Eine kleine Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen zeigt Zeugnisse von blühender Wirtschaft und regem Handel rund um das Schwäbische Meer.
«Mittelalter am Bodensee – Wirtschaftsraum zwischen Alpen und Rheinfall» heisst diese informative Wanderausstellung, die von allen wichtigen Institutionen der Geschichte der Bodenseeregion getragen wird.
Handelsverbindungen nach Venedig oder Mailand, nach Lyon oder sogar Brügge sind aus dem Mittelalter (von ca. 1000 bis 1500) bekannt. Die Routen führten nicht nur über Landstrassen, sondern auch auf Flüssen wie dem Rhein und über den Bodensee. Der grösste See im süddeutschen Raum verband die Anrainer mehr als er trennte.
Transportgut auf einem Schiff wurde sorgfältig verpackt
Für Schaffhausen war der Handel mit Salz von grösster Bedeutung, denn in jener Zeit wurde in der Schweiz selbst noch kein Salz gewonnen. Schaffhausen hatte im Handel mit Salz gleichsam eine Monopolstellung inne, fast der ganze Bedarf am «weissen Gold» ging durch diese Stadt in die Zentren der deutschen Schweiz – Schaffhausen verdiente gut daran. Durch die Gunst der Habsburger Herzöge wurde die Stadt noch mehr begünstigt: In Stein am Rhein und in Diessenhofen durfte kein Salz entladen werden.
Salz – das weisse Gold
Für jeden der Wirtschaftszweige sehen wir in den Vitrinen wichtige Gegenstände, so auch zu den Speisen und Mahlzeiten. Salz wurde ja nicht nur zum Verzehr benötigt, sondern auch zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, zur Herstellung von Käse und fürs Vieh. Dass es bei Tische damals einfacher zuging, viele Speisen mit dem Löffel oder von Hand gegessen wurden, ist ebenfalls zu sehen.
Zu Tisch, bitte
Gabeln waren in jener Zeit ungewöhnlich. Wir sehen eine zweizinkige Gabel für Süssigkeiten, damals eine Seltenheit. Und die einfachen Leute assen alle aus der gleichen Schüssel – aus Holz! Nur vornehme Familien konnten es sich leisten, Keramikgeschirr aus dem Mittelmeerraum zu erwerben. Für den Wein benutzten diese Damen und Herren kostbare Gläser, die aus Glashütten im Spessart, im Böhmischen oder dem Bayerischen Wald stammten.
Nuppenbecher © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
Textilherstellung und Export
«Der Bodenseeraum gehörte im Mittelalter zweifellos zu den wirtschaftlich besonders gut entwickelten Regionen Europas,» lesen wir in dem hervorragenden Katalog zur Ausstellung. Erst durch die Pest seit dem 14. Jahrhundert, durch wachsende politische Streitigkeiten – und durch den Aufstieg der Eidgenossenschaft wurden Wirtschaft und Handel am Bodensee leicht gebremst.
Ein wichtiger Wirtschaftszweig war das Textilgewerbe, angefangen beim Anbau von Lein, aus dessen Fasern Leinengarn gesponnen wurde. Daraus entstand Rohleinwand, die durch weitere Bearbeitung, nämlich durch Walken, Bleichen und Färben, zu einer begehrten Marktware wurde und bis in den Mittelmeerraum exportiert wurde. Im 14. Jahrhundert kam die Barchentweberei auf, ein Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen, angenehm für Kleidung und noch lange als wärmende Bettwäsche beliebt.
Textilien – ein wichtiges Exportgut
Während in der Ausstellung oft nur wenige Objekte symbolisch einen Wirtschaftszeig repräsentieren, lernen wir im Katalog in konzentrierter Form viel über die verschiedenen Handwerkszweige.
Der früheste «Euro»
Handel und Geldwirtschaft blühten durch den regen Austausch aller Bodenseeregionen untereinander. Es entstand sogar ein besonderer Währungsraum: Der Konstanzer Pfennig wurde die vorherrschende Währung, in Abgrenzung zum Augsburger, Zürcher, Strassburger, Breisgauer oder Basler Pfennig.
Die mittelalterliche «Bodensee-Währung»
Der Pfennig bestand aus dünnem Silberblech in einheitlicher Form, in das die verschiedenen «Münzherrscher» ihr Wappen einprägten, der Abt von St. Gallen ein Lamm, der Graf von Montfort eine Kirchenfahne oder – die bedeutendste Münzstätte – Ulm, dessen Münze ein gekröntes Haupt trug. – Damals wie heute waren die Wirtschaftskundigen überzeugt, dass eine einheitliche Währung Handel und Produktion förderten. So erstaunt es nicht, dass Handelsgesellschaften entstanden mit Niederlassungen in wichtigen europäischen Städten wie Venedig, Mailand oder Barcelona. Auf diesem Weg kamen auch exotische Waren wie Safran, Korallen und Wollprodukte in den Bodenseeraum.
Modell eines Transportschiffes
Eisen und andere Metalle
Für die mittelalterliche Industrie war die Verfügbarkeit von Metallen von grosser Bedeutung. Wahrscheinlich lieferte das Bergwerk Gonzen bei Sargans einen wichtigen Anteil Eisen, und wohl vor allem für die Produktion von Waffen! – Ob die wirklich im Bodenseeraum hergestellt wurden, ist allerdings wissenschaftlich nicht gesichert.
Silber war im Mittelalter ebenfalls sehr begehrt. In der Region Bludenz, im Montafontal und in den umliegenden Gegenden wurde Silber abgebaut, ebenfalls Eisen und Kupfer. Im Katalog «Mittelalter am Bodensee» wird ausführlich erklärt, wo sich die Bergbaugebiete befanden, wie die modernen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen diese erforschten.
Leben und Sterben
Über Leben und Tod im Mittelalter erfährt man am meisten in Gräbern, auch in Beinhäusern, denn nicht alle Toten wurden in der Erde begraben. Heutzutage können Forschende aus einem Skelett eine Flut von Informationen herausholen, nicht nur über Alter und Geschlecht, sondern auch über Körpergrösse, Krankheiten, Verletzungen, kurz über die Lebensbedingungen im Mittelalter.
Was der Apotheker seinen Kundinnen und Kunden präparierte
Übrigens wurden damals nicht alle Verstorbenen in Särgen begraben, seit dem Hochmittelalter nimmt auch die Zahl der Grabbeigaben deutlich ab. Aber nur Getaufte durften auf dem Friedhof liegen. Alle anderen, Selbstmörder, Hingerichtete oder ungetauft gestorbene Kinder begrub man an einem Ort ausserhalb des Friedhofs. Selten wurde ein Mensch in Mittelalter älter als 60 Jahre, die Kindersterblichkeit war zwischen Geburt und 4 Jahren am höchsten. Kinder und Jugendliche hatten die besten Chancen auf ein Leben als Erwachsene.
Über die Transportwege, über Hafenanlagen, Warenumschlagplätze und die Niederlassungen der Kaufleute, die Kaufhäuser, die am Bodensee Gredhäuser genannt wurden, erfahren wir viel. So hatte sich Sankt Gallen, das bekanntlich nicht direkt am Bodensee liegt, die Häfen Steinach und Rorschach für seinen Handel gesichert. Am Nordufer entdecken wir Buchhorn als Hafen und Wirtschaftszentrum, heute heisst das Städtchen Friedrichshafen.
Die Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen ist noch bis 27. Oktober 2024 geöffnet. Besonders im September finden viele Veranstaltungen statt.
Wie erwähnt, ist der Katalog für alle, die sich in die Welt des Mittelalters am Bodensee vertiefen wollen, besonders empfehlenswert.
Titelbild: Bodenseekarte. Ausschnitt aus dem Straub-Kalender © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
Wenn nicht anders erwähnt: Fotos: mp