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Wie der Ukraine-Krieg die Welt verändert

Dieses Buch habe ich nicht vom Verlag zum Besprechen angefordert; ich erhielt es, weil ich früher Bücher über Israel/Palästina besprochen habe. Und nun soll ich, weder Politologe noch Historiker, das Buch, über die Kriegsfolgen des Ukraine-Krieges besprechen – oder ich lege es weg.

Der Band «Kriegsfolgen. Wie der Kampf um die Ukraine die Welt verändert» beschreibt jenseits von ukrainisch/westlicher und russischer Propaganda die Motive und Folgen dieser seit Generationen gefährlichsten Weltkrise. In mehreren Kapiteln werden die Vorgeschichte des Konflikts, der Kriegsgang selbst, die Beteiligung des westlichen Bündnisses über Waffenlieferungen für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland, das Erstarken der politischen Rechten in Kiew und Moskau sowie die Rolle der Medien im transatlantischen Raum durchleuchtet. Dem Vormarsch der NATO und dem wirtschaftlichen Vordringen der EU in Richtung Osten stehen die Vertreter des Konzepts von «russki mir» gegenüber, die den Konflikt in der Ukraine ideologisch und militärisch dazu nützen wollen, eine Zusammenführung von Regionen mit russischer Bevölkerung zu erreichen. Die Ukraine ist zwischen Ost und West – nicht zum ersten Mal in der Geschichte – zum Spielball im geopolitischen Ringen geworden.

Nur etwas weiss ich nach der Lektüre: Wir alle, ob Laien, wie ich, oder Journalisten und Fachleute, die ihre Aufgabe ernst nehmen, dass wir alle fast nichts wissen von den Tausenden von Fakten und Daten, die die Autoren auf den mehr als 250 Seiten aufarbeiten. Und selbst wenn wir sie verstünden: Wie sind sie zu interpretieren? Doch lesen Sie das Buch!

Allein schon die Feststellung, dass zu diesem umfassenden Thema 17 Autoren und Autorinnen ihre Fakten ausbreiten und Überlegungen anstellen, bedeutet, dass ich diese nicht zusammenfassen kann, sondern mich entschieden habe, einen einzigen Text auszuwählen, der, in meinen Augen, umfassend und radikal die Frage aufrollt und zu Ende denkt – und den ich verstehe. Es ist für mich der Beitrag von Eugen Drewermann «Ohne NATO leben – Ideen zum Frieden». Ich nehme in Kauf, als Idealist, Träumer, Fantast betitelt zu werden. Dabei gehe ich von der wohl allgemeingültigen Feststellung aus, dass kein Medium die ganze Wahrheit bringt, sondern Wahrheit immer erst im Dialog entsteht. In diesem Sinne habe ich diesen klugen und kompetenten Text gelesen – und referiere ihn nachfolgend verkürzt:

 Drewermann geht von verschiedenen Erlebnissen im Krieg aus und meint mit einem Wort: «Was wir Krieg nennen, was wir Militär nennen, ist das Untergraben von allem, was Kultur bedeutet. Erich-Maria Remarque schrieb zwölf Jahre nach dem sogenannten Ersten Weltkrieg in seinem Buch «Im Westen nichts Neues»: «Wenn das – damit meint er Artilleriefeuer, Bajonettangriffe, Handgranaten, Giftgas, Panzerketten, Typhus – wenn das möglich war, war alles umsonst, was wir von Platon bis Schopenhauer jemals als Kultur bezeichnet haben.» Das Militär ist die Gegenwelt zur zivilen Welt. Alles das, was uns im zivilen Leben verboten wird zu tun – töten, brandschatzen, rauben, morden -, wird im Krieg als befohlene Strategie ausgeübt und ganz normalen 18-jährigen Jungen und jetzt sogar Mädchen aufgezwungen. Und die Bundeswehr wirbt in Berlin im Herbst 2022 mit der Aufschrift auf Omnibussen: «Mach, was wirklich zählt!» Und damit sind wir bei dem, was Wolfgang Borchert 1947 in Basel auf seinem Krankenlager sagen konnte, als Vermächtnis an die Menschheit: «Mann an der Werkbank! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst statt Kochgeschirr und Wasserrohre Kanonenrohre und Handgranaten ziehen. Mann an der Werkbank, sag NEIN! Mann im Labor! Wenn sie wieder kommen und sagen, du sollst den neuen Tod erfinden gegen das alte Leben. Mann im Labor, sag NEIN! Und Mutter in Deutschland, Mutter in der Ukraine! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst Kinder gebären: Jungen für die Front, Mädchen für die Spitäler. Mutter in Deutschland, Mutter in der Ukraine, sag NEIN! Und Pfarrer auf der Kanzel! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst die Waffen segnen und den Krieg als Gottesurteil verkünden. Pfarrer auf der Kanzel, sagt NEIN! Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wird das stets so weitergehen und immer noch viel schlimmer kommen.» Im Weiteren zitiert er sinngemäss Albert Einstein: «Nur wenn wir das Militär beseitigen, werden wir keinen Rückfall in die Steinzeit erleben. Es ist Zivilisation nur unter der Bedingung zu haben, dass wir die Bereitschaft zum Krieg, präformiert in der Politik, trainiert auf den Kasernenhöfen, industrialisiert in der Rüstung, ein für alle Mal mit Nein verabschieden.»  

Zugegeben, das alles sind Fragmente, Denkfragmente. Das Ganze kann niemand denken, das Ganze gibt es erst, für jeden und jede, im Kopf und im Herzen. Und nochmals: Lesen Sie alle 17 Beiträge! Denn ich weiss, dass ich nichts weiss.

Hannes Hofbauer/Stefan Kraft, Hg: Kriegsfolgen. Wie der Kampf um die Ukraine die Welt verändert, 255 Seiten, Pro Media, Wien 2023

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1 Kommentar

  1. Menschen können sich ändern, Männer auch, und sie können damit festgefahrene Verhaltensmuster und Denkweisen aufbrechen und eine Gesellschaft zum Guten verändern. Irgendwo las ich einmal den Satz in roter Farbe an die Mauer gesprayt:

    ES IST KRIEG UND NIEMAND GEHT HIN

    Warum lassen sich Männer als Zielscheibe und Vernichtungswaffe von einzelnen Machthabern, die nur sich selbst und ihre Ziele im Sinn haben, immer wieder einspannen und manipulieren? Warum ist die Verweigerung von Gewalt für Männer bis heute kaum ein Thema? Es müsste doch inzwischen jedem klar sein, was Kriege anrichten.
    Über Jahrhunderte wurde nur der männliche Forschungs- und Geltungsdrang gefördert und anerkannt (Frauen wurden ausgeschlossen), die Erfolge als Heldentaten glorifiziert, institutionalisiert und als Machtinstrument missbraucht und ist als Kriegswirtschaftszweig und Einnahmequelle bis heute in unser Leben integriert.

    Gegen Krieg und Gewalt haben schon viele angeschrieben und auf den Strassen demonstriert, besonders auch die Frauen. Bekanntlich stinkt der Fisch vom Kopf her, will heissen, es ist jetzt an allen Männern, sich ernsthaft über die über Jahrhunderte von Kirchenoberen und Landesherrschern propagierte und legitimierte männliche privilegierte Vorherrschaft und ihre vermeintliche «von Gott gegebene Dominanz» über andere, ernsthaft auseinander zu setzen.

    Nur die Einsicht wird nicht genügen. Die Männer müssten solidarisch als Gesamtheit aktiv werden und sich persönlich und öffentlich eingestehen, dass ihre Denk- und Handlungsweise gründlich in die Hosen gegangen ist. Kriege führen und zerstörende Gewalt, wo und wie auch immer sie angewendet wird, ist gegen jede Vernunft und Überlebensstrategie auf unserem Heimatplaneten.

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