Was tun nach der Pensionierung? Weiterarbeiten oder faulenzen? Das Leben geniessen? Endlich mehr Zeit haben für seine Lieben! Für seine Hobbies? Für Freiwilligenarbeit? In einer Online-Veranstaltung der ZHAW wurden Fragen rund um das Arbeiten über das Rentenalter hinaus unter die Lupe genommen.
Im ersten Referat ging Jonathan Bennett der Frage nach, was Pensionierte motiviert, länger zu arbeiten und welche Hindernisse dabei auftauchen können.
Auch wenn viele Frischpensionierte sich noch fit fühlen, ist es nicht selbstverständlich, weiter erwerbstätig zu sein. Neben der physischen und psychischen Gesundheit spielt auch die familiäre und finanzielle Situation eine wichtige Rolle. Weiter zu arbeiten, oft in reduziertem Pensum, kann sehr attraktiv sein, vor allem wenn man sich in der Berufsphase wohl und wertgeschätzt fühlte und die Arbeit als sinnvoll erfahren durfte.
Prof. Dr. Jonathan Bennett, Co-Leiter Institut Alter, Berner Fachhochschule (Foto zvg)
Aber die neuen Freiheiten können auch dazu führen, dass man sich und seine Welt gewissermassen neu erfindet und sich in Aktivitäten einlässt, auf die man bisher aus Zeitgründen verzichtet hat. Andere fühlen sich vom früheren Arbeitgeber gar nicht mehr geschätzt und es wird ihnen signalisiert, dass sie jetzt zum «alten Eisen» gehören, dass sie zu wenig produktiv, zu wenig innovativ, zu wenig digital affin seien. Wieder andere nehmen das ordentliche Rentenalter mit 65 als zu befolgende Norm und wagen nur noch als Freiwillige unentgeltlich sich für das Gemeinwohl einzusetzen.
Andreas Christen präsentierte Zahlen, Fakten und Wünsche zur Erwerbstätigkeit im Rentenalter: Im Vergleich zu ausgewählten OECD-Ländergruppen stagniert die Erwerbstätigenquote ab 65 in der Schweiz.
Die geleistete unbezahlte Arbeit nimmt beim Übergang ins Rentenalter nicht ab. Auffällig ist, dass Männer nach der Pensionierung etwas mehr unbezahlte Haushaltarbeit machen als früher, Frauen arbeiten aber ab 25 bis 75 immer mehr im Haushalt als Männer. Frauen leisten mehr unbezahlte Hilfeleistungen als Männer ab 50 bis 74. Freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten sind bei beiden Geschlechtern verhältnismässig gering.
Andreas Christen, Leiter Research Vorsorge, Swiss Life (Foto zvg)
50- bis 64- jährige Erwerbstätige (ohne Teilzeitpensionierte) wurden nach ihrem Wunschzeitpunkt für die Pensionierung gefragt. Hier die Antworten: 55% wünschen sich eine Pensionierung vor 65, 13% möchten mit 65 pensioniert werden, aber mit einer Teilpensionierung vor 65. Nur 11% möchten mit 65 pensioniert werden ohne Teilpensionierung vorher. 12% möchten länger als bis 65 arbeiten, aber mit einer Teilpensionierung vor 65. 9% möchten länger als bis 65 arbeiten, bis 66 ohne Teilpensionierung.
45% der 50- bis 63/64-Jährigen sind grundsätzlich bereit, auf jeden Fall oder eher über das Referenzalter hinaus zu arbeiten.
Die Bereitschaft zur Weiterarbeit hängt von den Arbeitsbedingungen, dem Beruf und der Unternehmensgrösse ab. Hauptbedingungen für die Weiterarbeit sind gute Gesundheit und Wertschätzung. Ein klares Interesse von Seiten der Arbeitgeber für Weiterbeschäftigung nach der Pensionierung spürten aber weniger als 20% der Angestellten.
Isabel Baumann referierte über gesundheitliche Aspekte im Zusammenhang mit der steigenden Arbeitsmarktbeteiligung älterer Arbeitnehmenden. Die Arbeitsmarktbeteiligung von älteren Menschen ist in den meisten OECD-Staaten in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen und viele OECD-Staate haben in dieser Zeit das Rentenalter erhöht.
In dieser Zeit verstärkte sich der Übergang von einer Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft. Auf Bildung wurde mehr Wert gelegt und die Erwerbsbeteiligung von Frauen nahm zu. Körperlich anstrengende und gefährliche Tätigkeiten nahmen ab, ebenso Berufskrankheiten und Verletzungen am Arbeitsplatz.
Es wurde vielerorts eine „active ageing-Politik“ betrieben: Erhöhung des Rentenalters, Kürzung der Rentenleistungen und zusätzliche Leistungen für mehr gearbeitete Jahre.
Die gesundheitlichen Auswirkungen zunehmender Arbeitsmarktbeteiligung sind unterschiedlich. Isabel Baumann fordert eine bessere Berücksichtigung gesundheitlicher Aspekte in der Arbeitsmarkt- und Altersvorsorgepolitik, da die gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen verschiedenen sozioökonomischen Gruppen zunehmen. Personen mit höherem Bildungsniveau und stärkerer Finanzkraft haben im Alter oft eine bessere Gesundheit.
Zum Titelbild: Ein älterer Herr sitzt an einem Computer und arbeitet, eine Kaffeetasse in der Hand. Er schaut zum Fenster hinaus. Soll er weiterarbeiten, Pause machen oder draussen was erleben? (Foto freepik)
Präsentationen der drei Referate und weiterführende Literatur finden Sie auf der Website Angewandte Gerontologie der ZHAW Hochschulbibliothek.