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Heinrich Moser und der Zar

Dem jungen Uhrmacher Heinrich Moser aus Schaffhausen gelang es, 1827 in St. Petersburg die Lieblingsuhr des Zaren zu reparieren, und er wurde zum Industriepionier. Der Urenkel Roger Nicholas Balsiger schrieb mit «Der Uhrmacher des Zaren» dessen Biografie sowie die seiner Kinder Henri und Mentona als Roman.

1969 erhielt Roger Nicholas Balsiger, der Urenkel des Schaffhauser Industriepioniers Heinrich Moser, ein Paket mit Briefen, Fotografien und Dokumenten. Dieser Nachlass ermöglichte Balsiger tiefe Einblicke in das Denken und Leben des Urgrossvaters und dessen Kinder. Rund fünfzig Jahre später erzählt er die Lebensgeschichte seiner Vorfahren im Roman Der Uhrmacher des Zaren.

Dem jungen Uhrmacher Heinrich Moser (1805-1874) aus Schaffhausen gelang es, 1827 auf der Wanderschaft in St. Petersburg die Lieblingsuhr des Zaren zu reparieren. Durch die sorgfältige Lehrzeit beim Vater war er mutig genug, das Uhrwerk total zu zerlegen. Er fand eine tote Kakerlake darin, reinigte das Werk, setzte es wieder zusammen und die Uhr funktionierte. Es war eine Meisterleistung, an die sich kein Uhrmacher zuvor gewagt hatte.

Schnell sprach sich sein Erfolg herum. Aber Moser war nicht nur Uhrmacher, sondern auch Kaufmann. Um in Russland mit Uhren zu handeln, musste er zuerst ein Stammhaus in der Schweiz eröffnen. 1929 reiste er zurück und baute in Le Locle innerhalb eines halben Jahres ein eigenes Geschäft auf mit Angestellten, die für ihn in Russland Qualitätsuhren vertrieben und ihm Werkteile für Taschenuhren lieferten, die in seinem Betrieb in St. Petersburg zusammengesetzt und verkauft wurden. Sein Uhrenimperium reichte bald über die Grenzen Russlands hinaus. Häufige Reisen führten ihn nach Kiew, Perm, zur Messe nach Nishni Nowgorod, nach Paris und in die Schweiz.

Trotz des turbulenten Lebens lernte Heinrich Moser in St. Petersburg seine holländische Frau Charlotte kennen und heiratete sie im Herbst 1831. Vier Töchter und der Sohn Henri kamen zur Welt. Das Paar schrieb sich regelmässig Briefe, da Heinrich ständig geschäftlich unterwegs war. Auch korrespondierte er rege mit der Familie in der Schweiz und machte persönliche Aufzeichnungen über seinen Alltag.

Villa Charlottenfels bei Neuhausen am Rheinfall. Foto: P. Lechien, Wikimedia Commons

Als in der Schweiz 1848 die Verfassung des Bundesstaats eingeführt wurde, zog es Heinrich Moser mit der Familie nach Schaffhausen zurück. Er sah hier wichtige Aufgaben für sich. Das russische Uhrengeschäft überliess er seinem Geschäftsführer. Oberhalb von Neuhausen am Rheinfall liess er den orientalisch anmutenden Landsitz Charlottenfels bauen, nach dem Namen seiner Frau. Lange konnte sie sich daran nicht erfreuen, sie starb 1850 bei einem Kutschenunfall. In seiner Trauer stürzte er sich vermehrt in die Arbeit. Achtzehn Jahre lang blieb er Witwer.

Schon in Russland hatte sich Moser Gedanken zur Industrialisierung von Schaffhausen gemacht. Umso schockierter war er bei der Rückkehr über die wirtschaftliche Rückständigkeit. Am Rhein erwarb er ein grosses Areal, auf dem er Fabrikgebäude errichtete, um Arbeitsplätze zu generieren. Zudem beförderte er einen lang gehegten Plan, die Wasserkräfte des Rheins besser zu nutzen. 1866 war der «Moserdamm», der damals grösste Staudamm der Schweiz, vollendet.

Henri Moser zur Zeit seiner dritten Reise in Zentralasien, um 1883. Foto: © Bernisches Historisches Museum

Der Fokus im zweiten Teil des Romans liegt auf dem Sohn Henri Moser (1844-1923). Zur Enttäuschung des Vaters war er mehr am Abenteuer interessiert als am väterlichen Geschäft. Henri wurde Forschungsreisender, Kaufmann, Sammler und Diplomat. Vier Mal reiste er in den Osten bis nach Zentralasien, handelte mit orientalischem Gestüt, mit Seidenraupeneiern nach Italien, ein Fiasko, und sammelte orientalische Objekte. Zwischendurch erholte er sich bei seiner Schwester in Siebenbürgen auf der Bärenjagd.

1873 wurde er vom Bundesrat beauftragt, den Staatsbesuch des Schahs von Persien in der Schweiz zu organisieren. Im Gegenzug wurde er zehn Jahre später vom Schah von Persien in Zentralasien empfangen. 1887 heiratete er seine Nichte Marguerite Schoch. In Begleitung seiner Frau und einem russischen General führte ihn eine weitere Reise nach Zentralasien.

Henri machte regelmässig Aufzeichnungen über seine Abenteuer, publizierte Reiseberichte und veranstaltete Wanderausstellungen mit seiner Sammlung. 1914 vermachte er diese dem Bernischen Historischen Museum.

Das dritte Kapitel ist Mentona Moser (1874-1971) gewidmet. Mit 65 Jahren hatte Heinrich Moser in zweiter Ehe die dreiundvierzig Jahre jüngere Baronin Fanny Louise von Sulzer-Wart (1848-1925) aus Winterthur geheiratet. Die zweite Tochter Mentona kam 1874 kurz nach dem Tod des Vaters zur Welt. Die Mutter gab ihr die Schuld an dessen Tod und entwickelte nie mütterliche Gefühle für sie. Aus dem Erbe ihres Mannes verkaufte die Baronin das gesamte russische Handelsgeschäft sowie die Uhrenfabrik in Le Locle und erwarb 1887 das Schloss auf der Halbinsel Au am Zürichsee.

Mentona Moser, 1908. Foto: Wikimedia Commons

Mentona war eine eigenwillige Tochter und ärgerte sich über den zur Schau gestellten Reichtum ihrer Mutter. Früh zog sie nach London, wo sie das Leben der Armen kennenlernte. In der Folge engagierte sie sich in der Sozialarbeit, auch in der Schweiz. Durch ihre Initiative entstand der erste, noch heute bestehende Kinderspielplatz in Zürich, er liegt hinter der St. Jakobs-Kirche beim Stauffacher. 1909 heiratete sie Hermann Balsiger. Im gleichen Jahr kam Tochter Amrey und 1911 Sohn Edouard zur Welt, 1917 folgte die Scheidung.

Ihr gesamtes Vermögen ging in sozialen Projekten auf, auch in Russland, wo sie als überzeugte Kommunistin Kinderkrippen einführte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor sie ihren Besitz in Deutschland und die Mutter weigerte sich, sie in Notfällen finanziell zu unterstützen. Im Alter war Mentona verarmt und auf Sozialhilfe angewiesen. 1950 folgte sie einer Einladung in die DDR, wo sie den Lebensabend in einem Altersheim in gesicherten Verhältnissen verbringen konnte. Über ihr Leben schrieb sie zwei Bücher.

Titelbild: Taschenuhr «H. Moser & Cie», um 1900. Aus dem Besitz von Wladimir Iljitsch Lenin. Foto: Shakko, Wikimedia Commons

Roger Nicholas Balsiger, «Der Uhrmacher des Zaren. Der Lebensroman des Industriepioniers Heinrich Moser und seiner Kinder Henri und Mentona», Limmat Verlag, Zürich, 2023. ISBN 987-3-03926-062-1

S.a. Ruth Vuilleumier, Mentona Moser – Eine vergessene Heldin

 

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1 Kommentar

  1. Bei den Literaturhinweisen fehlt folgendes Buch:
    «Tochter des Geldes», Mentona Moser – die reichste Revolutionärin Europas, von Eveline Hasler, erschienen 2019 bei Nagel & Kimche.

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