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Altern ist mehr als noch nicht tot sein

Elke Heidenreich, die deutsche Sprachkünstlerin hat wieder ein Buch geschrieben. Diesmal über das Altern. Über das Leben. Über das Überleben als alte Frau. Sie ist 81 Jahre alt. Und immer noch viel zu sehr mit dem Leben beschäftigt, um an das Ende zu denken. 

«Lassen Sie nie, bitte niemals, Ihre Seele baumeln. Die Seele hat man fest im Griff, sie ist unser Kostbarstes.» Diesem Ratschlag folgt sie 110 Seiten lang, selbstironisch, selbstkritisch, schonungslos manchmal, mit analytischem Blick und viel Wortwitz. Dazu hat sie sich Unterstützung geholt in Form von Zitaten von Philosophen und Literatinnen aus alle Zeitepochen.

«Altern» ist ein Plädoyer für das Leben, auch wenn es vom letzten Lebensabschnitt handelt. Natürlich schaut sie zurück auf ihr Leben, aber nicht voller Nostalgie. «Jungsein war schlimmer. Ins Jungsein bin ich ahnungslos reingerasselt, das Alter kam Schritt für Schritt, das weiss man ungefähr, was einem blüht».

Natürlich habe sie im Leben zu viel geraucht, zu viel getrunken, zu viel geliebt und sei zu wenig treu gewesen, hält sie ehrlich fest. Und doch sei es ein grossartiges Leben gewesen, trotz schlechtem Start mit einer trostlosen Kindheit, unglücklichen Eltern und später mit Pflegeeltern.

Schwere Kindheit

Sie habe schon früh gewusst, dass sie nie abhängig sein wolle, und das habe sie durchgezogen. Mit zwei Ehemännern und aktuell mit einem um viele Jahre jüngeren Freund.

Es ist, auch wenn das Thema Alter nicht so viel Erfreuliches hergibt, ein zwar nachdenkliches, aber unterhaltsames Buch – wenn nicht diese Fülle an Zitaten wäre. Manchmal scheint es, als hangle sich die Heidenreich, die doch selbst eine so eloquente und amüsante Schriftstellerin ist, von Zitat zu Zitat – und hätte doch so viel, so viel mehr zu sagen.

Das Buch «Altern» ist Teil einer Reihe des Hanser- Verlags, der Autoren und Autorinnen eingeladen hat, über die «zehn wichtigsten Themen des Lebens» zu schreiben. Elke Heidenreich fiel, fast schon zwangsläufig, der Part zum Thema Altern zu. Und man spürt, dass dies eine «Auftragsarbeit» ist – nur um dennoch weiterzulesen, zu hoffen, es folge ein etwas längeres Essay mit ihren persönlichen Gedanken und Ansichten.

Irgendwo habe wir doch alle so einen alten, vielleicht nur fiktiven Koffer. Mit all unseren Erinnerungen, Verletzungen, aber auch mit all unseren Lieben und Träumen darin.

Und wird dann auch nicht enttäuscht. Loslassen ist so ein Thema, das doch alle in die Jahre Gekommenen beschäftigt, beschäftigen muss. Oscar Wilde habe behauptet, schreibt Heidenreich, das Alter sei die Rumpelkammer des Lebens. Dem widerspricht die Autorin dezidiert: Im Alter miste man aus, trenne sich von Dingen, Träumen, Vorhaben – und auch von Menschen, deren Lebensentwürfe nicht mehr mit den eigenen übereinstimmen. Letzteres ist wohl am schwersten. Am schmerzhaftesten, wenn es die eigene Mutter betrifft, mit der sich Heidenreich erst auf dem Totenbett mühsam versöhnte, «einfach, um Ruhe zu geben nach diesem jahrzehntelangen Kampf.»

Keine Tablettenschieber!

«Altern» ist ein Buch, das nichts auslässt, was die letzten Jahre eines jeden Lebens ausmachen. Ausser Krankheit und Dahinsiechen – und den Tablettenschieber, den Heidenreich als ein Symbol des Alterns abtut. Sie rät zu farbigen Pillendöschen.

Am Schluss des Buches weicht sie etwas von ihrer Lebensklugheit, ihrer manchmal etwas schnoddrigen Lebenshaltung ab. Kritisiert die Influencer, die aufgepolsterten Hintern, überhaupt den Schönheitswahn, diesen Optimierungszwang, auf immer jung, frisch und faltenlos zu sein. Da tönt sie wie eine alte, etwas verbitterte Frau.

Und das ist sie doch gar nicht. Alt ja, dazu steht sie auch. Aber ihre Ironie, ihre Kunst, Probleme so in einfache, manchmal witzige Sätze zu kleiden, dass sie zum Schmunzeln anregen, das ist doch ihr Markenzeichen. «Die Kunst des Lebens besteht darin, jung zu sterben, das aber so spät wie möglich». Das ist Elke Heidenreich. Und dafür wird sie geliebt.

Elke Heidenreich «Altern». Erschienen im Hanser Verlag, Reihe LEBEN

 

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8 Kommentare

  1. Elke Heidenreichs leichte Verbitterung über die Oberflächlichkeiten der Jugendlichen in den sozialen Medien, kann ich nachvollziehen. Es herrscht ein Umgangston mit wenig Respekt für andere, das eigene ICH steht im Zentrum und kreist nur noch um sich selbst.

    Elke Heidenreichs Witz und Ironie in ihren Büchern, die ich immer wieder gerne lese, hat es leider immer schwerer gegen den Zeitgeist und die Fülle der medialen Banalitäten. Doch was nützt es sich daran abzuarbeiten. Ich bin der Meinung, ab einem gewissen Alter muss man sich das nicht mehr antun. Wenn noch Kraft und Wille da ist, sollte der Verluderung von Sprache und Geist etwas entgegen gesetzt werden. Ich hoffe, Sie tut es weiter.

  2. Das neue Buch von Elke Heidenreich hat mich sehr enttäuscht. Ich bin gleich alt wie sie. Ich finde sie überheblich und eingebildet. Aeltere Menschen, die mit dem aufregenden Leben (jungem Partner, Bücher schreiben, Lesungen veranstalten) nicht oder nicht mehr mithalten können oder wollen aus irgendwelchen Gründen, werden nicht ernst genommen oder sogar lächerlich gemacht. Siehe Tablettenschieber (auch ich würde gerne weniger Medikamente benötigen auf den ganzen Tag verteilt) oder zerknittertes Mütterchen in beigen Omaklamotten (Beschreibung einer Besucherin, die an der Lesung das Buch unterschreiben lässt)!
    Auch die junge Generation kommt schlecht weg. Nicht alle kleben sich auf die Strasse, viele sind engagierter im positiven Sinn, als wir es je waren.
    Greenpeace und Ocean Care sind zwar in unserer Zeit entstanden, aber auch die Klimakrise und die ganze Umweltverschmutzung und Zerstörung der Natur geht auf die Rechnung der älteren Generation.
    Was mich auch stört an diesem Buch sind die vielen Zitate. Elke Heidenreich macht sich hier einfach wichtig mit ihrem gesammelten Bücherwissen.
    Ich kann dieses Buch gar nicht empfehlen. Ich finde es ärgerlich. Ich denke positiv trotz verschiedener körperlichen Einschränkungen und nehme den Tag, wie es kommt und freue mich an meiner Familie und den fünf Enkelkindern. Langweilig ist es mir nie.
    Mehr Toleranz und gegenseitiges Verständnis wären angebracht.

    • Liebe Brigitte Bosshard
      ich danke Ihnen für Ihren kritischen Beitrag zu Heidenreichs Buch «Altern». Ich finde die Autorin überheblich, anmassend, unbescheiden und arrogant – unerträglich auch oft in der Sendung Literaturclub. Sie schreibt über IHR Alter – sie schreibt nicht übers altern. Hermann Hesse schrieb über das Alter als einen Lebensabschnitt den wir sehr bewusst wahrnehmen sollen mit grosser Dankbarkeit für das gelebte Leben mit allen Erinnerungen. Heidenreichs Leben geschieht immer hier und jetzt; deshalb fehlt der 81jährigen «Autorin» eine Betrachtungsweise des ganzen Lebens. Bin bald 85 und dankbar, dass mich die Welt interessiert bei Demos, Politik, Kunst und wunderbarer Nachbarschaft.

  3. Sehr gute Beschreibung von Bernadette Reichlin. Die vielen wild zusammengewürfelten Zitate machen das Buch oberflächlich. In dem Sinne hat das Buch für mich keinen hohen Stellenwert.

  4. Vor über 50 Jahren schrieb ich:»Niemals Zank, nur konstruktiven Streit-bedenkt-wir besitzen zum Leben und zum Lieben-nur eine Sternschnuppenzeit…».Bekanntlich ist das Alter ein Aussichtsturm, je älter man wird, umso weiter sieht man-sofern die politische Brillenschärfe noch in Ordnung ist.Schon Galileo Galilei wusste es:» Zwei Wahrheiten können sich nicht widersprechen…»!

  5. Elke Heidenreich’s Buch «Altern» habe ich sehr oberflächlich empfunden. Ich bin selber 81 Jahre alt und finde ihre zusammengewürfelten Ansichten mit unnötigen Zitaten sehr einseitig, überheblich und arrogant. Ich kann das Buch nicht empfehlen und bin erstaunt, dass es so viele positive Echos bekommt.

  6. Ich (75j.) finde das Buch erfrischend und hat richtig gut getan. Gerade die vielen passenden Zitate habe ich geliebt und sind für mich eine Bereicherung. Vielleicht habe ich’s genossen, weil ich als Psychotherapeutin vor allem die schweren Seiten des Alters zu hören bekomme.

  7. Vielleicht hat E.H. das Buch für Frauen zwischen 50 und 60 geschrieben. Ich stimme nämlich allem zu, was hier kritisiert wird, doch weiss ich von meiner Tochter (60), dass sie es sehr gern gelesen hat und amüsant gefunden. Halt Elke Heidenreich, wie wir sie aus dem Literaturclub kennen.

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