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Stärker mit freiwilligen Seniorinnen und Senioren

Engagements von älteren Freiwilligen tun allen gut, den Freiwilligen und den Unterstützten. Eine aktuelle Studie zeigt, warum und wie sich ältere Menschen ehrenamtlich engagieren. Das Fazit: Vereine sollten die unterschiedlichen  Lebenslagen der Freiwilligen und die Erwartungen, die sie an ein Engagement knüpfen, stärker beachten.

Die neuste Ausgabe von Panorama Gesellschaft Schweiz, einer Publikationsreihe des Bundesamts für Statistik in Kooperation mit Schweizer Hochschulen und den Akademien der Wissenschaften Schweiz, liefert eine Bestandsaufnahme des Alters und Alterns in der Schweiz. Ein Kapitel der Studie widmet sich dem freiwilligen Engagement von älteren Menschen. Dabei zeigt sich: Viele ältere Menschen engagieren sich freiwillig in Vereinen oder Organisationen, doch noch häufiger informell in ihrem sozialen Umfeld. Ihr Engagement trägt zu einem lebendigen Gemeinwesen bei und leistet einen Beitrag zum sozialen und ökonomischen Wohlstand der Schweiz.

Laut den Zahlen aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung, die im Panorama-Bericht zitiert werden, war in der Schweiz 2016 etwa jede sechste Person im Alter ab 65 Jahren freiwillig in einem Verein oder einer Organisation tätig. Bei den «jüngeren Alten» (65–74 Jahre) ist es sogar ein Viertel, bei den über 74-Jährigen noch etwa ein Zehntel. Diese Zahlen betreffen die organisierte Freiwilligenarbeit, beispielweise in einem Verein. Informelle Tätigkeiten wie Enkelkinder zu hüten oder der Nachbarin zu helfen sind hier nicht gemeint.

Menschen ab 65 Jahren betätigen sich besonders häufig in sozialen, karitativen oder kirchlichen Organisationen, in kulturellen Vereinen und Sportvereinen. Dabei sind die Männer mit knapp 20 Prozent der über 65-Jährigen häufiger formell engagiert als die Frauen mit knapp 15 Prozent. Frauen übernehmen mehr informelle Freiwilligenarbeit.

Menschen um die Pensionierung ansprechen

Anlässlich eines Wissenschaftscafés der Stiftung Science et Cité wurde die Frage diskutiert, wie Ältere zur Freiwilligenarbeit motiviert werden können. „Die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, ist kurz vor und nach der Pensionierung am höchsten“, sagt Anita Schürch, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule.  Vereinen, die unter Mitgliederschwund leiden, empfiehlt sie beispielsweise, Orientierungsabende für Personen an der Schwelle zur Pensionierung anzubieten. Monika Blau, Co-Leiterin des Programms „Intergeneration“ der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG, ergänzt, dass Werbemassnahmen besser funktionieren, wenn sie niederschwellig an die Personen herangetragen werden – etwa über das persönliche Netzwerk oder durch Informationsangebote an hochfrequentierten öffentlichen Begegnungsorten wie Fussgängerzonen.

Wissenschaftscafé vom 4. November 2024 in Bern zum Thema «Mit Senior:innen stärker – neue Impulse für Vereine  und Organisationen.» Auf dem Podium (vl.): Moderator Toni Keller; Monika Blau, Co-Programmleitung Intergeneration; Anita Schürch, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum Partizipative Gesundheitsversorgung und Institut Alter, Berner Fachhochschule 

Gewandelte Ansprüche

Der Austausch mit dem Publikum während des Wissenschaftscafés deutet darauf hin, dass es anspruchsvoller wird, Menschen davon zu überzeugen, sich in einem Verein zu engagieren. Und dass es ein Trugschluss ist, davon auszugehen, bei Seniorinnen und Senioren sei es ein Kinderspiel, nur weil diese Menschen scheinbar mehr Zeit haben. Anita Schürch rät den Vereinen: «Jemanden für eine bestimmte Position zu suchen, funktioniert heute oft nicht, auch nicht bei älteren Menschen.» Die Vereine sind gefordert, eine gewisse Offenheit an den Tag zu legen bezüglich der zukünftigen Aufgaben im Verein. Monika Blau ergänzt, dass viele Menschen sich davor scheuen, sich längerfristig zu binden. Sie rät: «Ein kürzeres, projektgebundenes Engagement anstelle einer Vereinsmitgliedschaft senkt oft die Hemmschwelle für ein Engagement.»

Dieser Zwang zur Flexibilität und Offenheit ist auch der Tatsache geschuldet, dass es nicht die Seniorin oder den Senioren gibt. Die jüngste Ausgabe von Panorama Gesellschaft Schweiz zeigt: «Bei der Gewinnung und Begleitung von Freiwilligen müssen die Heterogenität der Lebenslagen und der biografischen Erfahrungen und die unterschiedlichen Vorstellungen, Motive und Erwartungen bezüglich eines Engagements berücksichtigt werden.

Es geht also darum, die Ressourcen, die Seniorinnen und Senioren mitbringen, individuell zu beurteilen und adäquat zu nutzen. Dabei gilt es auch stereotype Vorstellungen über ältere Menschen zu überwinden. «Das Alter ist die heterogenste Lebensphase», sagt Anita Schürch. «Es gibt Menschen, die mit achtzig Jahren locker einem jungen Menschen den Computer erklären können.»

Seniorinnen! Keine Angst vor der Führungsfunktion

Der Freiwilligenmonitor der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft 2020 offenbart, dass sich viele ältere Menschen nicht engagieren, weil sie denken, sie seien zu alt. Knapp 58 Prozent der Menschen zwischen 65 und 74 Jahren, die nicht in einem Verein sind, teilen diese Überzeugung. Diese Erfahrung macht auch Monika Blau: «Ein Problem des Alters ist auch, dass man sich selber diskriminiert. Man denkt ‘In meinem Alter kann ich das nicht mehr machen.’»

Traditionelle Rollenmuster gibt es auch beim Geschlecht. Die Panorama-Studie ergab, dass unter den Vereinsmitgliedern über 65 Jahren Männer eher Leitungsaufgaben übernehmen, etwa als Vorstandsmitglied, Frauen hingegen eher Support- und Basisaufgaben.

Die Vereine sind dazu aufgerufen, älteren Menschen zu zeigen, dass sie keineswegs zu alt sind, um sich für Dinge einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen. Und Voten während des Wissenschaftscafés legen Vereinen ans Herz, Seniorinnen gezielt für formalisierte Aufgaben wie ein Vorstandsamt zu gewinnen.

«Intergeneration» von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft ist ein Netzwerk mit Austauschplattform für Generationenthemen. Die Webseite bietet eine Datenbank, mit der Sie Generationenprojekte in Ihrer Region finden können. Aktueller Schwerpunkt von Intergeneration ist die weit verbreitete Altersdiskriminierung von Jung bis Alt.

Infos zum freiwilligen Engagement von älteren Menschen in der neusten Ausgabe von Panorama Gesellschaft Schweiz. Die Publikationsreihe ist eine gemeinsame Initiative der öffentlichen Statistik und der sozialwissenschaftlichen Forschung an den Hochschulen. Die neuste Ausgabe wird vom Bundesamt für Statistik BFS, der a+ Swiss Platform Ageing Society und von den Universitäten Neuenburg und Freiburg herausgegeben.

Das Wissenschaftscafé der Stiftung Science et Cité widmet sich aktuellen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen und ermöglicht einen Dialog zwischen Publikum und Expertinnen und Experten. Geleitet von einer professionellen Moderation und ohne lange Referate, hören Forschende und Publikum einander zu und tauschen ihre Erfahrungen und Fragen aus. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei. Termine sind auf der Website.

Titelbild: Wissenschaftscafé in Bern. (Fotos Julie Zingg, SAGW)

 

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