StartseiteMagazinKolumnenElisabeth Baume-Schneider - mit Risiko zum Guten?

Elisabeth Baume-Schneider – mit Risiko zum Guten?

Ist es ein herzhaftes Zupacken oder schlicht eine Flucht? Eines ist klar: Elisabeth Baume-Schneider wechselt – rekordverdächtig kurz – vom Justizdepartement ins Department des Inneren EDI. Und unumstösslich ist auch: Sie ist für 4 Jahre gewählt. Der Gesamt-Bundesrat hat dem Wechsel zugestimmt, ob freudig oder widerwillig, ist offen, noch. Die Medien sind am Recherchieren.

So kann man schockiert sein, wie das viele am letzten Donnerstagabend waren, als der überraschende  Wechsel per Pressemitteilung kurz und bündig – ohne Begründung – vermittelt wurde. Viele schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und gaben laut von sich, insbesondere im Bundeshaus: «Wie kann das nur sein, was ist denen eingefallen?» Es ist jetzt schlicht Realität. Und eines spricht für Elisabeth Baume-Schneider: Sie hat schnell und im Geheimen, ohne Medienspekulationen, schlicht und einfach zugegriffen. Zum Erstaunen der ganzen Schweiz. Ist das ihrer Entschlossenheit, ihrer Durchsetzungskraft zuzuschreiben, die bis jetzt alle bei ihr vermissten, insbesondere die Medien? Führungseigenschaften jedenfalls, die sie im EDI ab dem ersten Tag mehr als nur gebrauchen wird. Und das ist ihr letztlich zu wünschen. Auch in unserem Interesse.

Ich habe in meiner Kolumne vor einer Woche geschrieben. «Auf jeden Fall wird der Bundesrat oder die Bundesrätin, der/die Alain Berset nachfolgt, über keine 100 Tage Schonzeit verfügen, um im Departement des Innern EDI zurechtzukommen.» So dachte ich beim Schreiben nicht nur an einen Mann, an Beat Jans oder Jon Pult, sondern auch an eine Frau. Ich ging gedanklich alle drei Frauen im Bundesrat durch und fragte mich, welche käme in Frage? Karin Keller-Sutter schied sofort aus, zu ehrgeizig, zu machtbewusst; sie wird das prestigeträchtige Finanzdepartement auf keinen Fall verlassen. Viola Amherd schon eher. Sie hat neben Finanzierungsorgen bei ihren grossen Rüstungsvorhaben gewichtige Personalprobleme im Verteidigungsdepartement VBS zu lösen. Sie konnte bislang für ihr neues,  prestigeträchtiges Staatssekretariat für Sicherheitspolitik aus der Garde der hohen Schweizer Diplomaten noch keinen unbefleckten Kandidaten finden, der die notwendige Sicherheitsüberprüfung überstanden hat. Die Gründe: Beziehungsprobleme und daher erpressbar. Sie hat weiter zu suchen. Davon wollte sie wohl nicht flüchten, schon gar nicht als nicht gerade gut gewählte Bundespräsidentin 2024.

Ich dachte sogar an Elisabeth Baume Schneider, die von vielen  SVP-nahen Bauern im Parlament mit in die Landesregierung gewählt worden war, weil sie den Mannen harmloser, pflegeleichter erschien als Eva Herzog, die strenge, tüchtige und erfolgreiche Finanzpolitikerin aus Basel-Stadt, die zudem «nicht grüsst». Und jetzt sind es gerade wieder Mannen aus denselben Kreisen der SVP – aus und ausserhalb des Parlaments -, die sie wegen ihrer Migrationspolitik massiv attackierten. Und damit gruselige Mails von fremdenfeindlichen Zeitgenossen mit auslösten. Sie könnte davor und deshalb aus dem EJDP fliehen. Ich verwarf den Gedanken, bevor ich ihn niederschrieb, zu unprofessionell, weil zu unwahrscheinlich schien mir. Und siehe da. Sie hat es getan. Mutig, selbstbewusst, auf  ihre Erfahrung vertrauend.

Kommt sie nicht vom Regen in die Traufe? Schon möglich. Die Altersvorsorge und die Gesundheitspolitik, die beiden Grossbaustellen in ihrem neuen Departement, werden sie total herausfordern. Und es ist ihr zu wünschen, dass sie Mitarbeitende um sich scharen kann, um den Herausforderungen auch Herr, nein Frau zu werden. Sie kann sich an ihren Mentor, an Pierre Yves Maillard anlehnen, den wohl kompetentesten Gesundheits-und Sozialpolitiker der Schweiz, und sich von ihmn beraten lassen, aber zu welchem Preis? So kann sie auch scheitern.

Sie wäre nicht das erste Bundesrats-Mitglied. Erinnert sei nur an Rudolf Friedrich, an den FDP-Bundesrat, der wie Baume-Schneider in einer Nachwahl 1982 gewählt und bei den  Gesamterneuerungswahlen 1983 bestätigt worden war, dann aber bereits im August 1984 das Handtuch warf, nach nur insgesamt 20 Monaten im Amt. Er war nie richtig im Bundesrat angekommen. In seinem Kampf gegen die Subversion, aus Moskau gesteuert, liess er die Büros der sowjetischen Presseagentur Nowosti schliessen.  Weil aus dem Umfeld von Bundesrat Willi Ritschard ein entsprechendes Geheimpapier an die Öffentlichkeit gelangte, misstraute er Ritschard, der sich mit jungen dynamischen Mitarbeitenden umgeben hatte. Die Beiden wurden nie warm miteinander. Auf der  einen Seite der volksnahe, beliebte Ritschard, auf der anderen der Alleingänger, der oft selbst in der FDP isoliert war. Offiziell  trat Friedrich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Als eifriger Leserbriefschreiber blieb er während Jahren in der Öffentlichkeit präsent. Das Beispiel macht deutlich, wie wichtig ein gutes Einvernehmen im Bundesrat ist.

Eines ist Elisabeth Baume-Schneider jetzt los: die Migrationspolitik, die hat nun Beat Jans am Hals. Jans wird aber auch in der Europapolitik, in der Frage der Freizügigkeit eine wichtige Rolle zu spielen haben. Und auch das ist gut so. So bekommen der zögerliche Aussenminister Ignazio Cassis, der SVP-eingebundene Guy Parmelin zur rechten Zeit einen Mann an ihre Seite, der Europa kennt, grenzüberschreitende Erfahrungen mit Frankreich und Deutschland hat. Was ja gerade jetzt so wichtig ist, weil es nun endlich mit dem bundesrätlichen Verhandlungsmandat bei der Europafrage ans Eingemachte geht. Hoffnungsfroh betrachtet, kann die überraschende Verteilung der Departemente sogar ihr Gutes haben.

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7 Kommentare

  1. Es ist das erste Mal, dass ich beim Lesen Ihrer Kolumne den Kopf schütteln musste und kurz dachte, ob ich mich wohl in eine Boulevardzeitung verirrt habe. Ich staune über Ihre Wort- und Auswahl die vermeintlichen Eigenschaften und Absichten der Neugewählten und den Departementswechsel von Frau Baume-Schneider. Es schien fast als ob Sie gar etwas beleidigt wären, dass BR Baume-Schneider «im Geheimen» und ohne vorher die Medien zu informieren, sich die Freiheit herausnahm, zum EDI zu wechseln, obwohl in früheren BR-Neuwahlen ein Wechsel durchaus öfters vorkam.

    Bundesrätin Baume-Schneider äusserte auch nichts über ihre Beweggründe, also sind alle diesbezüglichen Verlautbarungen reine Spekulation und geht überdies nur den Gesamtbundesrat etwas an, da dieser mit der Veränderung ja einverstanden sein musste. Ob Frau Baume-Schneider mit ihrem Departementswechsel vom «Regen in die Traufe» kommt und man ihr keine «100 Tage Schonfrist» zubilligen wird, zeigt die unbarmherige Schreibweise des heutigen politischen Journalismus. Geradezu despektierlich und wenig schmeichelhaft finde ich Ihre Bemerkung, Frau Baume-Schneider könne sich ja dann an ihren Mentor Herrn Maillard «anlehnen» und weiter, sie wäre nicht die Erste die «das Handtuch» vorzeitig werfen würde.

    Auch mit Ihren einseitigen Überlegungen über die anderen drei Bundesrätinnen, die Sie im «Kopf durchgingen» als mögliche Vorsteherinnen des EDI und so nebenbei erwähnt, dass die Vorsteherin des VBS Viola Amherd bislang für ihr neues Staatssekretariat für Sicherheitspolitik noch keinen «unbefleckten Kandidaten» finden konnte, finde ich überflüssig und sie widerspiegeln in keiner Weise deren nachgewiesenen Regierungs- und Führungsqualitäten.

    Die Würfel sind gefallen, die neue Zusammensetzung des Bundesrates ist Realität. Lassen wir doch die Leute in Ruhe beginnen und ihren verantwortungsvollen Job machen und geben ihnen jetzt die nötige Unterstützung und das Zutrauen, als sie schon im zum voraus zu zerpflücken und zu kritisieren. Frühestens in vier Jahren sind wir in der Lage zu beurteilen, ob der Gesamtbundesrat und unsere Volksvertreter, das Parlament, seine Sache gut gemacht hat und zum Wohl und im Sinne unserer demokratischen Werte gehandelt hat.

  2. Gott sei Dank sind Sie, chere Madame, im letzten Abschnitt wieder auf der Erde gelandet. Da sind Ihnen die Pferdchen aber ganz schön durchgebrannt. Die Welt des Justizdepartementes ist BRn Baume-Schneider offensichtlich fremd geblieben; bref, sie wirkte hilflos. Aber die Baustellen, die ihre wenig erfolgreiche Vorgängerin hinterliess, zeigte, dass die Problemen nicht leicht lösbar sind. Schon gar nicht im Gegenwind der SVP und deren Adlaten. Der Wechsel stand ihr
    auch zu, zumal niemand anders zur Verantwortung stehen mochte.
    Erinnern wir uns an BRn Sommaruga: Ebenfalls scheinbar harmlos und
    am Ende die glaubhafteste Bundesrätin der Schweiz. Möglicherweise landen auch andere bald wieder auf den Füssen, vielleicht hat sich die Rechte einmal mehr überschätzt.

  3. Es ist leider so, dass unsere Regierung einen harm- und hilflosen Eindruck macht. Denn dank unseres Kollegialsystems stehen eben alle sieben MitgliederInnen in der Regierungsverantwortung , so dass das Versagen in der Asyl- oder Europa- oder der Verteidigungspolitik nicht nur das Versagen von Frau Schneider oder Herrn Cassis oder Frau Amherd zeigt, sondern ebenso sehr die eklatante Schwäche des Gesamtbundesrates bestätigt, in dem ohnehin Karin Keller-Sutter als einzige ihren «Mann» stellt und ihr Gremium zu überzeugen weiss.

  4. Ganz recht Monsieur Weber, die Medienberichterstattungen der letzten Wochen zum Thema Regierungsbildung haben meine Geduld und Toleranz arg strapaziert und meine «Pferdchen», wie Sie es so treffend formulieren, Fahrt aufnehmen lassen. Ich schätze die Kolumnen von Herrn Schaller wirklich sehr aber, dass er nun auch in diesen Boulevardjournalismus, insbesondere auf Kosten der Frauen im Bundesrat abzweigt, hat mich doch erstaunt und auch empört. Wenn schon eine Auslegeordnung, dann bitte auch von den Herren im Bundesrat. Der Neue im EDI, Beat Jans, hat im Gegenzug schon Vorschusslorbeeren bekommen, da man annimmt, dass er «es» mit seinen Beziehungen zum Ausland schon richten wird.
    Und da bin ich ganz bei Herrn Hübscher. Unsere Regierung scheint ein zahnloser Tiger zu sein. Ich weiss wovon ich rede, ich bin Skorpion im Sternzeichen und Tiger im chinesischen Horoskop. Der Gesamtbundesrat ist nur so gut wie seine Mitglieder. Eine unglaubliche Chance, vieles unter einen Hut zu bringen. Wir sollten diese Entscheidungsträger unterstützen und dankbar sein, dass wir nicht unter einem Regime von Putin und Konsorten leben müssen.

  5. Also mich hat der Wechsel von Mme Baume-Schneider gar nicht überrascht. Sie war im Polizeidepartement offensichtlich überfordert. Persönlich habe ich sehr Mühe mit ihrem etwas exaltierten Gehabe. Sie wird weiter Probleme haben im EDI, sie war in meinen Augen sowieso eine schnelle Notlösung der SP. Diese Partei puscht die Frauen, was mir aber als ‹gestandene Frau› mit Lebenserfahrung gar nicht passt. Der leider nicht vorgeschlagene und auch nicht gewählte Herr wäre die beste Lösung gewesen.

  6. Eben, schön auf dem Boden bleiben. Nicht nur, dass niemand so richtig glücklich sein kann mit dem aktuellen Bundesrat. Gewählt sind die Frauen und Männer vom Parlament und das sind Damen und Herren, die aus Eigeninteresse, aus Überzeugungen – ob die uns nun gefallen oder nicht – und vielleicht auch ein paar mit einer veritablen Profilierungsneurose die nächsten vier Jahre in unser aller Namen nach Bern fahren. Eine Wahl setzt eine Auswahl voraus und die gab es doch gar nicht wirklich.
    Frau Mosimann, Maillard als Beratender von Mme Baume-Schneider ist beste Wahl, tatsächlich eine Kapazität. Das weckt Hoffnungen. Die von Werner Hübscher so hoch gelobte KKS hat den Deal mit der UBS/CS auch nicht selbst erfunden. Sie ist lediglich ostschweizerisch tüchtig. Dieselbe Dame verspricht der Wirtschaft Milliarden und spart vor allem an den Sozialwerken. Jaquie Bisaz pflichte ich bei, Frau sein ist noch keine Qualifikation, aber vielleicht eine Chance. Was eine gestandene Frau auszeichnet, kann ich nicht beurteilen, schliesslich bin ich ein “alter grauer Mann”.

    • Lieber «alter grauer Mann», ein bisschen viel Gerede von Frauen und Männern in dieser Debatte, obwohl ich das durch meine Kritik an den Worten von Herrn Schaller vermutlich in Gang gebracht habe. Es geht doch zuerst um politische Ämter und adäquates meistern der anstehenden Aufgaben, ob von Frau oder Mann. Ich habe weder an den Einen noch an den Anderen ein persönliches Interesse, sondern wieder einmal nur die Hoffnung, dass jede und jeder Gewählte sein Bestes gibt für unsere Demokratie und für ein Gleichgewicht in unserer vielfältigen Gesellschaft. Ihre «alte graue Frau» mit den besten Wünschen für ein friedliches 2024.

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