Was verbindet Seniorinnen und Senioren? Dass sie alt sind. Und sonst? Dass viele von uns unangenehme Eigenschaften entwickelt haben.
Seniorweb-Kollege Röbi Bösiger hat sich am 29. Oktober der Maroden und Mödeli von Seniorinnen und Senioren angenommen. Ein ergiebiges Thema und leicht zu ergänzen. Los gehts:
Unsere Reise durchs Land der Senioren-Mödeli beginnt am Bahnhof. Wir älteren Menschen sind meist zu früh, viel zu früh auf dem Perron. Nicht fünf Minuten, nein viertelstundenweise warten wir auf dem Perron. Dahinter steckt die Angst, dass der Zug heute ausnahmsweise früher startet als im Fahrplan aufgelistet. Oder dass der sonst stets leere Bummelzug zwischen Ramsei und Lützelflüh-Goldbach heute so überfüllt ist, dass wir uns beizeiten einen Platz sichern müssen. Deshalb drängeln wir beim Einsteigen.
Das Recht auf einen Sitzplatz, Fenster, Fahrtrichtung, allein im Abteil, wohlerworben mit dem AHV-GA, verteidigen wir durch eine gute Startposition beim Einstieg, wenns sein muss, durch Rempeln. Nähern wir uns nach der Fahrt dem Ziel, beginnt die nächste Runde.
Wir Senioren stehen lange, bevor der Zug hält, an der Tür. Als Erste hinaus wollen wir, weil wir wissen, dass der Zug gleich weiterfährt. Wenn wir es nicht rechtzeitig nach draussen schaffen, müssen wir unfreiwillig bis nach Genf-Flughafen oder Romanshorn-Schiffsstation fahren. Uns passiert das nicht. Wir sind nach dem Ausstieg die ersten auf dem Perron. So kommen wir zügig zum Ziel, ins Einkaufszentrum. Deshalb drängeln wir beim Aussteigen.
Hier begrapschen wir jeden Pfirsich, betasten jeden Apfel, beriechen jeden Trübel, misshandeln jedes unschuldige Früchtchen. Immerhin haben wir das Nasentröpfli vorher abgewischt. Wir lassen uns doch von Migros, Coop und Co. nicht minderwertige Ware andrehen. Deshalb begrapschen wir jeden Trübel und alle Avocados.
Nach diesen Studien erfüllen wir einen weiteren pädagogischen Auftrag. Gerne weisen wir andere Leute zurecht. Der Bericht aus dem Senioren-Mödeli-Land bietet reichlich Gelegenheit, für Sitte und Anstand zu sorgen.
Wir stellen den Velofahrer auf dem Trottoir in den Senkel. Die Frau mit dem Koffer im Gang des Busses soll wissen, dass sich das nicht gehört. Die Eltern mit den Kinder-Trucks, den Nuggi-Quads, genannt Kinderwagen, sollen warten. Wir Alten wissen aus Erfahrung schliesslich am besten, was Erziehung bedeutet. Deshalb belehren wir die Leute.
Geschätzte Seniorweb-Leserschaft wie reagieren Sie auf diese Vorwürfe?
a) Stimmt überhaupt nicht. Das ist ungerechtfertigtes Senioren-Bashing.
b) Stimmt zum Teil. Gilt aber längst nicht für alle, keinesfalls für mich.
c) Stimmt für alle. Aber nicht für mich.
ist schon so:
– wir hören nicht mehr so gut
– wir sehen nicht mehr so gut
– wir lernen nicht mehr so schnell
ABER: wir wissen alles besser!!!!
Was für eine gelungene Zusammenfassung. Gratuliere Hanspi
Ich stimme für b).
Wer hat nicht so seine «Mödeli»? Ich würde sagen von allem etwas, einmal so und einmal so. Einverstanden?
Seit ich eigene Kinder habe beobachte ich mein eigenes Verhalten. So bin ich mit den Jahren nachsichtiger und einsichtiger geworden. Und vergebender.
Bewusstsein lässt sich erweitern, und das Leben wird immer schöner und befriedigender.
Ich versuche, hinter jedem Satz, den ich sage und jeder Handlung innerlich vollkommen dahinter stehen zu können.
Auch ich stimme für b). Ich drängle nirgendwo, und ich begrapsche weder Früchte noch Gemüse. Das einzige was ich ab und zu mache, ist andere Zurecht zu weisen. Aber auch das eher selten. Immerhin bin ich 75, und habe gewisse Erfahrungen sammeln können.
Da gäbe es sicher noch weitere Mödeli. Davor bin ich sicher nicht gefeit. Zum Belehren ist die Versuchung manchmal gross. Meist gelingt es mir, mich zurückzuhalten. Velofahrende auf dem Trottoir kann ich akzeptieren, wenn sie sich rücksichtsvoll verhalten. Leider gibt es aber auch viele Rowdies und die weise ich gelegentlich zurecht, wenn überhaupt noch möglich. Zum Zug oder Bus komme ich meist erst im letzten Moment – genau wie früher –, schätze es aber, wenn mir beim Einsteigen der Vortritt gewährt wird, auch wenn ich nicht drängele. Wenn im Zug oder Bus Junge ihre Schuhe auf den gegenüberliegenden Sitz legen, drücke ich mein Missfallen mit ein paar Blicken aus. Manchmal hilft’s.