There will be an answer, let it be – singen die Beatles.«Da wird es eine Antwort geben, lass es sein!» Was lassen wir sein, wenn wir in den Ruhestand gehen? Oder lassen wir es eben nicht sein, treten wir in den Unruhestand? Gelassenheit oder Engagement – oder beides?
Der Philosoph Henning Ottmann hat im Jahre 2014 einen kleinen Artikel veröffentlicht mit dem Titel «Let it be» und erläutert darin unter Bezug auf den Song der Beatles Formen des Lassens und der Gelassenheit.
Er skizziert einige Formen des Lassens. Die geneigte Leserschaft kann auswählen, was sie nach einem arbeitsreichen Erwerbsleben mit Über- oder Unterforderung, Hektik und Stress, engagiertem Schaffen bis zum Schluss oder unmotiviertem Absitzen der Monate bis zur Pensionierung alles sein lässt:
- Unterlassen: Wenn wir etwas unterlassen, kann es sein, dass wir uns schuldig machen oder schuldig fühlen, weil wir jemand, den wir hätten unterstützen müssen, nicht unterstützt haben. Oder positiv gewendet haben wir Dummheiten unterlassen nach dem Spruch von Wilhelm Busch: «das Gute, dieser Satz steht fest,/ ist stets das Böse , das man lässt.»
- Weglassen: Wir können Überflüssiges weglassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir können auch handyfreie, musikfreie, autofreie, nahrungsfreie, einkaufsfreie Tage einschalten und alles, von dem wir uns befreien wollen, stunden – oder tageweise oder auf dem ganzen weiteren Lebensweg weglassen.
- Loslassen: Eltern müssen ihre Kinder loslassen oder wir lassen unsere Träume, Leidenschaften oder Süchte los und trennen uns von dem, woran wir bisher gehangen haben.
- Verlassen: Wir verlassen jemanden oder werden von jemandem verlassen. Und manchmal fühlen wir uns vielleicht von allen guten Geistern verlassen.
- Geltenlassen: Wir lassen eine Meinung gelten, die nicht der unsrigen entspricht, anerkennen in Grosszügigkeit und Toleranz etwas, das wir nicht so gut finden, manchmal zähneknirschend, manchmal mit einem aufmunternden Okay!
- Freilassen: Früher hat man Sklaven freigelassen. Unsere Hühner lassen wir nicht frei, sondern schlachten sie immer noch. Wer jemanden unterdrückt, lasse ihn sofort frei.
- Belassen: Wir belassen es beim Alten, weil wir faul, phantasielos oder nicht innovationsfreudig sind oder weil wir in einem überzeugten Konservatismus uns lieber am Bewährten festhalten als «zu viel» zu riskieren.
- Seinlassen: Was sein lassen? Wir können beispielsweise egoistische Interessen sein lassen und uns am Gemeinwohl orientieren oder in mystischer Tradition gar das ganze Ego sein lassen zugunsten einer Gottesgeburt in der Seele im Sinne eines Meisters Eckhart oder im Sinne buddhistischer Befreiungspraktiken aus den Formen des Leidens.
Zwischen den verschiedenen Formen des Lassens gibt es Verbindungen und weitere Verständnisse, auf deren Erörterung hier verzichtet wird.
Lass es sein, let it be – das ist das eine. Und wenn wir uns befreit haben aus zu engen Verhältnissen, aus Denk- und anderen Blockaden – wozu befreien wir uns? Was wollen wir tun? Was wollen Sie tun? Was lassen wir in der lokalen, nationalen und globalen Politik lieber sein und wofür setzen wir uns ein?
Henning Ottmann: «Let it be” in: Henning Ottmann, Stefano Saracino, Peter Seyferth: Gelassenheit – Und andere Versuche zur negativen Ethik. Berlin 2014, S. 7 -13. Die Titelillustration zeigt eine paciencia, die als Allegorie der Geduld von vielen Seiten bedrängt wird (Ausschnitt eines Kupferstichs, den Hans Sebald Beham 1540 anfertigte).
Prof. Dr. Henning Ottmann ist em. Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Titelbild: Gemälde des Malers Hassan El Sharq, Gelassenheit, 1992 (aus Wikimedia Commons)
Bei den Beatles rennen Sie offene Türen ein: «Let it be» bedeutet «lass es zu», nicht «lass es bleiben».
Besten Dank, Herr Goldstein, für Ihren Hinweis. Let it be als «lass es sein» kann bedeuten: lass es zu, lass es geschehen, nimm es hin, akzeptiere es, toleriere es usw., aber nicht: lass es bleiben!
Interessant, dass dieses legendäre LET IT BE auch nach so vielen Jahrzehnten zu Diskussionen führen kann!
«Lass es sein» kann für mich bedeuten: «Hör auf damit!»
oder: «Lass es so, wie es ist.» bzw. «Lass es in Ruhe», «lass ihm seinen Platz».
Wenn «Lass es sein» zu verstehen ist als «Lass es bleiben», bedeutet es m.E. eindeutig «Hör auf damit.»
Könnte es sein, dass die oszillierende Bedeutung dieser magischen drei Wörter von den Beatles (John Lennon oder Paul McCartney) sogar gewollt ist?
Mein Englisch ist nicht gut genug, um entscheiden zu können, ob das englische «Let it be» ebenfalls nicht so eindeutig ist, wie wir es uns wünschten – so let it be!