Der Tote im Strom

Mit höchster Diskretion muss die Polizei in Christof Burkards Kriminalroman «Starkstrom» bei einem grossen Stromkonzern und in zwei Gewerkschaftsverbänden Licht in einen Todesfall bringen.

Kommissar Blum und seine Assistentin Sabine werden schnell gerufen, nachdem Luis Molina bei seinen Reinigungsarbeiten am Rechen eines fiktiven Atomkraftwerks im Aargau eine Leiche im Fluss entdeckt hat. In solchen Fällen muss Luis sofort die Polizei rufen. Er kann also weder arbeiten noch nach Hause gehen, solange die Spurensicherung nicht beendet ist und die Polizei nicht erfahren hat, wie Luis den angeschwemmten Körper gefunden hat.

Wir Lesenden leisten nun ein Weilchen Luis Molina Gesellschaft und erfahren, was in ihm vorgeht. Er ist ein Kind von Arbeitsmigranten, arbeitete im Strassenbau bis zu einem Unfall. Nun lebt er mit seiner Familie von einer Teil-IV-Rente und von seiner Arbeit im Kraftwerk. Er liebt den Fluss und – passend – das Angeln. Die Spezialisten von der Polizei haben inzwischen den Toten aus dem Wasser gezogen. Der Autor beschreibt in Einzelheiten, wie so etwas vor sich geht. Ein bisschen Grusel muss sein.

Was hat die Gewerkschaft mit einem Mord zu tun?

Dann kommt das wirkliche Entsetzen: Luis kennt den Toten, es ist Toni Pereda von der Gewerkschaft Syndica, eine schweizweit bekannte Persönlichkeit und ein Freund von Luis, wenn auch nur in seinen jungen Jahren. Weswegen die beiden ungefähr Gleichaltrigen zuerst Freunde, dann Konkurrenten waren und sich aus den Augen verloren, erfahren wir im Laufe des Romans.

So wie Luis und Toni durch persönliche Umstände auseinander gerieten, Pereda ein erfolgreicher Funktionär wurde, während Luis sein Arbeitsleben am unteren Rande der Erwerbsgesellschaft verbrachte, so sind auch die Beziehungen im Polizeikommando von unterschiedlichen Spannungen geprägt, die im Verlauf der Erzählung zuweilen für Reibungen sorgen. Kommissar Blum, dem die Hauptrolle nicht zu nehmen ist, kommt zum Glück bestens mit seiner Assistentin Sabine aus, die für ihn alle Recherchearbeit übernimmt. Im Stillen gesteht sich Blum ein, dass sie die kompetentere Kommissarin wäre, dass er nur, weil er ein Mann ist, ihr Vorgesetzter geworden ist.

Wem nützt der Tod des Gewerkschaftssekretärs?

Christof Burkard schiebt solche kleinen Hinweise auf den aktuellen Diskurs geschickt ein, ohne aufgesetzt modisch zu wirken. Seine Schilderungen der Hierarchie im Konzern oder des ständigen Tauziehens zwischen den verschiedenen Gewerkschaften gehen in eine ähnliche Richtung. So erhält dieser Kriminalroman – von Anfang bis Ende eine Fiktion, wohlgemerkt – seine eigene Note. Vielleicht war es dem Autor ein besonderes Vergnügen, Teile seines beruflichen Arbeitsfeldes aus der schrägen Perspektive eines Krimiautors zu beleuchten.

Christof Burkard  © Giovanni Spitale

Der Autor wurde 1963 geboren, ist im Freiamt (Aargau) aufgewachsen und lebt seit langem in Zürich. Er ist Jurist, Mediator, Kulinariker und Erwachsenenbildner; daneben entwickelt er Stadttouren in Zürich und, was die Lesende besonders spannend findet: Kartenspiele für Wahrheitssucher.

Eine Abrechnung oder ein Streit?

Die Suche nach der Wahrheit im Fall Antonio Pereda gestaltet sich dornenvoll und langwierig. Blum und seine Assistentin müssen an verschiedene Orte reisen und Verdächtige unterschiedlichsten Kalibers mit ihren Fragen in die Zange nehmen. Es dauert, bis sich der Fall auflösen lässt. Immer wieder fällt der Blick auf Luis Molina. Am Ende riskiert dieser auch noch seinen Job zu verlieren, weil Blum ihn vorsorglich ein paar Tage in Untersuchungshaft genommen hatte. Das muss am Schluss geregelt werden, damit die Welt im Schweizer Mittelland wieder «in Ordnung» ist.

Es schadet nichts, dass dieser Krimi in einem ungewöhnlichen Milieu spielt. Immerhin gibt es nicht nur zwischen dem potenten Grosskonzern und den Arbeitnehmervereinigungen Spannungen. Vertreter der Gewerkschaft und der Technikervereinigung andererseits spielen undurchsichtige Machtspiele. Kein Wunder, dass Blum nur mit Mühe und in letzter Minute den richtigen Dreh findet, um den Schuldigen zu stellen. – Eine empfehlenswerte Lektüre!
Einzig eine Liste der Personen, besonders der potentiell Verdächtigen und der Polizeibehörde hätte die Lesende sich gewünscht. Wenn man das Buch nicht in einem Zug durchliest, vergisst man nämlich leicht, wer in welchen Handlungskreis gehört.

Christof Burkard: Starkstrom. Kriminalroman. 2024 edition maulhelden. 205 Seiten.
ISBN: 978-3-907248-12-6

Titelbild: Stauwehr (Foto Albrecht Fietz / Pixabay)

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