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Die Schweiz: Im Auf- oder Abbruch

Die Flugzeuge der Swissair blieben am Boden. Die ehemalige Swissair war pleite. Man schrieb den 2. Oktober 2001. Ein Ereignis, das die Schweiz damals vor 23 Jahren geradezu erschütterte. Heute liefert die Swiss, die Nachfolgerin der Swissair als Tochter ihrer Mutter, der deutschen Lufthansa stolze Gewinne nach Köln ab. Übrig blieben vor allem Erinnerungen. Utensilien, Teller, Besteck und was auch immer, die noch heute gekauft werden können. Überlebt hat die Pensionskasse der damaligen Swissair-Angestellten, die zur Freude der Pensionierten satt gefüllt ist und immer noch jedes Jahr mehr als 12 Renten an die Ehemaligen auszahlen kann.

Erinnern Sie sich noch an die Kürzel SBG, SKA, SBV, SVB, an die vier grossen Schweizer Banken? All die Kürzel sind verschwunden. Sieht man davon ab, dass am Hauptsitz der nun in der UBS aufgegangenen Crédit Suisse am Zürcher Paradeplatz die Gitter an den Fenstern das Kürzel SKA in Eisen gegossen nach wie vor tragen. Der Name Crédit Suisse wird nächstens ganz verschwinden. Vielleicht wird das Kürzel SKA überleben, weil ja in Eisen gegossen.

Erinnern Sie sich auch noch an die «Gnomen von Zürich», ein Bezeichnung, die vom britischen Premierminister Harold Wilson (1916-1965) stammen soll und die Herren der Schweizer Grossbanken an der Zürcher Bahnhofstrasse ins Visier nahm, weil sie dunkle Geschäfte unter dem Mantel des Bankgeheimnisses nicht nur deckten, sondern selbst auch ausgeführt hatten? Erinnern sie sich, dass die Herren auch munter in Bundesbern mitregierten, wie nicht nur hinter vorgehaltener Hand herum geboten wurde.

Zur Wende kam es einmal, weil die Schweiz im Mai 2014 der Erklärung der OECD über den künftigen automatischen Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten beitrat und damit vom strikten Bankgeheimnis Abschied nahm. Nicht zuletzt auch, weil sich das Mitregieren ins Gegenteil verkehrte, als zum ersten die UBS in der Weltfinanzkrise 2007-2008 vom Bundesrat mit sofortigen Milliarden-Geldspritzen gerettet werden musste. Und jetzt noch ganz aktuell, als die Crédit Suisse vor dem Aus stand und von der wieder erstarkten UBS unter gütiger Mithilfe des Bundesrates, der Nationalbank und des Parlaments zu retten, letztlich voll zu übernehmen hatte oder eben auch konnte, dank Bundesbern. Jetzt kommandiert mit Sergio Ermotti nur noch einer, dafür ein gelernter Bänker an der Zürcher Bahnhofstrasse, und der fühlt sich auch allein so stark, dass er der Forderung von Karin Keller-Sutter, genügend Eigenmittel bereitzustellen, um auch eine Krise allein bewältigen zu können, Widerstand zu leisten vermag. Das Kräftemessen zwischen der Bahnhofstrasse und Bundesbern ist noch nicht ausgestanden.

Derweil wankt ein weiterer Riese der schweizerischen Volkswirtschaft: der Migros-Genossenschaft-Bund. Irgendwie sind wir alle Migros: 2,3 Millionen Genossenschafts-Mitglieder, über 100‘000 Angestellte mit ihren Angehörigen und unzählige Zulieferbetriebe, Bauern etc, etc. Die Damen und Herren am Limmatplatz von Zürich, wo am früheren Hauptsitz gegenüber dem heutigen Migros-Hochhaus die Letter „Das soziale Kapital“ stand, haben das Leitmotiv von Gottlieb Duttweiler wohl vergessen oder es ist ihnen nicht mehr präsent, weil der Schriftzug schon vor Jahren zum Verschwinden gebracht wurde. Immerhin: Mario Irminger, der neue Chef, will an einem Geschäftsprinzip von Gottlieb Duttweiler anknüpfen: „Immer der Billigste mit bester Qualität zu sein“. Das ist zugegeben schwer, seit die Migros aus Deutschland mit Aldi und Lidl arg bedrängt wird.

Nicht genug, aber immerhin ein Zeichen der Hoffnung ist in diesem Zusammenhang nicht zu übersehen: Die beiden Krankenkassen-Verbände Santésuisse und Curafutura wollen überraschend eine neue, eine gemeinsame Verbandsorganisation schaffen, schon auf 2025. Dass sie damit sich noch mehr Einfluss auf die Gesundheitspolitik in Bundesbern verschaffen wollen, ist ebenfalls nicht zu übersehen. Vielleicht keimem nach der bisherigen so unterschiedlichen Politik gemeinsame, kostendämpfende Ideen auf, wie das Schweizer Gesundheitswesen gesunden könnte. Darunter muss ja nicht auf Anhieb die Vorstellung figurieren, eine Einheitskasse einzuführen, ähnlich der Suva.

Auf dem Wasserkrug, der mir in Bern beim Abschied vom TV-Bundeshaus-Studio geschenkt wurde, steht: «Glas verheit – Bärn besteiht ». Das gilt auch für die Schweiz: Abbruch. Umbruch. Aufbruch.

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1 Kommentar

  1. Allseits werden die Karten neu gemischt, ob freiwillig oder gezwungenermassen. Die festgefahrenen Vorstellungen wie die Welt zu funktionieren hat, erzeugen bei mir Bilder wie – kalbende Gletscher – Felsstürze und Murgänge – über die Ufer tretende Flüsse und Seen – Vulkanausbrüche und Kontinent Verschiebungen – untergehende Inseln – Flüchtlingsströme von Menschen und Tieren auf der Suche nach Nahrung und einem sicheren Zuhause. Und immer wieder die so eindrücklichen Bilder aus dem All, die einen wunderschönen fast gänzlich blauen runden Planeten zeigen mit einer hauchdünnen Ozonschicht, die uns vor den zerstörenden Sonnenstürmen bewahrt. Die Zerbrechlichkeit unserer Heimat der Erde wird mir immer bewusster.

    Dann sind da wieder die aktuellen News mit brutalen, menschenverachtenden Kriegen, sinnloser Verschmutzung der Meere, Seen und Flüsse durch unseren überbordenden Konsum und die Ausbeutung der Natur, Rodung der letzten Urwälder, die die Lebensgrundlage unglaublich vieler Tiere sind und die unsere Luft mit Sauerstoff versorgen, das weltweit rasante Verschwinden ganzer Tierarten.
    Wann wird der Mensch begreifen, dass wir alle Teil eines Ganzen sind und nur zusammen überleben können?

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