Nina Corti tanzt seit mehr als 50 Jahren auf den Bühnen der Welt Flamenco, dieses seit Jahrhunderten populäre Kunstgenre aus Andalusien, das Gesang, Tanz und Musik verbindet, um Leidenschaft, Melancholie, Trauer, Freude, ja, jede menschliche Regung auszudrücken. Es ist für die Tänzerin Lebensgefühl. Und eine Lebensaufgabe.
Wir kennen uns schon lange von Auftritten und Interviews. Deshalb das «Du». Heute wohnt Nina Corti in Schaffhausen. Wir haben uns in ihrem Tanzstudio, wo sie auch unterrichtet, getroffen.
Seniorweb: Nina Corti, es ist doch schon einige Jahre her, seit sich unsere Wege gekreuzt haben. Und jetzt diese Einladung zur Abschiedstour! Kannst Du den Tanz, insbesondere den Flamenco wirklich sein lassen?
Nina Corti: Ich habe bis heute sehr viele Auftritte mit grosser Besetzung getanzt. Das ist wunderbar, aber doch auch eine grosse Belastung: Diese ganze Administration und Organisation, das hängt alles an mir und Stephan, meinem Mann. Ich möchte schon noch auftreten, aber in kleinerem Rahmen, wo ich mit meinen Choreografien – ich choreografiere alle meine Tänze selbst – nicht mehr so präsent sein muss auf der Bühne. Mit 70 darf man auch mal anfangen, das Leben auf andere Art zu geniessen.
Nina Corti heute. Zwar möchte sie als Tänzerin in Zukunft etwas kürzer treten, aber den Flamenco, die Bühnenauftritte und ihre Arbeit als Tanzpädagogin in ihrem Studio in Schaffhausen gibt sie nicht auf. (Foto Stephan Trösch)
Du hast den Flamenco aus der Ecke der Folklore herausgeholt.
Das stimmt. Ich war die erste Tänzerin, die Flamenco mit anderen Instrumenten, mit anderen Musikstilen, Orchestern und Interpreten kombiniert habe. Und ich wurde zehn Jahre später kopiert. Selbst in Spanien, in den grossen Flamencoschulen, wurde ich dafür mit offenen Armen empfangen, auch, dass ich Musiker der ersten Garde in mein Ensemble einlade.
Das war doch auch für Dich Neuland – Flamenco in der Tonhalle, der National Gallery in London, der Elbphilharmonie, zusammen mit renommierten Orchestern, auch aus den Bereichen Kammermusik, Jazz oder Ziganmusik. Kam der Anstoss für diese Zusammenarbeit jeweils von Dir?
Ich wurde nach den ersten Jahren, als ich einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, eigentlich immer eingeladen und konnte meine Choreografien ganz frei auf die Bühnen bringen. Natürlich habe ich mich vorher stark mit der Musik, den Musizierenden auseinandergesetzt.
Und wo hast Du Dich jeweils schnell wohl gefühlt, wo musstest Du auch mal über Deinen Schatten springen?
Wenn es mir nicht geheuer war, mit Interpreten aufzutreten, lehnte ich ab. Ich stamme aus einer Musikerfamilie. Dieses Gefühl für die Musik, ihre Energie, ihre Ausdruckskraft ist mir schon seit Kindheit vertraut. Da musste ich mich mit den Stilen des Flamencos und dem «Classico espagnol», meiner Freude an der Musik, der Bewegung und der Schönheit nur noch einbringen.
Und wo, würdest Du im Rückblick sagen, hast Du die grössten Erfolge gefeiert?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Da waren die grossen Häuser, die fantastischen Orchester, aber da waren auch Kammermusikensembles und viele weitere Formationen, mit denen ich wunderschöne Momente erlebte.
Gehen wir zurück an den Anfang. Du hast mit elf Jahren mit klassischem Ballett begonnen und es bis in die Ballettschule des Zürcher Opernhauses geschafft. Du hast die Diplommittelschule besucht, eine Lehre als Goldschmiedin gemacht. Du suchtest Deinen Weg.
Ja, die Gefühle im Tanz, die Freude an der Bewegung, waren schon als Kind da. Aber es war dann doch der Flamenco, der mir zeigte: Das ist deine Welt. Da gehörst du hin.
Das erste Mal habe ich Dich an einem Flamenco-Workshop in Rapperswil gesehen. Deine Anmut, deine Hingabe an die Klänge haben mich schon damals berührt.
Da war ich noch ganz jung. Ich habe später aber eine fundierte Ausbildung bei den besten Flamencomeistern in Madrid genossen und mich immer und immer wieder weitergebildet. Obwohl ich selber längst einen Namen hatte als Tänzerin.
Nina Corti zusammen mit dem Carmina Quartett von Daniel Schnyder. (Archiv Corti)
Und dann warst Du plötzlich weg. Bist nach Spanien gezogen. Eine Zäsur?
Ich bekam gesundheitliche und familiäre Probleme und habe mich sieben Jahre in Madrid «kuriert», vor allem getanzt und dazugelernt natürlich.
Kommen wir zum Schluss zur Abschiedstour, die am 27.Mai im bereits heute ausverkauften Theater Rigiblick in Zürich beginnt. Magst Du noch ein paar Worte zum Programm sagen?
Für «Esencia» habe ich mir mit internationalen Musikern wie dem Flamencotänzer Jesús Lozano, dem Quartett Dusha, mit dem Sänger Manuel Gago, mit Gitarristen und einem Perkussionisten ein Ensemble zusammengestellt, das östliche Roma-Musik und spanische Flamencokultur vereint. Es spiegelt mein ganzes Leben als Tänzerin, als Choreografin, so wie ich es während mehr als 50 Jahren gelebt habe. «Esencia», das ist aber auch meine grosse Leidenschaft als Lehrerin, mit der ich Menschen zwischen 12 und 80 Jahren in meinem Tanzstudio in Schaffhausen unterrichte.
Die Abschiedstour «Esencia» mit Nina Corti und einem grossen Ensemble startet am 27. Mai im Theater Rigiblick in Zürich. Diese Vorstellung ist bereits ausverkauft. Am 18. September geht es weiter in der Tonhalle Wil (SG) und am 20. September ist das grosse Finale im Stadttheater Schaffhausen.