Zwei Frauen, zwei Berufe, zwei verschiedene Lebensläufe – und beide leiden an derselben Krankheit. Allerdings in zwei verschiedenen Ausprägungen: Sibylle ist seit Kindheit Diabetikerin Typus 1, Monika hingegen erkrankte erst mit etwa 50 Jahren an der Krankheit. Sie leidet an Diabetes mellitus Typ 2, an «Alterszucker».
Während Sibylle seit ihrer Jugend mit dem Prozedere einer Diabetikerin vertraut ist – drei bis sechsmal täglich in einen Finger pieksen, den Bluttropfen auf einen Teststreifen geben und diesen in ein Messgerät einführen – musste Monika vor wenigen Jahren ihr Leben umgestalten.
Sibylle hat vor drei Jahren ihre Jahrzehnte lang eingeübte Praxis aufgegeben. Heute ist sie digital und KI basiert unterwegs – und ist, nach einer gewissen Eingewöhnungsphase, zufrieden mit der neuen Methode.
Immer dabei: Das Lesegerät, das Sibylle anzeigt, wie hoch ihr Blutzuckerspiegel ist.
Sie musste allerdings gehörig umlernen. Statt nach einer Basisdosis Insulin am Morgen und dann je nach Aktivität und Nahrungszufuhr vier bis sechsmal pro Tag mit einer Injektion zum Beispiel in den Oberschenkel «nachbessern», wird ihr Körper heute während 24 Stunden in ganz kurzen Abständen kontinuierlich überwacht und mit Insulin versorgt.
Ein Gipfeli zum Zmorge? Das Gerät notierts.
Das bedeutet aber, dass sie bei dieser digitalen Technik Tag und Nacht «verkabelt» ist. Am Oberarm trägt sie unauffällig einen kleinen Sensor, der mittels einer feinen Hohlnadel ins Unterhautfettgewebe die Blutzuckerwerte drahtlos auf ein Lesegerät oder an ein Smartphone übermittelt. Sibylle kann so mittels einer Kurve nachverfolgen, wie ihre Werte sind. Ein Gipfeli zum Zmorge wird da ebenso registriert wie körperliche Aktivitäten oder sogar, wie im Falle von Sibylle, anstrengenden Leistungssport.
Der Sensor am Oberarm misst mit ener kleinen Hohlnadel im Unterhautfettgewebe den Blutzuckerwert.
Dann aber reagiert das System, anders als früher, aber doch nicht völlig autonom. Sibylle muss der Pumpe über ihr Handy, das als Messgerät fungiert, mitteilen, wie viele Kohlenhydrate sie essen wird. Dann wird die nötige Menge Insulin dafür ausgerechnet. Auch sportliche Aktivitäten muss sie «anmelden»: niedrig, mittel oder hoch. Und zu welcher Zeit.
Messgerät muss mit Daten «gefüttert» werden
Eine Pumpe, ausgestattet mit einer Ampulle Insulin, einem Akku sowie einer elektronischen Steuerung, die zum Beispiel im BH oder unter den oberen Rand des Slips geschoben, 24 Stunden am Tag getragen wird, gibt über einen Katheter ins Bauchfett genau so viel Insulin in den Körper ab, wie benötigt wird. Die ganz Installation wird oft als eine künstliche Bauchspeicheldrüse bezeichnet. Was allerdings nicht korrekt ist, wenn nur Insulin abgegeben wird. Denn eine Bauchspeicheldrüse produziert nicht nur Insulin, sondern auch Glukagon als Gegenspieler des Insulins.
Diese kontinuierliche Glukosemessung (CGM) erleichtert zwar die permanente Kontrolle des Blutzuckers und bannt die Angst vor einer Unterzuckerung während der Nacht. Denn bei zu hohen, wie auch bei zu niedrigen Werten wird ein akustischer und/ oder ein Vibrationsalarm ausgelöst.
Die Pumpe mit der Insulinampulle wird am Körper getragen und gibt mittels des dünnen Schlauchs (rechts) das Medikament in die Bauchdecke ab. (Bilder b.r.)
Also ganz ohne Aufwand ist die neue Technik nicht. So behält Sibylle den Monitor mit der massgebenden Kurve den ganzen Tag im Blick. Dazu kommt die Wartung: Die Pumpe hält zwar lange, aber die Ampulle mit dem Medikament wird alle drei Tage ausgewechselt. Der Sensor muss alle zwei Wochen neu gesetzt und die Batterie alle fünf Tage ausgewechselt werden. Und für den Notfall ist immer ein Notfallset mit dabei. Dazu droht Gefahr wegen verstopfter Schläuchlein oder gestörtem Funkkontakt.
Vorteile wiegen Nachteile auf
Und trotzdem möchte sie nicht mehr zurück zum alten System. «Es braucht allerdings eine gewisse Intelligenz, um das System zu verstehen, es richtig zu bedienen und bei Notfällen schnell und richtig zu reagieren» meint Sibylle. «Und 24 Stunden im Tag an ein Messsystem angeschlossen zu sein, ist gewöhnungsbedürftig.» Ausser beim Duschen oder Schwimmen darf sie nicht vom Sender getrennt sein und auch dann höchstens eine halbe Stunde.
Aber dafür keine zerstochenen Fingerspitzen und Oberschenkel mehr. De Kontrolle in gewissem Rahmen abgeben zu können, wiegt die Einschränkungen auf. Auch wenn das System teuer ist. Die Krankenkassen übernehmen denn auch die Kosten für an Diabetes Typ 1 Erkrankte nur, wenn deren Diabetes schwer einstellbar ist. Verlangt wird zudem eine fundierte Einführung und Schulung.
Dank Spritze nicht mehr so strenge Kontrolle
Für Monika also kommt diese Therapie nicht in Frage. Ihre Diabetes Typ 2 muss auch nicht so lückenlos kontrolliert werden. Das heisst, sie lässt ihren HbA1c- Wert alle drei Monate in einer Arztpraxis oder einer Apotheke messen und berechnet aufgrund dieser Werte ihre Medikation. Der HbA1c- Wert gibt an gibt an, wie hoch der Blutzucker in den letzten zwei bis drei Monaten im Durchschnitt war. Dies lässt Rückschlüsse darauf zu, wie gut sie eingestellt ist und ob die Behandlung des Diabetes vielleicht verändert werden sollte. Mit einer Ozempic-Spritze jede Woche – das ist das Medikament, das für Diabetes entwickelt wurde und als Mittel zum Abnehmen Furore gemacht hat – hat sie praktisch normale HbA1c-Werte.
Trotz aller Technik, trotz Spritzen: «Sündigen» ist nur in engen Grenzen erlaubt. (pixabay)
Betont aber werden muss, dass trotz Elektronik oder Medikamenten der Lebensstil der Krankheit angepasst werden muss. Ohne Einschränkungen geht es nicht. Das Thema Ernährung wurde beim Beitrag «Mit Diabetes leben» und Allgemeines zur Zuckerkrankheit mit «Diabetes besser verstehen» im Magazin von Seniorweb erläutert.