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Die Mehrwertsteuer: Rettungsanker der AHV und der Armee?

Die Versuchung ist immer wieder gross, sehr gross sogar, die Mehrwertsteuer (MwSt.) zu erhöhen. Denn mit dem aktuellen allgemeinen Steuersatz von 8,1% ist die Schweiz nach wie vor einsame Spitzenreiterin, zumindest Europameisterin, wenn es darum geht, wer den tiefsten Steuersatz hat. Den niedrigsten MwSt.-Satz in der EU hat mit 17% Luxemburg, dann folgt Malta mit 18%, also Sätze, die mehr als doppelt so hoch sind als der in der Schweiz. Den höchsten Umsatzsteuersatz hat Ungarn mit 27%, Dänemark, Schweden und Kroatien mit je 25% folgen fast gleichauf. Deutschland hat 22%, Italien ebenfalls, unser Nachbarland Österreich – am besten vergleichbar mit der Schweiz – 20%. Frankreich ist ein Sonderfall. Das Land hat verschiedene Sätze, bewegt sich aber mit dem allgemeinen Satz etwa in der gleichen Höhe. Nicht verwunderlich: Der durchschnittliche Satz in der EU beträgt 21,6/%. Interessant ist, dass in vielen Ländern bei Nahrungsmitteln und in der Gastronomie tiefere Sätze zur Anwendung gelangen.

Wer ist schon erstaunt darüber, dass der Bundesrat die 13. AHV-Rente nun ausschliesslich über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer finanzieren will. Das ist vordergründig der einfachste Weg. 2023 brachte die MwSt. rund 25,2 Milliarden Franken ein. Wenn nun mit Mehraufwendungen für die zusätzliche Rente mit 4 bis 5 Milliarden gerechnet werden muss, wird selbst eine Erhöhung von 1% MwSt. plus nicht ausreichen. Deshalb will der Bundesrat die Erhöhung erst im Herbst festlegen, wenn bekannt ist, wie die Finanzen der AHV tatsächlich ausfallen, wenn also neu gerechnet wurde, wohl mit Modellen, die es bringen werden. Und, wie erhofft, die AHV-Rechnung dann wirklich weit besser aussieht als bisher gerechnet wurde. Bewusst oder unbewusst, bleibe dahingestellt.

Ja, dann würde eine Erhöhung von rund 0.6 – 0,8% genügen. Es gibt aber noch andere, die bei der MwSt. zulangen möchten. Beispielsweise der St. Galler Ständerat Benedikt Würth. Er möchte das eine Prozent voll ausschöpfen. Die MwSt. von 8,1 auf 9,1% erhöhen und mit dem, was bleibt, den Armeeaufbau mitfinanzieren. Die Kombination könnte es aber in der dazu notwendigen Abstimmung schwer haben. Und damit nicht zuletzt weitere Begehrlichkeiten wecken. Wir werden ja noch lange Europameister bleiben. Von jetzt 8,1% bis gegen 20% ist noch ein weiter Weg, um über die MwSt. Einnahmen zu generieren.  Die süsse Verlockung MwSt….

Nur: Allein die AHV mit einer erhöhten MwSt. zu retten, wird ein ganz steiniger Weg werden. Einmal, weil die Bürgerlichen keiner Erhöhung der MwSt. zustimmen wollen. Die Linken und Gewerkschaften nur einer Kombination von Lohnprozenten und MwSt. das Plazet verleihen würden. Und das grösste Hindernis wird die zwingend notwendige Volksabstimmung darstellen, weil der MwSt.-Satz in der Verfassung verankert ist und so auch das Ständemehr erreicht werden muss.

Der Übergang von der damaligen Warenumsatz-Steuer zur Mehrwertsteuer hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Der in europäischen Ländern eingeführten Mehrwertsteuer ging damals in der Schweiz ein schlechter Ruf voraus, weil die jeweiligen Steuersätze laufend heraufgesetzt wurden. Folgerichtig hatten die Vorlagen, die in den Jahren 1977, 1979 und 1991 zur Abstimmung gelangten, keine Chancen. Aus dieser leidvollen Erfahrung zogen die Gesetzgeber damals ihre Lehren und schoben dem möglichen steten Zugriff auf höhere MwSt.-Einnahmen einen Riegel vor. Sie verankerten den Steuersatz explizit in der Verfassung, was bei Erhöhungen – wie erwähnt – das Volk- und das Ständemehr voraussetzt. So wurde die MwSt. erst in der Abstimmung vom 28. November 1993  mit 66% ja angenommen und auf 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt.

Der tiefe Steuersatz von heute 8,1% und dass er seit 1995, als die MwSt. in Kraft gesetzt wurde, erst um 1,6% Punkte heraufgesetzt wurde, ist mitverantwortlich dafür, dass wir auf wirtschaftliche Stabilität und Planungssicherheit bauen können. Er ist auch verantwortlich dafür, dass die Schwarzarbeit bei uns weit weniger um sich greift als beispielsweise in Italien, wo kaum eine Handwerker-Rechnung voll mit dem MwSt.-Satz bezahlt wird.

Wie Bunderätin Elisabeth Baume-Schneider vor der Presse betonte, sollen mit der Erhöhung der MwSt. auch die Pensionierten einen Beitrag an ihre 13. Rente leisten müssen. Die sollen zu spüren bekommen, dass nichts gratis ist, auch die 13. Rente nicht. Nur: Wenn Elisabeth Baume-Schneider die Rechnung ohne die Pensionierten macht, wenn diese an der möglichen Abstimmung dannzumal ein Nein in die Urne legen werden? Dann wird es heissen: zurück auf Start.

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2 Kommentare

  1. Will man einen Vergleich mit dem Ausland machen, darf man natürlich nicht nur eine einzige Steuer (TVA) herauspicken, sondern muss die gesamten Steuersysteme vergleichen.
    Die 13. AHV-Rente ist bekanntlich eine logisch nicht begründbare Umverteilung von jung zu alt. Gerechter wäre eine Finanzierung über einen Zuschlag zu Einkommens- und Vermögenssteuern der Rentenbezüger. Dann würden die bedürftigen Rentner durch diejeinigen Rentner unterstützt, die im Geld schwimmen. Ohne Ausbeutung der Jungen durch die Alten.

  2. Oder man besteuert endlich die schwerreichen Erben, die für ihre Reichtümer nichts geleistet haben und dafür auch noch belohnt werden.

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