Vom 2. bis 6. September findet in Bern, Zürich, Basel, Bellinzona, Lausanne sowie online «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus» statt. Im Zentrum steht die Vielfalt von Erwerbstätigkeit im Rentenalter. Besuchende sind eingeladen, ihre individuelle Vision für die Zukunft zu entwerfen. Seniorweb unterhielt sich mit der Mitorganisatorin, Susanne Kast.
Welche Motive, Ermöglichungsfaktoren und Hindernisse beeinflussen die Weiterarbeit nach der Pensionierung? Im Projekt «Erwerbstätigkeit im Rentenalter» untersucht ein Forschungsteam des Instituts Alter der Berner Fachhochschule (BFH) die bezahlte Arbeit nach der Pensionierung. Das Projekt beinhaltet unter anderem Gespräche mit Personen, die auch im Rentenalter weiterarbeiten. Diese Gespräche wurden in einer Broschüre gesammelt und veröffentlicht. Die sechs Portraits bieten ein intimes und vielfältiges Bild davon, wie bezahlte Arbeit nach der Pensionierung aussehen kann – abseits der bekannten Stereotypen.
Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist zudem ein grossangelegtes Festival in drei Sprachregionen der Schweiz, das nach 2022 Anfang September bereits zum zweiten Mal stattfindet. Geboten werden wissenschaftliche sowie praktische Impulse, Workshops, Podiumsdiskussionen, Kurz-Coachings, sowie ein Marktplatz. Susanne Kast lehrt am «Institut Alter» der Berner BFA und erläutert im Gespräch mit Seniorweb die Einzelheiten und Hintergründe.
Susanne Kast vor dem Haupteingang der Fachhochschule Bern, Soziale Arbeit.
Seniorweb: Welche Ziele verfolgen Sie mit der fünftägigen Veranstaltungsreihe «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus»?
Susanne Kast: Das Festival gehört zum Forschungsprojekt «Erwerbstätigkeit im Rentenalter» (ERA). Wir haben die Motivation von älteren Menschen untersucht, auch nach Erreichen des Rentenalters noch erwerbstätig zu sein. Ausserdem behandeln wir strukturelle Aspekte: Wie könnten Arbeitgebende auf Wünsche von Seniorinnen und Senioren reagieren, länger zu arbeiten?
Seniorinnen und Senioren haben spezielle Wünsche an die Arbeitgeber.
Frage zum Titel: Was muss man unter «Your Stage» verstehen?
Wir stellen Menschen, die über das Rentenalter hinaus erwerbstätig sein möchten, eine Bühne, eine «Stage», zur Verfügung. Das Festival wird in enger Zusammenarbeit mit Loopings sowie verschiedenen Partnerinnen und Partnern durchgeführt.
Wer gehört zur Zielgruppe?
Wir wenden uns an drei Zielgruppen: Dazu gehören Personen, die kurz vor der Pension stehen oder bereits pensioniert sind und noch arbeiten möchten oder sich dies überlegen. Ansprechen möchten wir auch Arbeitgebende, in der Regel Personalleiterinnen und Personalleiter, die an der Weiterbeschäftigung von Rentnerinnen und Rentner interessiert sind. Schliesslich gehören auch Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Hand und der Politik zu unserem Zielpublikum. Die Vernetzung dieser unterschiedlichen Gruppen ist ein wesentlicher Aspekt des Festivals.
Zu den Inhalten des Festivals: Nennen Sie bitte ein paar Highlights.
Ein Highlight ist sicher die Eröffnungsveranstaltung am 2. September um 17 Uhr, an der zwei Referate, ein Podiumsgespräch sowie ein Apéro auf dem Programm stehen. Die übrigen Veranstaltungen sind dezentral angelegt. Dazu gehören Erzähl-Cafés mit Menschen, die übers Rentenalter hinaus erwerbstätig sein möchten, Workshops, welche Erwerbsmöglichkeiten «von der Idee bis zur praktischen Umsetzung» sowie spannende Referate beinhalten. In Zürich werden der renommierte Alters- und Generationenforscher François Höpflinger sowie die Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Michel-Alder sprechen. Online werden unter anderem Kurz-Coachings sowie Kurse zur Nutzung von sozialen Medien angeboten.
Weshalb bleiben Menschen nach Erreichen der Pensionsgrenze erwerbstätig?
Da gibt es vielfältige Motive: Weil viele Pensionierte finanziell auf einen Zustupf angewiesen sind. Weil sie sich und ihr Know-how der Gesellschaft zur Verfügung stellen möchten. Weil sie einen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten möchten. Weil sie sich körperlich und geistig fit halten möchten. Es sind oft Menschen, die ein erfolgreiches Berufsleben hatten, die weiterarbeiten möchten.
Menschen aus Gesundheitsberufen haben vielerorts die Möglichkeit, nach ihrer Pensionierung als «Springerinnen» oder «Springer» zu arbeiten.
Nun gibt es auch Argumente und Hürden, die einer Weiterbeschäftigung im Weg stehen. Welche?
Da sind einmal Ängste in der Wirtschaft: Wie können wir Pensionierte sinnvoll beschäftigen? Wie können wir auf ihre individuellen Wünsche eingehen? Wie lange bleiben sie beschäftigt? Wie gehen wir mit der Konkurrenz zwischen den Generationen um? Viele Personalreglemente beinhalten zudem eine starre Höchstgrenze. Fiskalische Gründe gegen eine Weiterbeschäftigung existieren bei der AHV sowie im Steuerrecht. Wer sich für den Bezug der AHV-Rente entschieden hat, kann diese nur einmal neu berechnen lassen. Eine Herausforderung ist schliesslich, dass die wenigsten Firmen kommunizieren, wie sie den Übergang in die Weiterbeschäftigung nach der Pensionierung gestalten.
Neben der Erwerbstätigkeit in der Pension gibt es auch die Freiwilligenarbeit: Pensionierte arbeiten ohne monetäre Entschädigung im Interesse der Gesellschaft weiter. Gibt es da eine Konkurrenz zur Erwerbstätigkeit?
Einige Pensionierte machen beides: Sie beziehen Lohn und arbeiten gleichzeitig in anderen Bereichen benevol weiter. Wir wollen keine Konkurrenz sein. Im Gegenteil: Wir begrüssen alle Beschäftigungs- und Arbeitsmodelle in der Pension.
Werden die Gespräche und Inputs am Festival auch zu einem Output führen?
Ein Ziel ist es, einen Leitfaden zu entwickeln, der die verschiedenen Abklärungen und Schritte zur Erwerbstätigkeit im Rentenalter aufzeigt. An den Festival-Workshops möchten wir einen solchen Leitfaden validieren. Ein weiterer Output wird die Sensibilisierung von Firmen sein, neue, kreative Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung von Pensionierten zu schaffen.
Was muss passieren, damit das Festival für Sie als Mit-Organisatorin ein Erfolg wird?
Wir wenden uns ausdrücklich an die Öffentlichkeit, nicht an ein akademisches Publikum. Ausserdem sind wir dieses Jahr dreisprachig aufgestellt, mit Veranstaltungen in der Deutschschweiz, in der Südschweiz und in der Romandie. Wenn wir in allen drei Landesteilen deutlich mehr interessierte Menschen erreichen können als 2022, dann ist das Festival für mich ein Erfolg.
Zur Person:
Susanne Kast ist Dozentin am «Institut Alter» der Berner Fachhochschule. Sie hat Pädagogik und Psychologie studiert und im Bildungswesen in verschiedenen Funktionen gearbeitet. Am «Institut Alter» leitet sie Weiterbildungsveranstaltungen für Personen, die im Altersbereich arbeiten – im Angebot ist unter anderem der Master of Advanced Studies in Gerontologie – Altern: Lebensgestaltung 50+.
Weitere Angaben:
Das Festival findet vom 2.9.2024 bis 6.9.2024 in Bern, Zürich, Bellinzona und Lausanne statt, begleitet von Online-Sessions. Sämtliche Veranstaltungen sind unentgeltlich. Eine Online-Anmeldung ist notwendig.
LINKS
Programm und Anmeldung «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus»
Titelbild: Pensionierter Schreiner beim Entwerfen neuer Möbel am Computer. Fotos ZVG / Pixabay / Freepik.