Philipp Probsts neuster Krimi spielt in den Freibergen. Selma, die Reporterin, wird Zeugin des tragischen Todes einer radikalen Tierschützerin und gebärt im Spital von Saignelégier ihr erstes Kind. Wer Spannung liebt, wird auch den sechsten Band aus Probsts Selma-Serie verschlingen.
Die meisten Protagonistinnen und Protagonisten kennt man aus früheren Krimis: Selma Legrand-Hedlund ist eine talentierte Fotoreporterin mit detektivischem Spürsinn. Wenn die Kultfigur bei ihren Recherchen eine kriminelle Spur entdeckt, arbeitet sie eng mit ihrem Chef, Jonas Haberer, zusammen, nutzt ihr weitläufiges Netzwerk und kombiniert scharfsinnig, bis die Bösen verhaftet oder tot sind.
Haberer, der skurrile Medienprofi, macht gerne auf Cowboy, fährt einen panzerähnlichen, PS-starken Geländegänger, hat aber ein gutes Herz, vor allem für Selma und deren Mutter Charlotte. Letztere wohnt, wiedervereinigt mit ihrem schwedischen Geliebten, am Basler Rheinufer, mag Süsses und entpuppt sich als sachverständige Kunsthistorikerin. Schade, dass die liebenswerte Rentnerin im neusten Band in die Demenz abzugleiten scheint.
Der Krimi «Pferdefreundin» spielt auf einem Gnadenhof.
Dann sind da noch einige Nebenfiguren: Marcel, Selmas Lebenspartner, hat endlich sein Psychologiestudium beendet und eine eigene Therapiepraxis eröffnet. Da es aber mit Patienten und Patientinnen vorerst harzt, fährt er weiterhin für die Basler Verkehrsbetriebe Bus. (Klammerbemerkung: Auch Krimiautor Philipp Probst fährt neben seiner Schriftstellerei weiterhin Bus, obwohl es ihm, im Gegensatz zu Marcel, keineswegs an Leserinnen und Lesern fehlt).
Eine Nebenfigur ist auch Oliver Kaltbrunner, Kommissar bei der Basler Staatsanwaltschaft und gleichzeitig Selmas Schwager. Was zur Folge hat, dass der Polizist wegen Befangenheit in den von der Fotoreporterin aufgedeckten Verbrechen nicht persönlich ermitteln darf. Als Berater und Netzwerker steht er aber allemal zur Verfügung.
Sind Windräder schlecht für Vögel und Fledermäuse?
Im neusten Krimi «Pferdefreundin – die Reporterin in den Freibergen» treten drei neue Personen auf den Plan: Lady Philippa Miller-de-Polline führt im Jura einen Gnadenhof für verstossene oder alte Tiere. Sie kann nicht nur beim Misten anpacken, sie reitet auch wie der Teufel und gibt sich als engagierte Tierschützerin. Als attraktive Frau versprüht sie ihre weiblichen Reize, denen prompt Cowboy Haberer auf den Leim geht. Philippas Sohn Philipp, ein attraktiver Intellektueller, hält sich geheimnisvoll im Hintergrund. Gefährlich präsent ist dagegen ein Unbekannter mit einem Wolfstattoo: Da man seinen richtigen Namen nicht kennt, nennen ihn alle «Isegrim».
Tierschutz und Kunstraub
Der Krimi «Pferdefreundin» dreht sich um die beiden Themen «radikaler Tierschutz» und «Kunstraub». Philippa gehört zu einer Gruppe europaweit agierender, gewalttätiger Tierschützer, die Windräder in die Luft sprengen (weil sie Vögel und Fledermäuse töten), Metzgereien verschmieren, auf Bauernhöfen Fohlen befreien und Anschläge gegen Basler Pharmafirmen unternehmen. Um den Betrieb ihres Gnadenhofs und der weiteren Aktivitäten zu finanzieren, engagiert sie Selma, die den Auftrag erhält, auf dem Betrieb für eine Spendenaktion möglichst eindrucksvolle Tierfotos zu schiessen.
Weshalb wird Mama Charlotte in Basel niedergeschlagen?
Medienprofi Haberer, der den Auftrag organisiert, verliebt sich in Philippa, wird Zeuge einer Befreiungsaktion und erfährt nach und nach immer mehr über die Geheimnisse seiner Angebeteten. Als aufrechter Journalist (auch Krimiautor Philipp Probst arbeitete viele Jahre als Journalist) gerät er in einen Gewissenskonflikt zwischen Gut und Böse. Soll er sich für Recht und Gesetz einsetzen oder als Steigbügelhalter und Mittäter seiner umtriebigen Geliebten engagieren?
Als Mutter Charlotte am Rheinknie überfallen und verletzt wird, erfährt man als Leser von einer wertvollen Bildersammlung, die in einem geheimen Labor der Basler Chemie lagern soll. Die Gemälde gehören Philippa und werden von deren Sohn verwaltet. Selma wäre eine schlechte Journalistin, wenn sie nicht auch diesem Geheimnis auf den Grund kommen möchte. Alle suchen das Labor, doch als Marcel und Selma es finden, sind die Gemälde verschwunden. Handelt es sich bei der Sammlung um Raubkunst?
Wer hat die wertvolle Kunstsammlung aus dem geheimen Labor entwendet?
Nach abenteuerlichen Verwicklungen, mörderischen Anschlägen, romantischen Liebeszenen und der Sprengung einer Höhle in den Freibergen, bei welcher jemand stirbt, werden alle Geheimnisse gelüftet und Kommissar Kaltbrunner kann zusammen mit seinen Polizeikollegen die beiden Fälle aufklären. Derweil gebärt Selma im Spital von Saignelégier ein gesundes Kind.
Autor Probst meint, dass mit dieser Wende die Selma-Reihe abgeschlossen sei. Als Krimifan will man ihm nicht recht glauben, den nur allzu gerne möchte man wissen, ob Selma nun ihren Marcel heiratet, ob die Hauptfigur trotz Mutterschaft weiterhin als Fotoreporterin ermittelt und Mutter Charlotte wieder gesund wird.
Spannung bis zum Schluss
Nein, die Spannung ist nicht raus. Philipp Probst Selma-Krimis haben alle Zutaten guter Unterhaltungsliteratur, mit Schweiz-Bezug, zeitgemäss, mit Themen, die uns alle umtreiben, skurrilen Figuren, stillen, lauten und überraschenden Momenten. Und mit regelmässigen Bezügen auf frühere Selma-Geschichten.
Auch der neuste Band ist flüssig geschrieben und lässt einem dank immer neuer Einfälle und Wendungen nicht mehr los. Wer einmal mit der Lektüre begonnen hat, legt «Pferdefreundin» besser nicht weg. Denn einschlafen kann man erst, wenn man das Buch zu Ende gelesen hat.
Titelfoto: Über der idyllischen Pferdeweide in den Freibergen schwebt Unheil. Alle Fotos Pixabay / Freepik.
Philipp Probst, Pferdefreundin, Die Reporterin in den Freibergen, Orte Verlag, 248 Seiten, ISBN 978-3-85830-334-9
Buchvernissage:
Orell Füssli Basel
Freie Strasse 17
4001 Basel
Datum: 05.11.2024
Beginn: 19:30 Uhr. Einlass: 19:00 Uhr
Eintritt frei, Tickets können unter https://bit.ly/OF-Basel-Probst-Vernissage reserviert werden.
LINK