurrenz, nicht die der Schweizer Regional- und sonstigen Sender, sondern die Grossen aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. Medienpolitisch führt die SVP damit die Schweizer Zuschauerschaft in die europäische Medienlandschaft, wo die Schweizer Politik schon jetzt kaum Beachtung findet. Dort werden wir nur noch mit Marco Odermatt, auch noch mit Roger Federer, sicher aber mit der Schwyzer Pop-Schlagersängerin Beatrice Egli vertreten sein, die schon jetzt – ab und zu gar mit Schwyzerdütsch – zur besten Sendezeit im ersten deutschen Fernsehen ARD am Samstagabend – eine riesig Fangemeinde und erstaunlicherweise gar die deutschen Medien begeistert, wohl auch, weil sie sich ungeahnt kompetent, locker, auch bodenständig vereinnahmend präsentiert, fast schweizerisch, wie uns die Deutschen am liebsten sehen. Sicher nicht verschont bleiben wir, wenn irgendwelches Finanzgebaren in der Schweiz die Medien weltweit erregt, wie beim Fall der Crédit Suisse, oder wenn wir bei europäischen Waffen-oder Munitionslieferungen an die Ukraine weit abseitsstehen. Dann eben erst recht, gar mit etwas Schadendfreude.
Eine solch widersprüchliche Politik, wie sie die SVP in der Medienpolitik – im Gegensatz zur Europapolitik – praktiziert, ist eines nicht: schweizerisch.
dort, wo im parlament die svp-leute sitzen, wurde der ja-knopf wegen nichtgebrauchs entfernt.