Die Schweizer Fotostiftung in Winterthur zeigt in einer Doppelausstellung frühe, bisher ungesehene Farbfotografien von Werner Bischof sowie eine Dokumentation zum Lebenswerk von Rosellina Burri-Bischof – zwei Ausstellungen, die sich perfekt ergänzen.
Von Werner Bischof (1916–1954), einem international herausragenden Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts, kennt man vor allem eindrucksvolle Schwarzweissbilder, die in unzähligen Artikeln des Du oder in anderen Publikationen veröffentlicht worden waren. Farbbilder aus seiner relativ kurzen Schaffensperiode von 1946 bis 1954 sind kaum bekannt. Mit der Ausstellung Unseen Colour und dem dazugehörenden Bildband geht die Fotostiftung Schweiz in Winterthur auf seine weitgehend unbekannten Farbbilder ein.
Die unbekannten Farbbilder von Werner Bischof
Seine bekanntesten Bilder zeigen Reportagen aus dem im Krieg zerstörten Europa, die Hungersnot in der indischen Provinz Bihar, die zivilen Opfer des Koreakriegs oder das zwischen Tradition und Moderne zerrissene Japan.
Bei all diesen Gelegenheiten hat Werner Bischof sowohl schwarzweiss als auch farbig fotografiert, doch nur wenige Farbfotos wurden in Ausstellungen oder Artikeln veröffentlicht, da Farbdrucke vor sieben Jahrzehnten noch zu aufwändig waren. Die Ausstellung Werner Bischof – Unseen Colour zeigt einen von Marco Bischof, dem Sohn des Fotografen und Tania Kuhn neu entdeckten Archivbestand, der nun erstmals öffentlich zugänglich gemacht wird: Es handelt sich um einige Hundert Glasnegative, die Werner Bischof ab 1939 mit der Devin Tri-Color Kamera aufgenommen hatte. Die Schau ist ein Projekt von MASI Lugano und Werner Bischof Estate in Zusammenarbeit mit der Fotostiftung Schweiz.
Drei Epochen – drei Kameras
Die Ausstellung ist in drei Epochen gegliedert, die in einem direkten Bezug zur technischen Entwicklung der Kameras stehen.
Mit der Dreifarbenkamera unterwegs
1939 experimentierte Werner Bischof mit der umständlichen Devin Tri-Color-Kamera und den dazugehörenden Glasplatten. Diese sogenannte Dreifarbenkamera ermöglichte die gleichzeitige Belichtung von drei lichtempfindlichen Schwarzweissplatten hinter entsprechenden Farbfiltern, wonach ein Farbauszug (Blau, Grün und Rot) resultierte, der bei der Reproduktion auf Papier übereinander gedruckt wieder zu einer Farbabbildung führte. Abgesehen von ersten Experimenten im Bereich der Werbe- und Sachfotografie setzte er die Dreifarbenkamera vor allem für seine Reportagen durch das kriegszerstörte Europa ein – Bilder, die damals in Farbe gedruckt eine Sensation waren.
Farbnegativfilme und die Rolleiflex erleichtern die Arbeit
1947 wurden die ersten Farbdia- und Farbnegativfilme in Europa erhältlich, was die Farbfotografie nicht nur erschwinglich machte, sondern auch vereinfachte. Werner Bischof wechselte für seine Reportagen im Mittleren Osten (zur Dokumentation der Hungersnot in Bihar), in Japan und im Indochinakrieg (für Paris Match) zur weitaus handlicheren Rolleiflex und das Negativformat 6×6 cm. Die Kamera hatte zudem den Vorteil, dass man von oben in den Sucherschacht blickte, was das unbemerkte Fotografieren begünstigte. Zudem gestattete das quadratische Bildformat für die spätere Verwendung der Bilder eine freie Ausschnittwahl für Hoch- oder Querformate.
Die Leica und das Kleinbildformat sind für Reportagen ideal.
Die immer besseren Farbfilme liessen auch die Verwendung kleinerer Negativformate zu. So setzte sich die Leica mit ihrem Format 24 x 36 mm in der Reportagefotografie nach 1948 sehr schnell durch, mit den Vorteilen, dass die Kameras sehr klein waren, die Verwendung unterschiedlicher Objektive zuliessen und die Filme für 36 Aufnahmen in handlichen Patronen konfektioniert waren. Werner Bischof hat in den 1950er Jahren vor allem die Leica IIIc für seine Reportagen verwendet, auch für seine letzte Fahrt durch die peruanischen Anden 1954, von der er nicht mehr zurückkehrte.
Für Werner Bischof war die Farbe ein wichtiges Ausdrucksmittel, das zu einem bedeutenden und nach wie vor unterschätzten Teil seines fotografischen Schaffens wurde. 1952 bekannte er in einem Brief an seinen Freund Robert Capa: «Mag sein, dass die Art der Farbfotos, die ich im Sinn habe, nicht dem Geschmack der Editoren entsprechen, – nicht ‚sweet’ genug sind. Aber ich kann nicht und werde es nicht tun, – mich dem Geschmack der Editoren zu unterwerfen. Ich bleibe in meinem Herzen immer ein Maler, der an den Dingen vorbei in Farben sieht, der sich immer begeistern lässt von der Fülle und dem Reichtum menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten und der immer ein wenig wehmütig die Begrenzung der Kamera sieht.»
Rosellina – Leben für die Fotografie
Dass die Fotostiftung Schweiz parallel zur Ausstellung Werner Bischof – Unseen Colour die Ausstellung Rosellina – Leben für die Fotografie präsentiert, ist kein Zufall, sondern eine wohlüberlegte thematische Ergänzung.
Rosa Helene Mandel (geb. 1925), Rösli genannt, wuchs als Einzelkind ihrer tschechischen Mutter Anna Prazak und ihres ungarischen Vaters Moses Mandel in Zürich auf. Nach Kriegsende und abgeschlossener Ausbildung als Kindergärtnerin zog es sie über die heimatliche Grenze hinaus, um im zerstörten Europa Hilfe zu leisten. 1946 lernten sich Rösli – in Italien nun Rosellina genannt – und Werner Bischof auf der Durchreise in Mailand kennen. Die beiden teilten ihren Wunsch, sich für humanitäre Anliegen zu engagieren, aber auch ihre Sensibilität gegenüber Kunst und Fotografie. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz heirateten sie 1949. Rosellina begleitete Werner auf seinen Reisen und kümmerte sich fortan um die Verbreitung seines fotografischen Schaffens.
Rosellina pflegte ein persönliches Beziehungsnetz mit den wichtigsten Persönlichkeiten der damaligen weltweiten Fotoszene, darunter Robert Capa und David Semour, mit denen Werner und Rosellina Bischof den «Fund of Concerned Photography» gründeten
Als Werner 1954 während einer Reportage tödlich verunglückt, bewahrt Rosellina seinen Nachlass und führt die Verbreitung seines fotografischen Werkes mit Ausstellungen und Publikationen weiter. Aufgrund ihrer Verbundenheit mit dem Fotografenkollektiv Magnum Photos wirkt sie 1956 bis 1968 als Leiterin der Fotoagentur Magnum Photos Schweiz in Zürich. Als Gründungsmitglied der Fotostiftung Schweiz spielt Rosellina Burri-Bischof (1925-1986) eine zentrale Rolle für die Geschichte der Fotografie in der Schweiz. Mit zahlreichen Fotoausstellungen leistet sie Pionierarbeit in der Vermittlung und Förderung der Fotografie. Das Engagement dieser charismatischen Persönlichkeit wird mit Fotografien sowie Dokumenten und Korrespondenzen aus dem Rosellina Archiv präsentiert und gewürdigt.
Rosellina kümmerte sich um die Verwaltung und Verbreitung der Aufnahmen ihres Mannes und begleitete ihn auf seinen Reisen
«Es gab wohl keinen Namen wie den von Rosellina Burri-Bischof, der in unserem Land auf gleich liebenswerte wie phantasievolle und folgenreiche Weise mit der Photographie verbunden bleibt», schrieb Hugo Loetscher 1986.
Die Fotostiftung Schweiz würdigt gemeinsam mit dem Rosellina Archiv den bedeutenden Beitrag von Rosellina Burri-Bischof (1925–1986) zur Schweizer Fotografie. Die Ausstellung ist kuratiert von Tania Kuhn, Rosellina Archiv & Werner Bischof Estate, und Alessa Widmer.
Die Ausstellung zeigt eine Reihe privater Bilder von Rosellina und bekannten Fotografieförderern, wie Manuel Gasser, Hugo Loetscher, Cornell Capa, Roberto Venzago und Inge Bondi
Rosellina verstand die Fotografie als eine universelle Sprache und war bestrebt, einen internationalen Austausch zu schaffen. 1963 heiratete sie den Magnum-Fotografen René Burri und setzt in dieser Partnerschaft ihr Engagement für die Fotografie fort.
Bis 28. Januar 2024
Fotos: Stimmungsbilder Urs Tillmanns, Fotointern.ch
Inserts: © Werner Bischof Estate / Magnum
Hier gibt es Informationen zu den Ausstellungen in der Fotostiftung
Publikation: Werner Bischof: Unseen Colour. Herausgegeben von Ludovica Introini und Francesca Bernasconi, mit Texten von Tobia Bezzola, Clara Bouveresse, Peter Pfrunder und Luc Debraine. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich. ISBN 978-3-03942-129-9