StartseiteMagazinGesellschaftKultmusical in Bern: «Ich bin, was ich bin»

Kultmusical in Bern: «Ich bin, was ich bin»

Schminke, Flitter, viel Glamour und Regenbogenfarben: Noch bis Ende Juni ist am Berner Stadttheater der aus «Geschwister Pfister» bekannte Christoph Marti zusammen mit seinem Bühnen- und Lebenspartner Tobias Bonn in «La Cage aux Folles» («Ein Käfig voller Narren») zu sehen. Die Produktion ist Unterhaltung pur und gleichzeitig eine starke politische Botschaft.

Das Kultmusical der Schwulen- und Queer-Bewegung erzählt, musikalisch begleitet vom Berner Sinfonieorchester, die Geschichte des homosexuellen Nachtclub-Sängers Albin (Christoph Marti), der als Zaza mit Vehemenz, Herz und Witz für mehr Mitmenschlichkeit und Anerkennung kämpft. «Ich bin, was ich bin, ich will kein Lob, ich will kein Mitleid, ich lebe für mich, ich bin kein Snob, will meine Freiheit, wen stört es, dass ich Federn liebe, Glanz und Flitter, ich mag’s so». Der Titelsong klingt wie ein musikalisches Selbstbekenntnis des Hauptdarstellers.

Zaza, alias Albin, in der Künstlergarderobe, betreut von Zofe Jacob. Foto Florian Spring.

Seit vielen Jahren glücklich mit Georges, dem Manager und Conférencier des Nachtclubs (Tobias Bonn), liiert, will der populäre Travestiekünstler einfach nicht einsehen, weshalb er für einen Tag abgeschoben werden soll, nur weil sein Ziehsohn Jean-Michel (Wolfram Föppl) Anne (Beatrice Reece), Tochter eines ultrakonservativen, homophoben Politikers, heiraten möchte. Die leibliche Mutter des 24-jährigen Jungen ist gerade nicht abkömmlich.

Um bei den künftigen Schwiegereltern nicht anzuecken, wird die extravagante Wohnung neben dem Nachtclub für einen Tag in einen braven Loft verwandelt. Doch Albin, der Jean-Michel all die Jahre liebevoll miterzogen hat, will das Feld nicht freiwillig räumen. Als die Gäste aus Paris eintreffen, erscheint er verkleidet als Jean-Michels Mutter und die Vorstellungsrunde implodiert. Das Fass zum Überlaufen bringt die dunkelhäutige Zofe Jacob (Laurent N`Diaye), die mit ihren obszönen Gesten die bürgerliche Scheinwelt schockiert.

Das Brautpaar Jean-Michel und Anne (vorne) zusammen mit den «Cagelles».

Die Gesellschaft disloziert in ein angebliches Gourmet-Restaurant, wo Jacqueline die souveräne Gastgeberin spielt. Als sich das Lokal unverhofft in eine Schwulenkneipe verwandelt, sind die Schwiegereltern in spe ein zweites Mal fachiert. Die geplante Heirat droht zu platzen. Zurück in der Wohnung sehen sich die Protagonisten mit einer Horde aggressiver Paparazzi konfrontiert, welche die entgleiste Feier für die Öffentlichkeit im Bild festhalten wollen. Als einzige Chance für ein Entkommen aus der sittenlosen Stillosigkeit entpuppt sich für den Brautvater der Ausweg, sich als queeren Aktivisten zu tarnen und sich so den Kameras zu entziehen. Die schamlose Zofe sorgt derweil für die nötige Ablenkung der Paparazzi.

Zaza (vorne in weiss) kämpft mit den «Cagelles» im Rücken für gesellschaftliche Anerkennung und gegen Ausgrenzung.

Künstlerische Höchstleistung von Christoph Marti und Tobias Bonn

Bei der Interpretation seiner farbigen Rolle zieht Marti alle Register seines schauspielerischen und sängerischen Könnens. Die Verwandlungskünste des auch aus «Geschwister Pfister» bekannten Berners sind enorm. Sowohl stimmlich-musikalisch wunderbar differenziert als auch bezüglich Gestik, Mimik und Witz läuft Marti zur Höchstform auf. Neben ihm überzeugt auch sein Partner Tobias Bonn mit der Souveränität eines Nachtclub-Conférenciers und der Hilflosigkeit eines in die Enge getriebenen Vaters. Verzweifelt versucht Georges die Ehre seines Sohns zu retten, während sich Partner Albin ausgeschlossen fühlt.

Überzeugende Hauptdarsteller: Tobias Bonn (links) und Christoph Marti.

Ein dritter Höhepunkt der Berner Inszenierung sind die Auftritte der «Cagelles», des schwulen oder queeren Begleitpersonals im Nachtclub. Bei den acht Nebendarsteller*innen handelt es sich nicht, wie in der Realität üblich, um knackige Jünglinge, sondern um durchgeknallte, aus dem Rahmen fallende Seniorinnen und Senioren aus der Entstehungszeit des Musicals, in welcher die Protestbewegung der Schwulenszene entstand. Die Sänger*innen und Tänzer*innen tragen so illustre Namen wie «Ordenschwester Angelique», «bittersüsse Clo-Clo», «Singvögelchen aus Avignon», «Nikki, das Pferdemädchen» oder «Phädra, das Mysterium». Der Einfall ist Regisseur Axel Ranisch zu verdanken, der mit diesem Kunstgriff die Anliegen der Schwulen- und Queeren-Bewegung realistischer, nachvollziehbarer und glaubhafter macht.

Perücke weg, Regenbogenfarben um: die starke politische Botschaft Albins.

Denn die Berner Inszenierung ist mehr als lustige Unterhaltung im Nachtclub-Milieu oder «Feigenblattkultur». Sie thematisiert die nach wie vor existierende Diskriminierung, den Hass und die Gewalt gegen Andersdenkende und Andersfühlende in unserer Gesellschaft. Während einer Demonstration vor dem Nachtclub halten die Spielenden politische Plakate gegen Hass, Diskriminierung und Unterdrückung in die Höhe, werden aber von der Polizei brutal zusammengeschlagen. Dass der Nachtclub früher ein Gefängnis war, erinnert an eine Zeit, als gleichgeschlechtliche Liebe verboten war und strafrechtlich geahndet wurde.

Das imposante Bühnenbild (Falko Herold) und die extravaganten Kostüme (Axel Aust) tragen wesentlich zum Gelingen und zum Erfolg der Aufführung bei. Minutenlange «Standing Ovation» war an der Premiere der Lohn für die einzigartige Leistung des ganzen Ensembles. «La Cage aux Folles» ist zweifellos einer der künstlerischen und kommerziellen Höhepunkte der laufenden Saison von Bühnen Bern.


Christoph Marti (im schwarzen Anzug mit weisser Masche) und Tobias Bonn (ganz in Weiss) während dem Premierenapplaus. Foto PS

Theaterstück, Film und Musical-Klassiker

Das Theaterstück «La Cage aux Folles» von Jean Poirets wurde 1973 in Paris uraufgeführt. Es wurde zu einem grossen Boulevard-Hit. Im Théâtre du Palais-Royal wurde es sieben Jahre lang ohne Unterbrechung gespielt. Zugleich kam die Produktion weltweit auf die Bühnen. 1978 entstand Édouard Molinaros Kinofassung «Ein Käfig voller Narren» mit Michel Serrault und Ugo Tognazzi. In den USA wurde der Film zu einem der grössten Erfolge einer nicht-amerikanischen Produktion.

1983 wurde man am Broadway auf die sich hervorragend geeignete Vorlage aufmerksam. Für die Musicalbühne schrieb Altmeister Jerry Herman (u. a. Hello, Dolly) eingängige Melodien. Der Ohrwurm «I am what I am» («Ich bin, was ich bin») wurde von verschiedenen Interpreten, unter anderem von Gloria Gaynor und Shirley Bassey als unabhängiger Titel gesungen. Die in Bern gezeigte Version stammt von Jerry Herman (Buch) und von Harvey Fierstein (Musik).

«La Cage aux Folles» zählt zu den am häufigsten gespielten Musical weltweit.

Titelbild: Zaza, alias Albin, während einer Vorstellung im Nachtclub: Lebensfreude und Ausgelassenheit auf der Bühne. Fotos: Rob Lewis.

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Bühnen Bern

Vorstellungen bis 29. Juni 2024

 

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