StartseiteMagazinLebensartRebell mit der Motorsäge

Rebell mit der Motorsäge

Vom Modedesign zur Kunst – vom Stoff zur Eiche, von der Nadel zur Motorsäge: der Künstler Beat Breitenstein hat sein Leben lang immer das getan, was er selber wollte. Auch heute, mit 70 Lenzen, bleibt er konsequent «auf dem Holzweg».

Weisses Haar und ein neugieriger Blick. Das ist das Erste, was uns an Beat Breitenstein auffällt, als er uns auf dem kleinen Bahnhöfli an der Endstation der Biel-Täuffelen-Ins-Bahn empfängt. Hier, in dieser 3700-Seelen-Gemeinde im Seeland, wohnt und arbeitet Breitenstein seit über 30 Jahren.

Bevor wir uns in seiner mächtigen Zehntenscheune zum Gespräch hinsetzen, will er uns zunächst sein «Open air-Atelier» zeigen. Draussen im Wald erreichen wir einen lauschigen Ort, auf dem ein einfacher Unterstand steht. Dass hier gearbeitet wird, verraten die diversen Holzteile, Stämme und viele Sägespäne, die den Boden bedecken. Tatsächlich ist Breitenstein oft hier, um sich mitten in der Natur seiner Kunst zu widmen. Dann ist er jeweils mit seiner Motorsäge zugange. Er beschränke sich seit Jahren bewusst auf die Eiche, erklärt Beat Breitenstein: In dieser Einschränkung liegt für ihn die Freiheit. Zudem biete nur dieses Holz die Möglichkeiten, nach denen er suche: «Das Holz ist hart, riecht gut, lässt sich gut bearbeiten. Der Oxidationsprozess, verursacht durch die Gerbsäure, erbringt spannende Resultate, die andere Holzsorten so nicht bieten können».

Wurzeln im Oberbaselbiet.

Zurück in seinem Inser Atelier, sitzen wir an einem Tisch, rundum umgeben von seinen Arbeiten. Auf dem Tisch stehen Ingwerwasser und Gipfeli, und die Kaffeemaschine brüht frischen Kaffee. Als freischaffender Künstler tätig ist Beat Breitenstein erst seit gut drei Jahrzehnten. Davor war er zwar auch künstlerisch tätig, aber seinen Lebensunterhalt verdiente er mit bezahlten Brotjobs.

Breitenstein, geboren im August vor 70 Jahren in Sissach, wächst als Sohn eines Schreiners und einer Damenschneiderin zusammen mit dem zehn Jahre älteren Bruder Kurt und seiner jüngeren Schwester Christine (geboren 1949) auf. «Ich war ein kleiner Rebell», sagt er auf die Frage nach seiner Jugend. Er habe solange in den Sommerferien bei der Mineralquelle Eptingen gearbeitet, bis er sich letztlich seinen grossen Traum – ein Töffli – hat leisten können.

Damals will Beat Breitenstein am liebsten Goldschmied werden. Mit dem Berufsberater gibt es Streit, denn dieser findet, Goldschmied sei ein zu wenig kreativer Brotlos-Job. Er solle doch besser Plattenleger lernen. Breitenstein: «Da war der Zapfen ab…»

Dannzumal – wir schreiben das Jahr 1974 – beginnt für den jungen Mann eine kleine Odyssee in beruflicher Hinsicht: «Ich habe einmal dies begonnen und dann das weitergemacht, bis ich wieder gewechselt habe.»

Zunächst absolviert er die Berufswahlklasse, beginnt eine Lehre als Velomech, wechselt aber rasch zu einem Motorrad- und Velomechanikgeschäft. Doch als der Chef von ihm verlangt, jeweils nach der Gewerbeschule extra ins Geschäft zu kommen, um die Zweiräder an Feierabend von draussen nach drinnen zu versorgen, begehrt Beat Breitenstein auf und verlässt den Betrieb wieder.

So heuert er bei IKEA an, fährt Hubstapler und wechselt auf den Bau – als Kranführer. Doch auch hier wird er nicht glücklich…

Ab in den Norden

Kurzentschlossen lässt sich Beat Breitenstein mit 20 Jahren sein Bankkonto ausbezahlen, um die Schweiz Richtung Norwegen zu verlassen. Er fährt zu seinem Bruder, der schon zehn Jahre zuvor dahin ausgewandert ist. Er hütet die Kinder seines Bruders und betätigt sich als Au-Pair – zunächst bei einer Schiffsreeder-Familie, dann bei einem holländischen Ehepaar. Seine Aufgabe: mit den Kindern kreativ zu arbeiten und sie zu beschäftigen.

Dann ist es eine alte Nähmaschine, die den weiteren Weg von Beat Breitenstein bestimmt: «Diese stand bei den Holländern rum und ich habe sie genutzt.» Er näht sich seinen ersten Anzug. Daneben erlernt er die norwegische Sprache und arbeitet in einem Nähatelier. Es dauert nicht lange, bis in ihm der Entschluss reift, im Norden zu bleiben und (in Trondheim) Modedesign zu lernen. Breitenstein: «Erstaunlicherweise haben sie mich aufgenommen.» Die Ausbildung zieht er durch – in norwegischer Sprache. Dann kehrt er in die Schweiz zurück, um in Delémont eine Stelle als Modedesigner bei der Firma Smarty Mens’ Fashion anzutreten. In dieser Firma wirkt er 14 Jahre lang an verantwortungsvoller Stelle.

Vom Modedesign zur Kunst

Bereits zu dieser Zeit im Jura betätigt sich Beat Breitenstein nebenher in seinem Atelier künstlerisch mit Metall und Holz. Er ist mittlerweile liiert und Vater eines Sohnes. Er kündigt seinen Job und bewirbt sich 1992 an der Heilpädagogischen Internatssschule Schlössli in Ins. Er erhält die 60-Prozent-Stelle und so die Freiheit, weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Drei Jahre hält er durch, dann zieht er erneut die Reissleine, um voll auf die Karte Kunst setzen zu können. Endlich ist er da, wo er immer hinwollte: «Es war mir immer wichtig, das zu machen, was ich selber will».

Seit über drei Jahrzehnten nun lebt Beat Breitenstein von seiner Kunst – «Einmal besser, einmal weniger gut…». Selber bezeichnet er sein Werk als «sehr konkret abstrakt.»

Vorläufig kein Ruhestand

Mit dem Älterwerden und dem Alter geht Beat Breitenstein gemäss eigenem Bekunden entspannt und unverkrampft um. Derzeit erinnere ihn meist nur das entstehende Buch zu seinem 70. Geburtstag daran, dass er älter werde. Solange er könne, werde er weiterarbeiten. «Und mit meiner Partnerin in der Natur wandern gehen.» Zuweilen besucht er Theatervorstellungen, Konzerte, Ausstellungen und Lesungen. Daneben hütet er einmal wöchentlich sein Grosskind vom Sohn Boris, das in Münsingen leben.

Fotos Christian Roth

70 Jahre Beat Breitenstein

  1. und 24. August 2024: Feiern in seinem Atelier in Ins
  2. September bis 5. Oktober 2024: Ausstellung in Fribourg
  3. September bis 30. Dezember 2024: Museum Modern Art (Hünfeld DE)
  4. Oktober 2024: Eichenbaumpflanzung in Sissach mit Buchpräsentation
  5. Dezember 2024: Zu Gast bei Ueli Mäder im Cheesmeyer Sissach

www.beatbreitenstein.ch

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

oder über:
IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Fragile Arktis

Musikfest 2: Drei Kontinente

Die ermüdete Gesellschaft

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-