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Kindliches Denken

Auf der letzten Seite des Magazins Philosophie werden unter der Rubrik « Phil. Kids» Fragen an Kinder gestellt. Die zehnjährige Pia wird gefragt: «Wie würdest du den Unterschied zwischen freiem Willen und Determinismus erklären?» Sicher wurde ihr der Begriff vorerst erklärt, denn er kommt kaum in der Alltagssprache der Kinder vor. Man darf sich aber nicht täuschen lassen. Kinder nehmen mehr wahr, als man denkt. Sie hören neugierig zu, wenn Erwachsene miteinander reden. Pia antwortet auf kindliche Art: «Freier Wille ist, wie wenn du zwischen Schokoladen- und Vanilleeis wählen kannst. Determinismus ist, wenn Mama sagt, du bekommst Brokkoli.»

Sofia, 7 Jahre, ist schon recht altklug und man erfährt aus der Antwort auf die Frage, warum es Regeln gebe, wie sie sich selber einschätzt: «Damit nicht so kluge Menschen auch wissen, was sie machen sollen.» Vielleicht aber ärgert sich das Mädchen, dass Schulkameraden immer wieder gemahnt werden müssen, sich an die Ordnung zu halten und es dennoch nicht tun. Sie beurteilt sie deswegen als eher dumm, weil sie nicht einsehen wollen, was gilt.

Nun lese ich von Maximilian, 8 Jahre, der gefragt wird: «Was ist Erfolg für dich?» Er sagt: «Viel Geld macht bestimmt Spass. Aber das kann ja nicht alles sein. Viel Freude zu haben ist auch gut. Aber wenn man nichts machen kann, wenn das Konto leer ist. . .  (er stutzt und kommt zur Einsicht): «Erfolgreich sind, finde ich, Leute, die mögen, was sie machen.» Es scheint, dass Maximilian schon daran denkt, was er einmal werden möchte.

Der fünfjährige Pablo beantwortete die Frage «Können Träume zu gross sein?» ganz souverän: «Wenn man das merkt, ist das eigene Leben leider zu klein. Dann hat man ganz andere Pläne.» Wie er das mit den Plänen meint, wird nicht ausgesprochen. Er spürt, dass es zwei Welten gibt, nämlich die der Träume und jene Realität, in der seine Wünsche klein sein müssen. Das Magazin, in dem diese Frage gestellt wurde, erschien für den Dezember/Januar 2025. Da könnten Weihnachtswünsche eine Rolle gespielt haben. Andere Pläne, die ihn beschäftigen, dürften für ihn eher klein sein.

Wenn ich lese, wie Pablo die Frage nach den Träumen beantwortet, erinnere ich mich an meine Kinderzeit. Ich hatte den Wunsch, dass mir das Christkind eine Eisenbahn bringe. Er wurde erfüllt. Hoffnungsvoll öffnete ich das Paket. Es waren Schienen, mit denen ich einen Kreis bilden konnte. Das Bähnchen, das ich aufziehen musste, fuhr also im Kreis herum. Da war weiter nichts zu tun. Es kreiste zwei- dreimal und ich verlor das Interesse. Mein Schulkamerad indessen konnte seine Lok mit den Wagen durch eine ganze Landschaft fahren lassen und die Weichen stellen. Er zeigte mir die Anlage voller Stolz. Das Christkind hatte ihm eine neue Lok gebracht und die Spiellandschaft vergrössert. Mein Geschenk aber war eine grosse Enttäuschung. Hätte man mir die Frage gestellt: Glaubst du, das Christkind sei gerecht? Hätte ich wohl geantwortet: «Nein es liebt andere mehr als mich.»

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